Die
Vnveränderliche Tugend
Des weyland
Durchlauchtigsten Fürsten und Herren/
HERREN
Anthon Ulrichs/
Hertzoges zu Braunschweig und
Lüneburg/ Welche auch
im
Tode wieß/
daß sie
Immer einerley
sey/
Wurde
zur Verehrung
Des erblaßten
Leichnams
Seines ehemahls Gnädigsten Herren
mit unterthänigster Danckbahrkeit
und
tieffster Verwunderung
vorgestellet
von
Gottlieb Samuel Treuer /
auf der
Julius-Universität
Prof. Polit. & Moral.
Helmstädt/
Gedruckt bey Georg Wolfgang Hamm / Univers. Buchdr.
WIe gerne entzöhe sich meine Feder bey der Hochfürstlichen Leiche des weyland
Durchlauchtigsten Fürsten und Herren / Herren Anthon Ulrichs / Hertzoges zu
Braunschweig und Lüneburg / Meines ehemahls gnädigsten Herren / die
unterthänigste Verehrung / so ich diesen Grossen Fürsten auch nach seinen
tödtlichen Hintritt schuldig bin / bey einer so allgemeinen Betrübniß öffentlich
an den Tag zu legen / wenn nicht das in meiner Seelen so fest eingeprägte
Gedächtniß seiner hohen Wolthaten mich beständig erinnerte / es lasse sich ohne
eine straffbahre Undanckbahrkeit zu begehen / ohnmöglich schweigen. Es wäre
unbillig / die erblaßte Hand nicht in tieffster Demuht zu küssen / die der
Höchste im Himmel vor kurtzen gebraucht / mir seine Gnade zu ertheilen. Es wäre
unbillig / daß / da meiner Pflicht vergönnt gewesen / die Hoheit seiner
unsterblichen Tugenden in seinen glorwürdigsten Leben zu unterschiedenen malen
öffentlich vorzustellen / sie deren Bewunderung im Tode unterlassen wollte. Aber
das ist es / was ihr am schweresten fält. Sie war gewohnt / die Tugend dieses
Herren in vollem Glantze zu sehen / sie belustigte sich an denen heitren
Strahlen dieser Sonne, und war niemahls vergnügter als wenn sie von der
Schönheit ihres durch gantz Europam brechenden Lichts schreiben sollte: aber da
die entsetzliche Macht des Todes alles verdunckelt, und eine düstre Finsterniß
uns den Glantz unsrer Sonne benimmet / so fängt Hand und Feder an zu zittern und
mein erschrockener Geist siehet mit schmertzhaffter Empfindung / daß dasjenige
kommen / woran man bißhero nicht ohne erschütterung gedencken können.
Wir stelleten uns zwar das hohe Alter unsres Durchlauchtigsten Landes-Vaters vor
/ aber weil es für uns eine Güldene Zeit ausmachte / so waren unsre Gedancken
selten darauf gerichtet / daß es ein Vorläuffer des herannahenden Todes zu seyn
pflege. Die Süßigkeit der Regierung / so wir empfunden / ließ uns wenig daran
gedencken / daß das Haupt deßelben sterblichsey / und wir erinnerten uns deßen
nicht eher / als wenn die Hand des Todes durch eine plötzliche Ohnmacht an die
Seulen unsres Regiment-Himmelsschlug / daß die darauf liegende Last erbeben
muste. Wir erwachten gleichsahm alsdenn / als aus einem süßen Schlaffe / wir
fiengen an die Macht der Sterblichkeit zu erwegen / die ihr strenges Gesetze
auch über die gesalbten Häüpter erstrecket, und erschütterten / wenn wir das
gesteckte Ziel
des
Menschlichen Lebens von unsern höchstgeliebten Landes-Vater bereits erreichet
sahen. Alsdann waren die bestürtzten Gedancken nur mit unsrem Hertzog
beschäfftiget / wir dachten weder an das Vergangene noch Zukünfftige / sondern
der damahlige Zustand / darinnen wir uns befunden / hatte so viel Glantz / so
viel fruchtbahre Strahlen / so ein erquickendes Licht mit sich / daß er unsre
Augen auf nichts anders fallen ließ.
