Deutschland Edition: Karl Marx/Friedrich Engels: Die russische Note. In: MEGA2 I/7. S. 465. Köln, 1. August.
!!! Frankfurt, 31. Juli. Sitzung der Nationalversammlung. ‒ Tagesordnung: 1. neue Präsidentenwahl. 2. Flaggenangelegenheit. ‒ Beginn 9 1/4 Uhr. Präsident v. Gagern.
Das Protokoll wird genehmigt, und hierauf ein neues Verzeichniß der Marinebeiträge verlesen. Gervinius zeigt seinen Austritt an wegen Krankheit. Hierauf wird eine durch eine Deputation übergebene Adresse verlesen, die die Reichsversammlung einladet, sie möchte, ihren Verweser in der Mitte, zu dem bevorstehenden Fest nach Köln kommen.
Gagern hält es im Sinne der Versammlung, eine Deputation hinzuschicken, zu der sich gewiß Freiwillige genug melden würden. (Ja!) Zeigt auch an, daß der Reichsverweser auf die an ihn ergangene Einladung seine Gegenwart zugesagt.
Der Reichsminister Schmerling macht Mittheilungen betreffs Schleswigs. Seine Vorhersagung betreffs des Waffenstillstands-Abbruches haben sich bewährt. Wrangel hat am 21. die Feindseligkeiten wieder begonnen. Wer die Ereignisse beobachtet, und den guten Willen mit den Dänen Frieden zu machen, muß wegen des wiederbegonnenen Krieges Deutschland von jedem Vorwurf freisprechen. Jede friedliche Unterhandlung hat ihre Gränzen. Dänemark hat die Friedensratifizirung Seitens der provisorischen Centralgewalt abgelehnt. Der deutsche Feldherr Wrangel spricht seine
tiefe Indignation über die Anmaßung der Dänen in seiner Depesche aus. Das Reichsministerium hat bei der Wahl zwischen Krieg oder schmachvollem Frieden keinen Augenblick geschwankt. (Lautes Bravo.) Wrangels Heer müsse aber jetzt so gestärkt werden, daß dieser Krieg nur noch ein kurzer sei. Schmerling spricht seine Anerkennung aus über das bisherige Benehmen Preußens in diesem Kriege. (Wiederholte Bravos.) Da dieser Krieg ein deutscher sei, müssen die Kriegskosten aus dem deutschen Reichsschatz bestritten, und Preußen für seine bisherigen Opfer entschädigt werden. (Bravo.)
Peuker (Kriegsminister) wiederholt, was Schmerling mit schwacher Stimme gesagt, mit lauter preußischer Kommandostimme. (Die Bravo's steigern sich in demselben Grade.) Man müsse den Krieg mit Energie fortsetzen. Die Schlachtfelder des ersten deutschen Bundeskrieges müssen das Bild der neuen deutschen Einheit liefern. (Was sie auch bisher gethan.) Obschon der Erzherzog-Reichsverweser abwesend, hat das Ministerium Eile und Energie in dieser Sache als so dringlich erkannt, daß es sich mit den einzelnen Staatsministerien in Verbindung gesetzt hat, um die Vermehrung der Operationsarmee in Schleswig per Eisenbahn und Dampfschiffe auf's schleunigste zu bewerkstelligen. Das einige Deutschland läßt sich nicht verhöhnen! (Bravo!!)
Bei der neuen Wahl des Präsidenten wird natürlich wieder gewählt von Gagern mit 357 Stimmen. (Bravo!) Noch hatten Radowitz 2, Trützschler 1, v. Itzstein 25, Soiron 4, Ruge 1 Stimme. (Bravo!) Gagern hält hierauf die gewöhnliche rührende Rede.
Bei der Wahl des ersten Vicepräsidenten wird wiedergewählt Soiron mit 322 unter 392 Stimmen. Blum hatte 30, Itzstein 27, Simon (Breslau) 4, Hermann (München) 2, Radowitz 2, Arndt 1, Andrian 1, Mittermaier 1, Umbscheiden (Baier) 1 Stimme.
Bei der Wahl des zweiten Vicepräsidenten wird an die Stelle Andrian's bei 375 Stimmenden, Hermann aus München mit 253 Stimmen gewählt. (Bravo!) Blum hatte 59, Itzstein 3, Radowitz 11, Simon (Breslau) 14, Mittermaier 1, Andrian 18, Simson 4, Pagenstecher 1, Robert Mohl 2, Umbscheiden 1, Soiron 3 und Rösler aus Oels 1 Stimme. (Rösler heißt hier der Reichs-Kanarienvogel, weil er stets ganz gelb angezogen umhergeht. Er spricht wenig und mit großer Unbedeutenheit.) Andrian, der vorige Vicepräsident, wird Gesandter des Reichs in Paris werden, und wie ich eben höre, der „edle Fürst“ Lychnowsky in Petersburg.
Nun kommt die Flaggenangelegenheit. Nach Verlesung verschiedener Amendements zu den Ausschußanträgen:
Roß (Hamburg): Deutsche Schiffe mit den drei Farben sind in verschiedenen Häfen abgewiesen worden. Deshalb meint der Ausschuß, die definitive Bestimmung einer deutschen Flagge sei von Bedeutung. Er erinnert an die Bedeutsamkeit des französischen Adlers unter Napoleon (!!) Man müsse nur eine Flagge für sämmtliche deutsche Handelsschiffe festsetzen. Deutschland ist die dritte im Rang von den Handelsflotten. Man hat sie bisher nicht genug anerkannt. (Die verkannte schöne Seele!)
