Herrn Moritz Carrière in München.
Mein lieber Carriere.
Obgleich seit der Unterbrechung unserer früheren Verbin-
dung geraume Zeit verstrichen, so hoffe ich doch, es wird Dir will-
kom̃en sein, von mir aus der Ferne mit einem freundlichen
Gruß wieder einmal ein Lebenszeichen zu erhalten, wie ich
es Dir, einem iñeren Drange gehorchend, in dem beifolgen-
den „Program̃ eines neuen deutschen Wörterbuches“Sanders, Daniel: Programm eines neuen Wörterbuches der deutschen Sprache. Leipzig 1854.[ Online verfügbar: GoogleBooks, abgerufen am 08.12.2017.](https://books.google.de/books?id=wpVEAAAAcAAJ) gebe. –
Weñ Du es näher ansiehst, wirst du finden, daß ich darin wie
in früheren Brochüren gegen zwei berühmte Namen in die Schran-
ken getreten; doch wird Dich, wie ich Dich von früher kenne, des
Namens Glanz gegen die Fehler p.pp. der Grim̃s nicht verblen-
den köñen und gerade deshalb bin ich auf dein Urtheil
über mein Program̃ um so gespannter. Durch eine einge-
hendere Besprechung würdest Du mich ungemein ver-
pflichten. –
Von Dir habe ich indirekt oft gehört, doch würde mir
eine direkte Mitheilung überaus erfreulich sein. Was ich
über mich mitzutheilen habe, lässt sich in wenig Worten zusam̃en-
drängen: Augenblicklich privatisiere ich hier in Strelitz,
nachdem die Schule, deren Direktor ich gewesen, „ein-
gegangen worden“ ist; vielleicht kom̃e ich aber später mehr
in Deine Nähe, weñ ich dem an mich ergangenen Ruf, die
Direktorstelle an der jüdischen Realschule in Frankfurt
a/M. zu übernehmen Folge leiste, worüber ich mich noch
nicht entschieden. Im Ganzen bin ich mit meiner Lage zufrie-
den. –
An Oppenheim schreibe ich in den nächsten Tagen durch Vermit-
telung seines VatersSimon Daniel Oppenheim (1766-1860); es wird Dich freuen, von mir zu hören, daß
nach den letzten Nachrichten, die ich durch seinen Vater von ihm gehabt,
es ihm ziemlich gut geht.
Und nun lebe wohl und gedenke in alter Liebe
Deines
Dan. Sanders
Strelitz. 29.9.54.