Audere Länder seufzeten unter tausend thränen ihrer verarmten Eiuwohner nach dem
Frieden / weil der Krieg / wie ein Wetter über sie gezogen / das sich nicht
zertheilen will / ihre Felder verwüstet / und sie selbst zu jammer vollen Zeugen
gemacht / daß auch die mächtigsten Reiche durch seine verheerende Flammen können
zu Grunde gerichtet und zerstöret werden. Wir aber saßen in Friede durch die
Gnade deßen / der dem stürmenden Himmel befiehlet und dem wütenden Meere mit
Nachdruck sagen kan daß es nicht toben soll und seine mächtige Hand Gebrauchet
sich der Weißheit unsres Fürsten / uns in Ruhe zu erhalten. Andre Länder hatten
Friede / welcher das beste Marck ihrer Gebeine verzehrete: aber es war ein
allzuheisser Strahl der Sonnen / welcher der lechzenden Erde keinen Safft
überließ. Hingegen die Hand unsres Hertzoges war eine Hand des Seegens und seine
Regierung dem Schoos der Erden gleich / welcher wenig körner einnimmt / aber
hundertfältig wiedergiebt. Andere Länder wünscheten die entfernung des
schleichenden Todes / der in ihren Gräntzen wütete, und da er unerbittlich ist /
uahmen sie zu der erbarmung des Höchsten ihre ängstliche zuflucht. Allein wir
empfunden nichts von diesem Elend als einen Schauer / wenn wir es von weiten
betrachteten und solches Glück hatten wir der Vorsorge unsres Landes-Herren zn
dancken. Doch ich irre! Gott / Gott hats durch ihn gethan! Habe danck / gütiger
Himmel / für deiner uns zu geworffenen Gnade / Krafft welcher du die Mittel
gesegnet / die dein Statthalter in unsren Landen zu Abhaltung deiner
schrecklichen Straffen auf deinen Winck verordnet hat.
Also waren wir allenthalben sicher / da weder die Grausamkeit des Krieges noch
die Schrecknisse des Todes uns überfallen hatten, und wir betrachteten mit einer
freudigen Verwunderung die Seegen des Himmels und die Tugend und Weißheit unsers
Durchlauchtigsten Hertzoges. Irreten die Gymnosophisten / wenn sie in einer
beständigen Anschauung der Sonnen eine grosse Weißheit setzten / so funden wir
doch / daß wir uns nicht wenig erbaueten / wenn wir diese unsre Sonne allemal
vor Augen hatten. Auch die Tugend derer Fürsten ist uns zur Nachahmung
vorgestellet / und ob wir gleich nicht fähig seyn / sie zu erlangen / so
erfordert doch die Pflicht eines Sterblichen eine rechtschaffene Begierde zu
derselben in der Seelen zu erwecken. Auch der Glantz der Kronen kan in geringern
Metall einen Wiederschein geben, und von der Pracht des Purpurs entlehnet offt
ein geringes Tuch den Schein einer so hohen Farbe. Was war es Wunder / wenn wir
uns bemüheten / solchem Glantz in unserm theuresten Hertzog manchmal nahe zu
kommen / um von ihm erleuchtet zu seyn / und ob wir gleich die Schwachheit
unsrer Kräffte empfunden / etwas demselben ähnliches in unsren Wercken
anszudrücken / so waren wir doch nicht wenig glücklich / daß wir ein so grosses
Muster vor uns sahen.