Moritz Mohl ist nicht damit einverstanden (wie der Ausschuß vorschlägt), neben der allgemeinen deutschen Landesflagge noch die einzelnen Provinzialflaggen zu dulden.
Briegleb: 1) Die Feststellung eines deutschen Wahlspruchs in der Flagge sei nicht nöthig. 2) In's Wappen müsse man den Doppeladler nicht nehmen, sondern den alten einköpfigen Reichsadler. Ein 2köpfiger sei ein schlechtes Symbol der Einheit. Ebensogut könne man einen 34köpfigen nehmen. (Heiterkeit.)
(Ueberhaupt erregt der Verlauf dieser ganzen außerordentlich erheblichen Debatte allmählige heitere, gemüthliche Aufregung, die sich sehr steigert bei Herrn)
Reichensperger: (Wir freuen uns, ihn hier wiederzufinden.) Der Doppeladler muß bleiben, doch bliebe überhaupt dies Wappen provisorisch bis zur definitiven Verfassung.
(Herr Reichensperger sieht die provisorische Bedeutung dieses ganzes Firlefanzes sehr richtig ein).
Lychnowsky: Die Provinzialflaggen neben den deutschen Flaggen müssen bleiben.
Den vom Ausschuß vorgeschlagenen Wahlspruch: „Eintracht tragt ein“ will er nicht. Keinen kaufmännischen Wahlspruch auf Kanonen. Die 2 Köpfe des Adlers sollen bleiben. Es wird dem Adler recht gesund sein, wenn er nach Ost und West sieht. (Gemüthliche Freude Rechts.) Die Fänge des Adlers sollen offen bleiben, (der Ausschuß will Pfeile in die eine, und ein Schwert in die andere) damit er desto besser packen könne. (Oh wie schön! Bravo!)
Nach einem Redner, den man nicht versteht, spricht Wurm aus Hamburg. Ob einen ein- oder zweiköpfigen Adler ist ihm gleichgültig, aber eine Flagge muß sein. (Deklamatorisch:) Endlich ist der schöne Tag erschienen, wo man diese große Angelegenheit ordnen wird. (Unruhe. Schluß!!) So mögen es endlich die da draußen wissen, daß die Vertreter . . . . (lauter Ruf nach Schluß!) Ich nehme Ihre Unterbrechung als ein gutes Zeichen. (Tritt ab.)
Haßler aus Ulm für den einköpfigen Adler; (Eisenmann seufzt vom Platze: der zweiköpfige ist zweizüngig.)
Der zweiköpfige, der ja nur einen Körper habe, sei bis jetzt immer deswegen auf der alten Stelle geblieben, weil ein Kopf dahin, der andere dorthin gewollt. (Heiterkeit und Anerkennung.)
Jetzt beschließt man den Schluß der Debatte.
v. Radowitz, Berichterstatter des Ausschusses: Ein besonderer Wahlspruch sei nicht vorgeschlagen vom Ausschuß. Der zweiköpfige Adler sei vorgeschlagen, weil er seit 400 Jahren im Wappen sei. Man solle in dieser Debatte die lasterhafte Tugend der deutschen Gründlichkeit beseitigen. (Bravo.) Nachdem noch Herr Berger zu großer Heiterkeit der Versammlung den Antrag gestellt, 38 goldene Sterne in das Flaggenwappen aufzunehmen, kommt man zur Abstimmung.
1) Ob das Wappen einen Wahlspruch oder keinen haben soll? Antwort: keinen.
2) Ob der Adler einen Kopf haben soll? Nein!
3) Ob er einen Kopf nicht (große Freude über diesen feinen Witz des Präsidenten), d. h. ob er zwei Köpfe haben soll? Ja!
4) Ob der Adler (nach Briegleb's Amendement) offene Fänge haben soll? Ja!
5) Ob die Kriegsflagge aus drei gleich breiten horizontalen Streifen, oben schwarz, dann roth, dann gold, mit dem anjetzt komponirten Wappen im goldnen Felde, bestehen soll? Ja!
Im Allgemeinen wurden also wie folgt angenommen:
1) Hinsichtlich der Kriegsflagge.
a) Die deutsche Kriegsflagge besteht aus drei, gleich breiten, horizontal laufenden Streifen, oben schwarz, in der Mitte roth, unten gelb. In der linken oberen Ecke trägt sie das Reichswappen in einem viereckigen Felde, welches zwei Fünftel der Breite der Flagge zur Seite hat. Das Reichswappen zeigt in goldenem (gelben) Felde den doppelten schwarzen Adler mit abgewendeten Köpfen, ausgeschlagenen rothen Zungen und goldenen (gelben) Schnäbeln und Fängen; derselbe hat offene Krallen.
b) Jedes deutsche Kriegsschiff, welches nicht Admiralsflagge oder Commodore's Stander führt, läßt vom Top des großen Mastes einen Wimpel fliegen. Derselbe ist roth und zeigt am obern Ende den Reichsadler, wie eben beschrieben, in goldenem (gelbem) Felde.
