D as Ende des 18ten Jahrhunderts liefert der Geſchichte ſo vielen Stof von
Merkwürdigkeiten , daß unſre Nachkommen ſich einſt wundern werden ,
wie ſo viele Begebenheiten , ſo wohl in moraliſchen als auch in phiſikali-
ſchen Verſtande , faſt zu einer Zeit ſich habe zugetragen können . Wir können frey ſa-
gen : alles in Bewegung . Die Menſchen ſind mit dem , was ſie ruhig be-
ſitzen , nicht mehr zu frieden , ſie verlangen weit mehr ; und in dieſer Abſicht iſt
der Geiſt der Unruhe bey ihnen rege geworden ; aber auch die Natur ſcheint in
Bewe-
Bewegung zu ſeyn , und ſie ſtellt uns Bilder dar , die der Betrachtung der größ-
ten Gelehrten würdig ſind .
Freilig liefert die Geſchichte ähnliche Vorfälle , und das , was wir mit
Verwunderung geſehen haben , hat ſich ebenfalls ſchon zugetragen , und wir wollen
nur einen kleinen Auszug aus der Geſchichte herſetzen ; ſo werden die reſpect . Leſer
leicht ſelber einſehen , daß nichts geſchieht , was dereinſt nicht ſchon geſchehen wäre .
Jm Jahr 1346 . entſtund in Aſien , in dem heutigen Kaiſerthum China , auf
einmal eine auſſerordenliche Dürre , die Einwohner wußten ſich faſt vor Waſſer-
mangel nicht mehr zu helfen , als plötzlich ein ungewöhnlicher Regen mit einem
ſtarken Winde entſtund . Jezt freute ſich das ganze Land , denn alle Einwohner
dachten , die Noth ſey vorüber ; aber ſie hatten ſehr geirret : denn ſo bald ſie auf
die Straſen kamen , ſo wurden ſie eine große Menge kleiner Schlangen u. eine Art
ihnen ganz unbekannter Würmer gewahr . Die Dürre ſtellte ſich aufs neue ein , und
ſo entſtund , als die Menge von Slangen und Würmern ferfaulte , ein ungewöhn-
licher Geſtank , und die Folgen davon waren die Peſt , die viel Tauſend Menſchen
hinweg rafte . Eben ſo leſen wir in der Ungariſchen Geſchichte , daß im Jahr 1672
als das Kriegsfeuer in den Niederlanden in vollen Flammen ſtund , ein ſolcher
Wurmschnee ganz Ungarn und Deutſchland in die größte Verwunderung geſetzt hat .
Es fing nämlich am 20. Nov. des erwähnten Jahres ſehr ſtark in der Gegend und
bey der Stadt Neuſohl an zu ſchneien , und da ſich das Wetter wieder verzogen hatte :
ſo ſahe man neben dem Silberthor auf einer großen Aue auf zehnerlei Arten ganz
ungewöhnlicher Würmer auf den Schnee kriechen . Die Kälte war eben damals
ſo ſehr ſtark , und doch krochen dieſe Würmer ganzer vier Tage auf den Schnee
herum , ohne daß man hätte ſehen können , daß ihnen die Kälte etwas geſchadet
hätte .
Auch damals gabs Leute , die die Natur beobachteten ; ſie ſammelten dahero
von jeder Art welche ein , zeichneten dieſelben mit aller Sorgfalt ab und hinterlie-
ßen ihren Nachkommen die Zeichnung und Geſchichte dieſer Würmer zum Anden-
ken . Die meiſten von dieſen Würmern waren ſchwarz , hatte 6 , 8 bis 10 Füſſe ,
gelbe Bäuche und Einſchnitte gleich den Raupen ; doch waren auch röthliche da-
runter . Einige hatte Füſſe wie die Spinnen , aber beynahe die Geſtalt der Krö-
ten . Unter dieſen Würmern herrſchte ein Art von Krieg , die ſchwarzen die doch
weit kleiner waren als die röthlichen , ſpielten den Meiſter über die röthlichen , ſie
fielen dieſelben mit Wuth an , überwältigten ſie und fraſſen ſie fast anf auf . Das Merk-
würdigſte bey dieſen Würmern war , daß keiner in die Stadt Neuſohl gefallen , da
es
es doch ebenfalls ſtark da ſchneiete , ſondern man ſahe ſie blos vor den Silberthor
auf der ſchon ober erwähnten Aue . — Doch die neuere Geſchichte liefert uns noch
weit merkwürdigere Erſcheinungen von ſolchen Ungeziefer , und wer ſollte wohl ſo
unwiſend ſeynd , und nicht von den groſſen Schaden gehört haben , den die Waldrau-
pen faſt in ganz Europa verurſachet haben ?