Niemand vermuhte hier eine vollkommene Beschreibung davon: es haben schon viele
Federn solches zu thun vorgenommen / aber auch allemahl die Ohnmüglichkeit ihres
Vorhabens gespüret und hundert andere / werden
etwas so grosses noch zu
vollbringen suchen / aber sie werden auch empfinden / daß man die Götter der
Erden zwar zu erkennen / aber nicht vollkommen zu beschreiben wisse. Der
gemeineste Fehler / so auch die beredtesten Redner hiebey zu überfallen pfleget
/ ist die confusion ihrer Gedancken / welche so viel auf einmal nicht fassen
können / und indem sie nur den erleuchteten Verstand unsres Fürsten mit allen
seinen Eigenschafften vorstellen wollen / so leuchtet bald dessen Gnade / bald
seine kluge Regierung / bald ein anderer Glantz so starck herfür; daß sie von
jenem abgerissen werden, und voller Verwunderung / bald dis bald jenes erwegen /
biß sie endlich begreiffen / daß die zerstreueten Sinne des Gemühts sich in so
viele Wunder nicht finden können.
Man darff hier nicht in die alten Zeiten gehen und einigen Glantz von dem Ruhme
seiner glorwürdigsten Vorfahren entlehnen. Wenn sein Leben nicht so helle
gewesen / seine Thaten weniger Glantz gehabt und sein Ruhm nicht der Sonnen so
nahe gestanden / so möchte endlich das graue Alterthum allhier einigen Platz
finden, und man könte unter denen Vorspielen seines Ruhmes erzehlen / daß er aus
einem Durchl. Hause entsprossen / welches Kayser und Könige der Welt gegeben /
und seine Zweige über die höchsten Thronen in Europa ausgebreitet. So aber giebt
seine Tugend allein denen geübtesten Zungen genung zu reden / deren jegliche
etwas besonders rühmen / verehren / bewundern wird und dennoch dürfften sie alle
vieles unberühret lassen. Seine Regierung allein war ein Himmel voller Sternen /
davon ein jeder grösser war / als er unsren Augen schiene.
Es hört gewiß eine grosse Klugheit dazu / Land und Leute wieder die erregten
Feinde zu schützen und es muß ein Arm eines Helden seyn / der bey solcher
Gelegenheit den gereitzten Degen zücken und glücklich führen soll: aber es ist
noch was grössers / Land und Leute so zu regieren / daß man nicht Uhrsach hat /
den selben zu entblößen und die geschärffte Spitze wie der den verwegnen Feind
zu wenden. Zu der ruhigen Beherrschung Israels gehöret die Weißheit eines
Salomonis, die ihres gleichen nicht hatte, und die Heyden entziehen dem Him̃el ihre Götter / und setzensie auf die Thronen der Erden / weñ sie die Uhrheber ihrer güldnen Zeit angeben wollen. Unser
gnädigster Herr erhielt unsre Wohnungen sicher und ließ uns einer stoltzen Ruh
geniessen Krafft seiner Weißheit / so ihm der Himmel verliehen hatte. Diese
hatte eben solche Würckung / als die Tapfferkeit: Sie schreckte unsre Feinde /
wie der Schild Minervae und verursachte bey denen / die uns hätten beleidigen
können / daß sie aus Ehrfurcht vor unsren Fürsten ihres Vorsatzes vergaßen. Es
schiene / als ob nicht sowol unser Land Ihm / als Er unsrem Lande gehörte / so
große Sorge trug ER vor dem Wolstand seiner Unterthanen, und es war IHM eben so
viel / als jenem Kayser, daran gelegen / daß niemand traurig von seinen Augen
weggehen möchte. Thränen konte ER nicht leyden / vielweniger dieselben nur von
weiten sehen / daß sein Hertz nicht zugleich gebeuget wurde, und ER war wie die
Sonne die ihren Glantz vor uns verbirget / wenn die Wolcken gleichsam zu weinen
anfangen.