2) Hinsichtlich der Handelsflagge.
a) Die deutsche Handelsflagge soll aus drei, gleich breiten, horizontalen schwarz, roth, gelben Streifen bestehen, wie die Kriegsflagge, jedoch mit dem Unterschied, daß sie nicht das Reichswappen trägt.
b) Diese Flagge wird von allen deutschen Handelsschiffen als Nationalflagge ohne Unterschied geführt. Besondere Farben und sonstige Abzeichen der Einzelstaaten dürfen in dieselbe nicht aufgenommen werden. Dabei soll es jedoch den Handelsschiffen freistehen, neben der allgemeinen deutschen Reichsflagge noch die besondern Landes- oder eine örtliche Flagge zu zeigen.
Weitere Bestimmungen über die Größe der Flaggen, über die Unterschiede in den von verschiedenen Oberbefehlshabern zu führenden Flaggen, so wie über Anordnung sonstiger Flaggen, z. B. beim Lootsen- und Zollwesen bleiben vorbehalten. Und somit wäre diese hochwichtige Angelegenheit ohne heiße Konflikte in inniger deutscher Gemüthlichkeit zu Ende gebracht. Man wäre jetzt essen gegangen, wenn nicht Jacobus Venedey einen wichtigen und außerordentlichen Antrag gestellt hätte.
Dieser lautet: Die Nationalversammlung wolle dem ersten deutschen Kriegsschiffkapitän, der das erste feindliche Schiff mit 20 Kanonen aufgebracht, eine Prämie von 50,000 Thlr. aussetzen, und seinen Namen dadurch verewigen, daß sie das erste deutsche Kriegsschiff nach ihm benennt.
Gagern frägt die Versammlung, ob sie diesen Antrag für dringlich erachtet, was (unter horriblem Gelächter) verneint, und somit der Antrag des Hrn. Venedey an den Ausschuß gewiesen wird. (So verkennt man eine edle Seele.)
Noch frägt Gagern, ob ein Antrag Robert Mohls: Man müsse die Gesetze der Nationalversammlung emaniren, auf legale Weise (durch ein Amtsblatt) publiziren, der provisorischen Centralgewalt zur Vollziehung empfohlen werden soll. Dies wird beschlossen und die nächste Sitzung auf morgen früh 9 Uhr „zur Fortsetzung der Berathung über die Grundrechte“ angesetzt. Schluß 2 Uhr.
Frankfurt, 1. Aug. In der heutigen 52. Sitzung der verfassungsgebenden Reichsversammlung wurde die Berathung über Art. 2. der Grundrechte eröffnet und zwar zunächst über § 6 (Aufhebung der Standesprivilegien, Gleichheit vor dem Gesetz, allgemeine Wehrpflicht u. s. w.). Hierüber sprachen bis jetzt (11/2 Uhr) die Abg. Ahrens, Moritz Mohl, Schwetschke, Kierulf, Arndt, Mareck, Hartmann, Briegleb, Rösler von Oels, Fürst Lichnowsky, Neuwall, J. Grimm, Schneider.
(Fr.J.) 40 Berlin, 31. Juli. Die Vereinbarer kamen gestern Abend müde und verdrießlich von Sanssoucie zurück; es hatte ihnen nichts gefallen auf der Spazierfahrt und bei der Kollation. War die Form der Einladung, welche mündlich durch einen Oberst an den Kammer-Präsidenten ergangen war, eine ungewöhnliche, so war es auch die Bewirthung gewesen. Am Wildparke angekommen, hatten sich die Deputirten, von denen übrigens keiner fehlte, in die Wagen gepfropft; gepfropft, denn es waren nicht genug Wagen da, und so kam es, daß viele Deputirten hinten und vorn auf dem Bock der Wägen neben den Kutschern Platz nehmen mußten. Ein königlicher Wagen war nicht vorhanden, es waren lauter Miethkutschen und Droschken, mitunter äußerst rumpelig. Diejenigen Gäste, welche am Wildpark für ihr Geld Droschken mietheten, kamen besser davon. Die Birutschen-Fahrt ging durch die königl. Gärten von Sanssouci längs dem, an historischen Erinnerungen so reichen Marmorpalais nach Glienicke, und von Glienicke, längs der Flotte und dem Marmorpalais, nach dem neuen Palais zurück in einer fortwährenden dicken Wolke von Staub, so undurchsichtlich, daß erst beim Aussteigen am Neuen Palais die Abgeordneten bemerkten, wie gräulich sie aussahen. Es war possierlich zu sehen, wie die etwa 380 Vereinbarer auf der Schloßtreppe beschäftigt waren, Einer dem Andern mit ihren vielfarbigen Taschentüchern den dicken Staub von oben bis unten abpeitschen zu helfen. Ungeheuer heiter und durstig drängten sie sich dann in den Saal, wo es an Trinkwasser fehlte. Bald erschien der König mit der Königin und nun war Cour. Kiolbassa und Weichsel, Pieper und Fränkel und sonstige Deputirte, welchen mit dem Ellenbogen ein kühner Griff gelang, hatten das Glück vom König oder von der Königin angesprochen zu werden. Es war 7 Uhr geworden, die Cour ging noch fort, aber länger hielten's die schmachtenden Vereinbarer nicht aus, ihrer viele drängten sich in die Nebengemächer, wo auf kleinen Tischen die Kollation angerichtet war, alle folgten diesem Beispiele mit einer inneren Souverainetät, jeder bediente sich allsofort selbst mit Wein und Kuchen und zum Schluß mit Champagner aus einer preußischen Fabrik, bis alles alle war. Zurück ging's wieder zu Wagen, mit Ausnahme derer, die zu Fuße gehen mußten, längs den Wasserkünsten, welche abwechselnd durch schwarz-roth-goldenes Brillantfeuer erleuchtet waren; es wurde hier den Vereinbarern auf Sanssoucie an der großen Fontaine gezeigt, wie die Farben gewechselt werden. Um 10 Uhr stiegen die Gäste wieder in die Eisenbahnwagen und fuhren gen Berlin zurück, mit Ausnahme derer, welche von Sanssoucie nicht so rasch hatten laufen können, um zu rechter Zeit auf den Perrons zu sein. Auf dem Bahnhofe zu Berlin sahen die von der Linken aus, als ob eben über den Unverantwortlichen wäre abgestimmt worden, und die von der Rechten, als ob eben der erste unverantwortliche Befehl von Frankfurt gekommen wäre. ‒ Ernst ist die Frage: welchem Beamten die dem König ganz sicher unbekannten Mängel der Unordnungen dieser Festlichkeit zur Last fallen. Es liegt darin eine von den betreffenden Beamten schwer zu verantwortende Mißachtung gegen die Vertreter der Nation, die allerdings in Sanssoucie nichts zu vereinbaren haben.