Jn den heutigen Rußland am Don hat man ſeit 50 Jahren dieſe ſchädliche
Raupenart zuerſt gewahr wurden ; von da aus haben ſie ſich von Land zu Land ſo
ſtark verbreitet , daß auch wir das Uebel empfinden das dieſe Raupen an unſern
Wäldern verbreiten . Große Gelehrte haben merkwürdige Endeckung in der
Naturlehre gemacht ; aber immer iſt man noch nicht recht auf die Spur gekom-
men , wie man dieſe ſchädliche Raupenart vertilgen ſoll ; und auch hier wäre zu
wünſchen , daß jeder Waldbeſitzer ſich Mühe gäbe ein Mittel auszufinden um den
Feind ſeines Waldes den letzten Stoß zu geben : denn ſollte dieſes Ungeziefer noch
weiter überhand nehmen ; ſo wird man ſchwerlich vermögend ſeyn , den Schaden
zu berechnen , den jeder Erdeinwohner , wegen Holzmangel noch empfinden wird . —
Doch unſere Leſer nicht länger mit alten Nachrichten von Raupen- u. Wurmſchneien
aufzuhalten , wollen wir ihnen blos noch erzählen , was ſich am 24ſten Nov. 1798
nahe bey Schneeberg zugetragen hat .
Es hatte nämlich ſchon einige Tage zuvor geſchneiet und das Wetter war
ſehr unangenehm geweſen ; als ſich der Himmel wiederum aushellte und man frei
ſich umſehn konnte , ſahe man auf der Griesbächer Höhe , nahe bey Schneeberg zu-
erſt eine große Menge Raupen auf den Schnee krichen . Der Wurm kricht hier
auf ſeinen Füſſen , liegt aber zugleich mit auf ſeinen Rücken . Die zweyte Gattung
zeigt eine kleinere an , die der erſten faſt ganz ähnlich war , und dieſe Gattung lag
ebenfalls auf den Schnee bey der ſogenannten Bartholomäus Schenke nahe bei
Neuſtädtel . Die dritte war der kleinſte Wurm und ganz ſchwarz , und dieſer lag
faſt ähnlich , dieſen fand man bey Albernau . — Alle 4 Gattungen von dieſen Wür-
mern krochen auf den Schnee , und ob es gleich damals ſtark gefroren hatte , ſo
konnte man doch nicht gewahr werden , daß die Kälte ihnen etwas hätte geſchadet .
Die Würmer müſſen alſo von einer ganz andern Beſchaffenheit ſeyn , als die ge-
wöhnlichen Raupen : denn wir wiſſen zur Gnüge , daß die Raupenart die Kälte
ganz und gar nicht vertragen kann , und daß nichts ſo geſchwind die Raupe tödte ,
als die Kälte ; woher aber dieſes Ungeziefer gekommen , und wie es entſtanden iſt ,
laſſen wir jetzt den vernünftigen Leſer ſelbſt zur Beurtheilung übrig . Vielleicht
hat ein großer Sturmind Sturmwind dieſes Ungeziefer an einen fremden Ort aufgehoben und
zu uns gebracht ; vielleicht aber hat auch dieſes Ungeziefer ſeine Wohnung in der
Näh
Nähe , ihre Anzahl hat ſich über die maßen vermehret , und ſo haben wir ſie müſ-
ſen gewahr werden . Doch es ſey wie es wolle , ſo bleibt es allemal eine merk-
würdige Naturbegebenheit .
Aus Holland . Ein armer Schuhmacher lebte zu Amſterdam mit ſeiner
Frau und ſeinen 4 unerzogenen Kindern in der größten Dürftigkeit , und ob er gleich
bey der ganzen Nachbarſchaft als ein fleißiger und rechtſchaffener Mann bekannt
war ; ſo konnte er doch bey aller Anſtrengung nicht ſo viel verdienen , um den Hun-
ger zu ſtillen , und ſich vor der großen Kälte zu ſchützen . Einem ſeiner Nachba-
ren kam es bedenklich vor , daß man ſeit einigen Tagen weder ihn noch von den ſei-
nigen etwas gewahr wurde , er gieng alſo gerade zu ihm um ſich zu erkundigen , wo
er geſteckt , daß man nichts von ihm geſehen hätte . Aber wie erſchrack der gute
Mann als er die Stube öffnete ; gleich vor der Stubenthüre lag der Schuhma-
cher todt , nicht weit von ihm ſeine Frau , die die 2 kleinſten Kinder in ihre Arme
gedruckt hielt ; auf der alten Werkſtätte der größte 14 jährige Knabe , und hinter
den Ofen ein Mädchen von 10 Jahren . Gleich lief der Mann zur Obrigkeit um
dieſes grauſame Schauſpiel anzuzeigen . Ein Paar obrigkeitliche Perſonen nebſt ei-
nen geſchickten Arzt ſchickte man ſogleich um die Sache zu unterſuchen ; aber man
fand , daß alle 6 Perſonen völlig erfroren waren , und daß alſo Hunger und Käl-
te ihnen allen das Leben geraubt hatten .
Jetzt ſag erſt die Regierung zu Amſterdam ein , wie nothwendig es ſey , beſſer
vor die Armen zu ſorgen . Dieſe ganze erfrorne Familie wurde ehrlich zur Erde be-
ſtattet ; aber um mehrere ſolche Unglücksfällen vorzubeugen , wurde eine Kollecte
von 26,000 fl. geſammelt , die in ZUkunft zum Wohl der Armen verwendet wer-
den ſollen .