Seine Gnade war unvergleichlich und es ist schwer zu sagen / ob in seinem Antlitz
/ welches der gemeine Verrähter des Hertzens ist / mehr die Fürstliche Hoheit
oder die Fürstliche Hulde herfürbrach / so sehr waren sie mit einander
verbunden. Es war niemand von dem Gipffel seines hohen Standes so tieff
entfernet / den ER nicht / wenn ers suchte / vor sein Antlitz kommen laßen / und
ob ER gleich mit allen / die solche Gnade hatten /
so huldreich von ihrem
Zustand redete / als wenn er IHN besonders angienge / so bebte man doch / weil
der Glantz der Hoheit sich allemahl dabey sehen ließe. Also entstund
gemeiniglich eine neue Gemühts-Regung in uns / die aus Furcht und Liebe zusammen
gesetzet war, und man verließ niemahls seine geheyligte Persohn / daß nicht
unser Hertz zu seinen Füßen zurückblieb / weil man nicht so wol mit seinem Glück
und Stande / wie die Römer ehemahls bey dem Galba, als mit seiner Persohn
gesprochen hatte. Nichts gieng IHM schwerer ein / als lange ungnädig zu seyn /
nichts hielt härter / als wenn ER straffen solte, uud wie langsahm und
unentschloßen war die gnädige Hand / ein Todes-Urtheil zu unterschreiben. Es
stritte so zu reden in seinem Geiste die Gerechtigkeit mit der Erbarmung: Jene
verlangte Blut, und diese rieht ein gütiges verschonen / weil auch das
verächtlichste Menschen-Blut etwas kostbahres sey: biß endlich die Weißheit
gemeiniglich dazu tratt und einen so ruhmwürdigen Streit durch ihren Ausspruch
schlichtete. Daher manchmal die Gerechtigkeit ihr vom Himmel erlangtes Schwerdt
zu brauchen bekam / von welchem es billig wie von dem Schwerdt Goliaths heist:
Es ist seines gleichen nicht. Offt aber vergab die Gnade das untersuchte
Verbrechen, und war meistentheils zu frieden / wenn solches mit einer
ernstlichen Reue gebüßet und verfluchet wurde.
Seine Belohnungen hingegen und die Menge seiner Wolthaten theilete nicht allein
die Gnade / sondern mit ihr die Klugheit aus. Diese geben der Klugheit des
Fürsten wie die Augen dem Menschlichen Gesichte eine besondere Schönheit / wenn
sie am rechten Orte und Stelle stehen, und haben die Art unterschiedener
Gewächse an sich / die zu gewißen Zeiten müßen gesäet werden. Die Hand unsres
Hertzoges füllete sich also mit Seegen und ihre Führung war so beschaffen / daß
man sehen konnte / es habe die Göttliche Vorsorge durch sie gewürcket. Viele
überschüttete sie mit Gütern / weil ihr die Verdienste bekant waren / so dadurch
solten belohnet werden, oder sie suchte dadurch die Tugend aufzufrischen / von
der sie viele Verdienste zu gewarten hatte. Die Mildthätigkeit unsres Fürsten
war dem Himmel ähnlich / welcher seinen Seegens-Thau nicht allein auf die Felder
fallen lässet / die bereits Früchte tragen / sondern auch der jenigen Erden
mittheilet / welche seiner von nöhten hat / die ausgesäete Frucht noch herfür
zubringen. Seine gröste Lust schiene ER darinnen zu setzen / daß ER andern wol
thun konnte, und seine Glückseeligkeit / daß ER sich durch seine freygebige
Tugend ein festeres Gedächtniß / als Marmor gestifftet. Er erwartete keine
Belohnung: Denn seine Wolthaten überstiegen die Kräffte derer / so sie empfangen
/ sondern ER meinte genugsahm belohnt zu seyn durch das ungemeine Vergnügen
andern wol zu thun.