Der Staats-Anzeiger schildert obige Szene wie folgt:
Potsdam, 31. Juli. Von Seiner Majestät dem Könige eingeladen, trafen gestern Abend gegen 5 Uhr die Mitglieder der preußischen Abgeordneten-Versammlung mit einem königlichen Extrazuge hier ein, bestiegen am Wildpark die in Bereitschaft gehaltenen Equipagen und besuchten nun, geführt von dem königlichen Garten-Direktor Lenné, die schönsten Punkte der hiesigen Gärten, wonach sie um 7 Uhr in dem Grottensaal des Neuen Palais von Ihren Majestäten dem Könige und der Königin im Beisein der hier anwesenden königlichen Prinzen begrüßt wurden. Nachdem die Majestäten Sich bis gegen 81/2 Uhr mit Ihren Gästen auf das freundlichste unterhalten hatten, begaben sich diese wiederum zu Wagen durch den Garten von Sanssoucie auf die Terrasse, von wo aus sie die Beleuchtung der Fontainen in Augenschein nahmen und gegen 10 Uhr mit einem Extrazuge nach Berlin zurückkehrten.
103 Berlin, 31. Juli. Die Berliner Studentenschaft hat heute einen Aufruf an das „Volk von Berlin“ erlassen, in welchem sie unter anderem sagt: „…ein böser Geist ist trennend zwischen unsere Reihen getreten. Der Geist gemeiner Selbstsucht und verwerflicher Sonderinteressen, der Geist aristokratischer Gelüste. ‒ Eine in dem trügerischen Kleide echt patriotischer Gesinnung wandelnde Partei arbeitet Tag für Tag daran, Dir in Anschlägen wie in offener Rede den Beweis dafür zu liefern, daß Preußens glorreichen Tagen mit der Befolgung der Frankfurter Beschlüsse ein Ziel für immer gesteckt sei. Ungeachtet die aus Deiner Wahl hervorgegangenen Abgeordneten dem Reichsverweser ihre Anerkennung gezollt, ist jene Partei unablässig bemüht, im stehenden Heere, in der Landwehr, unter der ganzen Berliner Bevölkerung die feindseligste Stimmung gegen die Verordnungen der Nationalversammlung hervorzurufen.
Opfer des preußischen Staates sind nicht Opfer des Volkes. Das Volk wählt seine Abgeordneten nicht minder zu Preußens, als Deutschlands Vertretung. Opfer haben nur die Aristokraten zu bringen, die noch hoffen in Preußen der Reaktion zum Siege zu helfen, in dem deutschen Gesammtstaat aber keine Hoffnung haben.
Wir wollen hier nicht jene eben so lächerlichen wie verwerflichen Ansichten widerlegen, die man böswillig unter Euch zu verbreiten sucht, um selbstsüchtige, dem Wohle des deutschen Vaterlandes gefährliche Absichten durchzusetzen. Nur zu gern möchten sie Euch durch trügerische Gründe überzeugen, daß man Oesterreich auf Preußens Kosten stärken wolle. Sollten Eure Vertreter, sollten die Vertreter der ganzen deutschen Nation sich verbunden haben, Preußen, den starken Schirm und Hort Deutschlands, an Oesterreich zu verkaufen? Vertreter, die das Bedürfniß zusammenrief, aus der deutschen Zerfahrenheit eine mächtige Einheit zu bilden, die allen Völkern fortan Achtung gebiete. Sehet Euch wohl vor, je mehr Ihr an Einzelinteressen haftet, je mehr Ihr Eure Blicke von dem höhern Ziel abwendet, um so mehr werden jene Vorspiegelungen Eure Augen verblenden. Nur wiederholen können wir, was Euch in diesem Augenblick jeder hellsehende und wahrhafte Patriot zuruft: daß wie Deutschlands Einheit ohne Preußens Anschluß ein Unding ist, dieses für immer als Staat der Intelligenz seine Größe verscherzt hat, wenn es zu sehr trotzend auf die eigene Kraft, die schon zur Einigung gebotene Hand wortbrüchig zurückzieht, ohne Acht, daß nicht von unnatürlichen Aufopferungen, sondern von nothwendiger Hingebung an den Gesammtwillen die Rede sein kann.