Was ER vornahm / wurde reifflich zuvor erwogen: Denn seine Thaten solten ewig
dauern. Manche Nacht wurde mit Gedancken zugebracht / damit ein ruhiger Tag
darauf folgen möchte, und in seinem Cabin et der Grund gelegt / worauf man in
entferneten Reichen bauen solte. ER wachte gemeiniglich schon / wenn das gantze
Land noch schlieffe und alsdeñ waren seine Gedancken
meistentheils auf die glückseelige Ruhe des Landes gerichtet. ER schob selbst
seine Schultern unter die Last des Himmels / die ER tragen solte, und hatte
keines Mazarinischen Rahts von nöhten / nicht durch anderer Leute Augen zu sehen
/ weil ER sich der Klarheit seiner Augen in allen Geschäfften von selbst
bediente. ER war nicht ein blosser Beysitzer seiner Rähte / deren Trefflichkeit
man zur Gnüge erkennet / weil Sie von ihm erwehlet waren / sondern ER regierete
die von ihnen gegebenen
Anschläge und wie ER vergnügt war / daß ER dergleichen Persohnen in Ihnen
gefunden / welche seinen gemachten Schluß durch ihre Klugheit offters zuvor
errahten konten / so schätzten sie sich nicht wenig glücklich / daß sie einen
Herren hatten / der die Redlichkeit und das wahre Wesen ihrer ertheilten
Rahtschläge so tieff einzusehen wuste. Daher kam in unsrem Lande die Erhaltung
so heilsahmer Gesetze / so trefflicher Ordnungen in der Kirche und Policey, und
es war kein Wunder / daß unsre Ruhe so fest stunde / da sie auf so starcken
Pfeilern gesetzet war.
Der durchdringende Verstand unsres Landes-Vaters erkennete schon von weiten /
wenn uns ein Unglückdrohete und manchmahl war die Gefahr anderweit kaum
beschloßen / so war ihr bey seinem Hertzogthum schon ein Riegel geschoben. Denn
ER sahe so wol in die vergangenen / als zukünfftigen Zeiten / ER drang sowol in
die verstellten Geschäffte vieler Höffe / als in die verborgene Winckel vieler
Hertzen, und die Kräffte derer menschlichen Gemühter wuste ER in jedem zu
beurtheilen / so wol wie solche an sich selbst waren / als wie weit sie der
Republic dienten. Seinem hohen Geiste war nichts zu hoch und dessen Krafft von
solchem Nachdruck / daß ER vieles zugleich gedencken / reden und verrichten
konnte. Die Erkenntniß in denen Wissenschafften / die ER als ein gelehrter Fürst
besaß / wäre allein fähig zu einer langen Beschreibung die schönste Gelegenheit
zu geben: ja wie lange könnte man von der Gleichheit seines Gemühts im Glück und
Unglück zu reden haben?
O wie schwer ist es / glücklich seyn, und in denen Schrancken einer mäßigen
Gelassenheit bleiben? Das Glück hinterläst gemeiniglich in denen menschlichen
Seelen ein unnennbahres Vergnügen / welches ihre sichersten Plätze einnimmt /
und die Vernunfft mit tausenderley lieblichen Vorstellungen erfüllet. Man fängt
an / den Gipffel zu betrachten / worauff man erhoben ist / man schreibt sich
eine Krafft zu / durch welcher man sich darauf erhalte / man krönet sich mit
eigenen Händen und heiliget sich selbst ein Stück des Danck-Opffers / welches
dem Himmel allein gehöret. Kehret sich aber das Glück / so fället auch der Muht
der erschrockenen Seele / welche bey allem Unglück gemeiniglich durch ihre davon
geschöpffte Meinungen zu boden geschlagen wird. Sie lehnet alle Schuld von sich
ab / und indem sie sich durch ihre verschlossene Angst verzehret und auch einem
Argo ihre stille Schmertzen verbirget / so vergisset sie offte auf dem Himmel zu
sehen / der das Unglück gemachet hat. So gehts gemeiniglich bey denen
Sterblichen: aber diese Nebel kommen nicht biß an die Gestirne des Himmels.
Unser Hertzog wuste wol / daß die Spitzen der Berge und die Gipffel der Cedern
zwar am ersten von der Sonnen beschienen / aber auch am ersten von
Donner-Wettern umleget, und vom fallenden Nebel getroffen werden. Daher war ER
wider Glück und Unglück gewaffnet. Beydes wurde bey Ihm zu einer Gelegenheit
seine Großmuht zu zeigen / und seine Tugend war so starck / die Last von beyden
zu tragen. Sein Gemüht blieb immer einerley / weil es der Herrschafft des
Glückes entzogen war / dessen Unbeständigkeit keine Gewalt über selbiges hatte.
ER hörte unter die Götter / drum durffte ER in solcher Höhe keinen Schwindel
befürchten / noch sein geheiligtes Haupt mit Lorbeer-Reisern wider die Blitze
verwahren / und seine Tugend behielt mit der Perle allenthalben ihren
Himmlischen Glantz.
Man mochte IHN also bey allerley Gelegenheit und in allen seinen Verrichtungen
ansehen / so war ER allemal groß / allenthalben ein HERR / der so wol über sich
selbst / als über andre / so wol über Land und Leute / als Glück und Unglück zu
herrschen wuste. Wenn diß nicht in gantz Europa bekannt
wäre / wenn es nicht von
denen Glorwürdigsten Thaten dieses Herren ausgebreitet würde / so könnte es der
Hohe Mund einer Grossen Fürstin allein bestättigen / welche mitten in
Franckreich an der Seite des Großen Ludewigs nicht auffhöret eine Mutter der
Teutschen Nation zu seyn: Denn SIE ließ dieses grosse Wort von Ihm hören: Wenn
Verdienste und Wünsche gelten sollten / so würde der Hertzog einer der Größten
Monarchen seyn.
Und gewiß / es wird fast kein Stück seyn / das zur Größe eines Printzen dienen
kan / darinnen dieser Fürst nicht ein Merckmahl seiner Größe abgelegt. Seine
Thaten weisen es aus, und ich solte hier billig den Anfang ihrer Erzehlung
machen / wenn ich das Ende derselben absehen könte: ich solte von der zartesten
Kindheit biß in die höheste Stuffe des menschlichen Alters zeigen / daß die
Natur an Hertzog Anthon Ulrichen denen letztern Zeiten ein Wunder ihrer
Vollkommenbeiten aufstellen wollen / wenn ich nicht merckte / daß ich ein Werck
auf mir nähme / das meinen Kräfften zu schwer ist. Es sind hier keine bessere
Redner / als die Thaten selbst / und keine grössere Zeugen / als so viele Länder
/ welche entweder lüstern wurden / unter der Regierung eines solchen Herren zu
stehen, oder sich glücklich schätzten / wenn ihre Regenten dem unsrigen in
einigen Stücken gleich waren. Es ist mir auch jetzo ohnmöglich / so vieles auf
einmal zu begreiffen / da mein Geist mit der letztern That unsers Fürsten allein
beschäfftiget ist, und so viel zu bewundern findet / daß er die erstaunten
Gedancken nicht auf die verflossene Zeiten richten kan.
Die unterthänigste Liebe zu meinem ehemahls Gnädigsten Herren reisset mich zu der
Erwegung seines Abschiedes: denn sie kan die Stelle nicht verlassen / so ihr am
schmertzhafftesten ist. Sie zittert / wenn nur die Gedancken dem Glantze der
letztern Zeiten etwas nahe kommen / und sie befürchtet / das zu berühren / was
so viele Thränen gekostet. Sie siehet das hohe Alter ihres erblaßten Fürsten /
als einen schönen Abend an / bey dem die Sonne grösser / als sonst / schöner als
am hellen Mittage aussiehet / aber sie hat nicht solche Krafft / sie eilet zum
Untergange.