.... Möge unser Zuruf Euch die Augen öffnen, daß ihr nicht Verräther an Euch selbst, das Vaterland dem blutigsten Bürgerkrieg preisgebt. Von Uns nehmt die Betheurung, daß wir unser aller Heil nur in der Vereinigung aller Stämme deutscher Nation erblicken, daß wir für diese mit der glühendsten Begeisterung, uns selbst zu opfern, nicht scheuen werden.“
Es wird erzählt, daß der Reichskriegsminister v. Peucker sich in einem hier angekommenen Privatbriefe dahin ausgesprochen habe, daß er nicht begreifen könne, wie Preußen nur einen Augenblick Anstand zu nehmen vermöge, seine Truppen dem Reichsverweser huldigen zu lassen. Es sei das Geringste, was man zum Unterpfande für die deutsche Sache von Preußen habe verlangen müssen; man habe zuerst die Absicht gehabt, einen Eid zu verlangen und begnüge sich jetzt mit einem Hurrahruf der Truppen als Zeichen der Anerkennung und Huldigung. ‒ Er fügte noch hinzu, daß er nur noch Einiges erwarte, um seine Entlassung einzureichen.
Gegen ein Mitglied der Rechten soll der König gestern geäußert haben, daß er sobald nicht nach Berlin zurückkehren werde, da man erst gestern wieder in der Residenz seine Farben beschimpft habe.
Gegen das Institut der Konstabler giebt sich eine immer größere Mißstimmung kund; vorzüglich fällt es auf, daß in der Nähe des Hippelschen Weinlokals und des Café des Artistes, den Versammlungsorten der Mitglieder der Linken und ihrer Freunde, Abends Konstabler aufgestellt sind, welche in ihrer Unverschämtheit so weit gehen, sich unter die Fenster zu stellen und zu horchen, was in den Zimmern gesprochen wird.
Ein seltsamer Rechtsfall liegt unsern Civilgerichten zur Entscheidung vor, ein Fall, in dem es sich darum handeln wird, ob ein preußisches Gericht die französische Februar-Revolution und die provisorische Regierung anzuerkennen geneigt ist oder nicht. Ein hiesiges Bankhaus ist aus dem Indossament eines in Paris zahlbaren und am 3. März fälligen Wechsels in Anspruch genommen. Bekanntlich hatte ein Dekret der provisorischen Regierung alle in der Zeit vom 22. Februar bis 15. März fällig gewesenen Wechsel um 10 Tage prolongir. Der hiesige Beklagte will jedoch diese durch eine revolutionäre Regierung ausgesprochene Prolongation als für ihn bindend nicht anerkennen und erklärt den Wechsel für präjudicirt. Ist das erkennende Gericht gleicher Meinung, was um so eher möglich sein dürfte, als die provisorische Regierung zur Zeit jenes Dekrets diesseitig noch nicht anerkannt war, so wird das Erkenntniß zu Gunsten des Verklagten ausfallen.
Berlin. Ein Gensdarm, der Sonnabend ohne die deutsche Kokarde gesehen wurde, versicherte auf Befragen eines unserer Mitarbeiter, daß diese Kokarde in Folge eines heut erlassenen und auch in der Gensdarmeriekaserne angeschlagnen Parolebefehls abgenommen worden sei. Da bekanntlich das Tragen der deutschen Kokarde neben der preußischen durch k. Befehl bei der Armee eingeführt worden und daher auch nur durch k. Befehl hätte wieder abgeschafft sein können, so erbaten wir uns bei dem Herrn Kommandanten von Berlin Auskunft, ob ein solcher Befehl erschienen sei. Man wußte nichts davon. Wir befragten darauf auch den Obersten der Gensdarmerie, ob ein Parolebefehl, wie der obenerwähnte, erlassen worden sei. Er wußte nicht davon.
(B. Z. H.) ‒ In der vom Geh. Rath Prof. Wolff geleiteten Abtheilung der hiesigen Charité hat sich gestern ein Fall der ausgebildetsten asiatischen Cholera gezeigt. Die Krankheit machte in einem kurzer Zeitraum den ganzen Verlauf durch und endete tödtlich. Die Section fand heute Morgen statt und zeigte alle Veränderungen wie sie durch die Cholera in den verschiedenen Geweben des Körpers hervorgebracht worden. Geh. Rath Wolff hat den Behörden sofort diesen Fall angezeigt.
(B. Z. H.) Posen, 24. Juli. Aus sicherer Quelle meldet die „Ostsee-Z.“: In der vergangenen Nacht ist Mieroslawski in Freiheit gesetzt worden. Um 10 Uhr Abends war ihm ein Revers vorgelegt, durch welchen er sich verpflichten sollte, die preuß. Staaten nicht eher zu betreten, bis die Regierung ihn seines Wortes entbinden würde. Er unterschrieb, und um 12 Uhr wurde er unter Begleitung eines Offiziers nach Glogau abgeschickt, von wo aus er per Eisenbahn direkt nach Paris geht. Seit gestern hat sich hier das Gerücht verbreitet und findet in allen Kreisen Glauben, daß durch Ministerialverfügung die von Pfuel gezogene Demarkationslinie aufgehoben und an ihre Stelle die von Willisen projektirte getreten sei. Der kommandirende General von Brünneck soll sogleich Befehl erhalten haben, alle Vorkehrungen zu treffen, damit die demnächst vorzunehmende Reorganisation nicht gehindert werde. Krauthofer-Krotowski ist noch der einzige polnische Gefangene von einiger Bedeutung.
Augsburg, 28. Juli. Eine Verwahrung und Bitte von Handwerksgesellen und in Fabriken beschäftigten Handwerkern gegen den in Frankfurt versammelten Gewerbe- und Handwerkerkongreß wird hier so eben zur Absendung an die Nationalversammlung vorbereitet. Im Eingang weist das von Dr. v. Kersdorf verfaßte Schriftstück darauf hin, wie der Frankfurter Gewerbekongreß in seiner Zusammensetzung durch die Wahl zünftiger Meister lediglich als Organ dieser, nicht des allgemeinen Interesses oder auch nur der besonderen Interessen aller Betheiligten des Gewerbe- und Handwerkerstandes zu erachten sey; sein Auftreten im Namen des gesammten Standes sei sonach sowohl den Gewerbsgenossen, als der Nationalversammlung gegenüber ein unberufenes. Wolle man ausschließlich diese Genossenschaft über eine neue Gewerbeordnung hören oder gar derselben eine Mitberathung gestatten, so werde daraus voraussichtlich nur der Triumph der selbstsüchtigsten Sonderinteressen einer Minderzahl, der Kaste der zünftigen Meister, hervorgehen. Dies habe der Kongreß bereits durch mehrere seiner Beschlüsse dargethan, dieß sei der Sinn vieler seinen Mitgliedern von ihren Kommittenten gegebenen Aufträge.
(A. Z.) Leipzig, 29. Juli. Uber die gestern kurz berührten Vorgänge in Gera erhalten wir heute aus Weida vom 28. Juli folgenden Bericht eines Augenzeugen: Die Regierung war gestern zu dem Entschlusse gekommen, den als Vertreter der Landschaft längst mißfällig gewordenen Landkammerrath Krause verhaften zu lassen. Reitende Boten verkündeten dies in Blitzesschnelle in allen umliegenden Ortschaften, so daß bereits gegen Mittag die Stadt von einer ziemlichen Anzahl Leute vom Lande angefüllt war. Um 2 Uhr wurde deshalb die Stadt von der Bürgerwehr geschlossen. Nach 4 Uhr wurde das Gedränge gegen die Thore so stark, daß Generalmarsch geschlagen wurde; die Bürgerwehr, Schützen und Turner traten unter die Waffen, alle Thore wurden besetzt. Um
5 Uhr trafen die ersten mit Knütteln bewaffneten Züge der Bauern an den Gittern ein. Alle Unterhandlungen, die wohl eine gute Stunde dauern mochten, wurden durch den Ungestüm und das verstärkte Herbeiströmen von Landleuten, Arbeitern etc. unmöglich gemacht. An dem Schloßgitter hatte sich der größte Haufen versammelt. Von ihm ward das Thor mit Balken eingerannt und etwa 20-30 von ihnen drängten sich durch und zogen gegen das Landhaus, wo sich schon große Haufen Tumultuanten aus Stadt und Land versammelt hatten. Das herbeigerufene Militär (etwa in Allem 60 Mann) schritt zwar ein, mußte aber bald zur Deckung der Regierung zurückgezogen werden und überließ bei einbrechender Nacht die Bewachung des offenen Gitters abermals der Bürgerwehr, während ungefähr 30 Mann des bewaffneten Turnkorps die Bauern bis an das Schauspielhaus zurück drängten. Jetzt wurde auf Befehl von der Bürgerwehr scharf geladen. Es mochte 8 Uhr sein. Die Zahl der Tumultuanten wuchs, der Anblick einiger vom Militär Blessirten erregte ihre Wuth im höchsten Grade, während die theils seit 1 Uhr in Staub und Sonnenglut stehende, der Handhabung des schweren Gewehrs zum Theil ungewohnte Bürgerschaft ermattete, an jedem kräftigen Widerstande zu zweifeln und sich in Haufen zurückzuziehen begann. Nur der Turnverein hielt trotz vielfältiger Warnungen und schlimmer Anzeigen den ihm anvertrauten äußersten Posten besetzt. Da glaubte der Kanzler v. Bretschneider dem Sturm nicht länger begegnen zu können, er verfügte (durch das Zurückziehen der Bürgerschaft nothgedrungen) die Freilassung des Verhafteten. Dieser zog nun an der Spitze des vereinigten Haufens gegen das Thor und die Aufrührermasse fiel über die Turner her. Ein Theil wurde entwaffnet und niedergeworfen, die Andern nahmen zum Schuß ihre Zuflucht. Der erste Schuß fiel beim Ringen um ein Gewehr. Hierauf mochten noch etwa 15 Schüsse von beiden Seiten fallen, wobei ein Schneidergeselle getödtet wurde. Verwundet wurden auf beiden Seiten gegen 25-30. Die Turner wurden darauf heftig bis in die Stadt verfolgt. Ein großer Theil trug Wunden oder wenigstens Steinwürfe davon. Die Bürgerwehr hatte sich aufgelöst, die Uebermacht war zu groß. Die Nacht und den Sieg benutzte die Rotte zur Demolirung der Häuser der Führer des Turnerkorps. Um 6 Uhr Morgens, als sich der Sturm etwas gelegt hatte, begann man die einzelnen Wohnungen der Turnvereinsmitglieder ausfindig zu machen und demolirte noch zehn Häuser. Den Turnern war vom Volke der Tod geschworen und es hatten diese sämmtlich die Stadt noch in der Nacht verlassen. Die Landschaft hat der Stadt ihren Schutz angeboten. Bis jetzt, den 28. Juli, ist die Ruhe nicht weiter gestört worden.
(D. A. Z. ) Prag, 27. Juli. Die Mitglieder des vom Landespräsidium aufgelösten Korps Swornost haben gegen diese Auflösung Protest beim Ministerium eingelegt.
(Pr. Z.) Prag, 28. Juli. Endlich wird wieder ‒ nach langer unkonstitutioneller Pause ‒ ein neuer Schritt in unserm konstitutionellen Leben gemacht: es wird nämlich ernstlich daran geschritten, ein Geschwornenkollegium für Preßprozesse zu kreiren. Die Geschwornen werden gewählt, die aktive und passive Wahltähtigkeit ist an dieselben Bedingungen, wie bei den Reichstagswahlen geknüpft, nur Geistliche und k. k. Beamte sind nicht wählbar, weil ihre Standespflichten mit denen eines Geschwornen kollidiren könnten. Zum Behufe der Wahl, die auf den 9. August festgesetzt ist, wird die Stadt, ganz wie bei den Reichstagswahlen, in 44 Bezirke getheilt: in jedem sollen vierzehn Geschworne gewählt werden. ‒ Auch die Reorganisirung der Nationalgarde soll nächstens vorgenommen werden; so viel wir hören, wird zur Prüfung der Zulässigkeit der einzelnen Individuen ein eigenes Unbescholtenheitskollegium niedergesetzt. Ob die Sonderkorps auch ferner ihren Bestand behalten, oder ob jeder Garde verpflichtet wird, in seinem Bezirke Dienst zu thun, ist noch fraglich. ‒ Dr. Brauner soll bereits gestern früh seiner Haft entlassen worden und noch denselben Tag nach Wien gefahren sein, um seinen Sitz im Reichstage einzunehmen.
61 Wien, 29. Juli. Die Kanaille hat gestern Abend den Versuch gemacht, in den Straßen der Hauptstadt Das zu erreichen, was ihr im Reichstag bisher noch nicht gelingen wollte. Zu diesem Ende war ihr, gegen eine Abfindung von 150,000 Gulden Münze zwar zum Rebellen erklärter, nun aber um so geliebterer Häuptling Jellachich, weil sein gegen Ungarn gerichtetes Absolutisten-Manöver in Kroatien nicht den gehofften Fortgang hatte, vor einigen Tagen hier eingetroffen. Auf das Gerücht davon eilen Kossuth und Esterhazy mit dem Palatin herbei: denn Jellachich könnte ja die üble Stimmung benutzen, welche Kossuth's Rede unter der Wiener Bevölkerung hervorgebracht hat. Der Reichstag hatte beschlossen, sich einer von dem Ausschusse beantragten, auf gestern Morgen festgesetzten großen Trauerceremonie anzuschließen, um die Revolution und alle ihre Folgen offen zu sanktioniren. Die Schwarzgelben waren außer sich vor Wuth, als sie diesen neuen revolutionären Akt erfuhren; als sie erfuhren, daß die Feier, trotz des Regens, trotz der geflissentlichen Fernhaltung des erst vor einigen Tagen mittelst gewöhnlichen Komödienspiels unter Verwünschungen wider die schlechte Presse mit dem Volke versöhnten Militärs, so imposant-domokratisch ausgefallen und Füsters Rede von 60,000 Menschen mit dem begeistertsten Jubel aufgenommen worden war. Sie lassen also schon am Nachmittag in der Stadt verbreiten, am Abend würden die Slaven dem Ban Jellachich einen Fackelzug bringen und man hoffe dabei auf eine Katzenmusik der Ungarn, wider welche die Demonstration angeblich gerichtet sei. Vor dem Gasthofe Jellachich's in der Kärntnerstraße sammelte sich Abends eine große Menschenmenge, die nach allen Seiten hin von contrerevolutionären Agenten bearbeitet wurde und zum Theil auch aus Contrerevolutionären bestand. Man hörte namentlich auf den Ausschuß schimpfen, der dadurch, daß er die Feier am Morgen veranlaßt, auch diesen Fackelzug hervorgerufen habe. Man erinnere sich nun der sogenannten Verbrüderung des Militärs mit dem Volk, des Handstreichs von Pannasch, wodurch die Nationalgarde und Legion ein Polizeikorps werden sollten; es hieß nun, Pannasch habe seine Entlassung als Ober-Kommandant genommen, weil Garde und Legion nur als solche, nicht aber als Polizeikorps an der Feier des Morgens Theil zu nehmen erklärt hatten. Hauptmann Schmidtbery hatte beim Vorbeigang des Reichstages an der Burgwache seine Soldaten keine Honneurs machen lassen; Alles das zusammen, machte es klar, daß eine (neue Auflage des 26. Mai beabsichtigt war. Auf einmal rückte ein unabsehbarer Zug heran, der aus lauter Soldaten besteht. Ein ungeheures kroatisches Geheul erfüllt bald die Lüfte, bis Jellachich erscheint und zu besprechen beginnt. Deutschland soll leben, meint er mit hohnlächelnder Miene, aber ängstlich-zitternder Stimme, doch müsse Oesterreich vor Allem bestehen bleiben und als Mehrheit der Bevölkerung, seien besonders die Slaven berufen, den Kaiserstaat und den Kaiser nicht sinken zu lassen. Neues, entsetzliches Geheul und dann kroatische Lieder mit der Hymne: „Gott erhalte u. s. w.“; da ruft während einer Pause mit gewaltiger Stimme ein Student: Deutschland soll leben! Sogleich stürzen in der Mitte der Soldaten befindliche Offiziere auf ihn ein, während andere befehlen, die Fackeln zu löschen und „Nieder mit Deutschland“ rufen! Aber nun ertönt aus allen Seitenstraßen der Ruf: „Es lebe Deutschland!“ Massen von jungen Männern dringen in die Kärntnerstraße und unter das Militär, deutsche Nationallieder müssen gespielt werden und der Ruf: Es lebe Deutschland! will kein Ende nehmen. Das Militär, meistens Böhmen, Kroaten, Gränzer, Polen, Italiener, verstummen. Die Offiziere haben sich mittlerweile größtentheils aus dem Staube gemacht, aber nun soll die Katzenmusik mit Zischen und Pfeifen ihren Anfang nehmen. Ein chaotisches Toben erhebt sich unter Jellachich's Fenstern, bis wohin aber endlich die Deutschen mit ihrem Es lebe Deutschland! und die Magyaren mit einem Elzenrufe auf Deutschland gedrungen waren, und so muß auch die Katzenmusik vor den patriotischen Rufen verstummen. Das Metternichische Kabinetsstückchen der Völker-Aneinanderhetzung ist auch diesmal gänzlich mißlungen. Bei dem Erscheinen des Militärs, bei dem ersten Vivatgebrüll, beim Anblick der wilden, kroatischen Phisiognomien mußte man sich von der ärgsten Besorgniß ergriffen fühlen, wenn man die drohende Gefahr eines Zusammenstoßes so vieler in Sprache, Sitte und Sympathien einander fremder Völker erwog. Jellachich hat in Wien den Sieg über Deutsche und Ungarn feiern wollen, den er mit seinen Truppen von Kroatiern niemals erfechten wird; aber der Streich mißlang.
Die Schwarzgelben haben sich im Militär getäuscht. Der Soldat fühlt sich zu behaglich in seiner gegenwärtigen freien Bewegung, um über diejenigen herzufallen, die ihm diesen Zustand erobert haben. Im ersten Augenblicke beim Zeichen ihrer Offiziere unentschlossen, verzichtete das Militär bald auf allen Widerstand gegen den Volkssturm und die unter dem Bandenführer Jellachich beabsichtigte Metzelei scheiterte noch vor dem Entstehen. Wahrlich, ich muß Oesterreich darüber glücklich schätzen, daß es keine preußischen Soldaten hat.
Die vollständigste Ohnmacht der Kamarilla wird die Folge des gestrigen Attentats sein, die Nationen werden erkennen, wer ihr wahrer Feind ist. ‒ Mehre Bürger aus der Vorstadt Landstraße erzählten mir heute, sie hätten im Anfang des Fackelzugs, wie zum Zeichen, einen Kanonenschuß gehört: ob aber noch Militär in der Nähe Wiens liegt, weiß ich nicht.
Wenn die Ober-Post-Amts-Zeitung vom 25. Juli behauptet, der Reichsverweser und seine Frau, die Baronin Brandhof, wohnten in den Gemächern des Schlosses von Schönbrunn oder in der Burg, so ist dies eine Unwahrheit. Der Reichsverweser bewohnt, nur einen vom Schlosse ganz getrennten armseligen Bau, welcher bei der Anwesenheit des Hofs zur Unterbringung des Hofpersonals verwendet wird. Das Gericht geht, die von den gegenwärtigen Ministern nach Innspruck gesendeten Depeschen seien unangenommen wieder hier eingetroffen. Die Kamarilla will von dem Ministerium, dem Reichstag und den Wienern nichts wissen, aber sie irrt sich gewaltig, wenn sie einen Jellachich für geeignet hält, unter uns, zum zweiten Windisch-Grätz, zu werden.
Aus dem Limburgischen, 31. Juli. Die Holländer haben ihre Drohungen wahr gemacht. Gestern rückte ein Detaschement Truppen in Heerlen ein und verlangte, daß alle deutsche Fahnen abgerissen würden. Wo es nicht gesah, thaten sie es selber. Die Kirche wurde gewaltsam geöffnet, um vom Thurme die Fahne herabzuholen. An einzelnen Konflikten hat es nicht gefehlt. Wie in Heerlen, wird es im ganzen Lande ergangen sein. Die Erbitterung ist allgemein.
(Aach. Z.)