Wir erschrecken nicht eher / als wenn wir hören / daß ein Großer Fürst gestorben
und die Cedern eines Libanons gefallen. Wir fangen alsdenn erst an die
unumschrenckte Gewalt des Todes zu betrachten / wenn sie deren nicht verschonet
/ die der Himmel uns als Götter zu halten befohlen. Bey Gemeinen Sterblichen
deucht es uns kein wunder / wenn sie fort müssen / und da gedencken wir kaum
daran / daß die Reihe an uns kommen werde / weil wir sie in dergleichen Personen
schon so offt vorbey gehen sehen. Allein ein solcher tödtlicher Blitz / der in
die Fürstlichen Palläste schlägt / trifft auch unser Hertz / und es scheinet uns
alsdenn jede Sache zu einem Propheten zu werden / und ein Wort zuzuruffen /
welches die über die Sterne erhobene Königin in Preußen zu denen Thränen der
Umstehenden sagte: Es ist Zeit zu sterben! Wir werden alsdenn wehmühtig / unsere
Schmertzen treten ins Gesicht / und preßen uns wegen unsers Abscheues über das
befürchtete Verhängniß Thränen aus / die über der Leiche eines andern zu fließen
scheinen / da sie doch nur aus Mitleyden gegen uns vergossen werden.
Niemand faße die Meinung / daß wir unter dergleichen Gedancken unsern erblaßten
Hertzog angesehen / und solche Thränen im Geist bey seinem
Sterbe-Bette vergossen. Wir
hatten nicht Zeit an uns zu gedencken / wenn wir IHN vor Augen hatten / uud wir
waren nicht bey uns selbst / wenn unsre Sehnsucht den bekümmerten Geist zu
seinen Füßen gezogen. Unser Leben schiene an das seinige zu hangen / und da ER
uns verlassen wollte / konte IHN unser Hertz ohnmöglich verlassen. Als ER das
von der Göttlichen Hand gesteckte gemeine Ziel der Sterblichkeit erreichet hatte
/ so rieffen wir IHM mit wünschendem Munde ein Plus
ultra nach dem andern zu: aber ER ließ öffentlich von sich hören: Nun
spüre Er augenscheinlich / daß sein Ende heran nahe / weil die Kräffte auf
einmal brächen. Weder unser Verlangen noch unsre Liebe wollte uns vergönnen /
solche betrübte Meinung zu fassen. Wir sahen IHN / aber nicht / was ER sahe und
bemerckten keine hiezu dienende Veränderungen in seinem Gesichte / das der Röhte
des Himmels zu vergleichen war / durch welche ein weißer Strahl der Sonnen
herfür bricht. Deßwegen hoffeten wir / der Höchste würde unsere Wünsche erhöret
und IHM von unserem Alter einige Jahre zugeleget haben.
Das Verhängniß selbst schiene auch scheu zu tragen / ein solches Bild zu
zernichten / woran der Himmel so viel Wunder gewiesen. Ja die Natur / so Ihr
Recht forderte / probirte nur erst / ob es möglich wäre / daß es fallen könnte /
und der Tod schickte viele seiner Schwachheiten vorauff / ehe er selbst zu
kommen sich gleichsam getrauete. Es überfiel IHN manchesmal eiue unvermuhtete
Entkräfftung / aber sie gieng vorüber / wie ein geschwindes Wetter / welches die
Lufft reiniget / und einen desto hellern Sonnenschein nach sich ziehet. Ein
solcher Anfall war nichts als eine plötzliche Gelegenheit zu einem Triumphe /
der desto herrlicher war / je weniger es das Ansehen dazu hatte. Wenn die Poeten
die Gnade hatten / hievon zu tichten / so verglichen sie unsren Hertzog mit
Hercule, welcher der vielköpffichten Schlangen einen Halß nach dem andern
abgeschlagen / mit jenem Riesen Antaeo, welcher zwar auf die zitternde Erde
geworffen ward / aber eben dadurch neue Kräffte bekam / mit dem Phoebo, der nach
einer kurtzen Nacht mit desto hellern Strahlen den neblichten Horizont betritt.
Wer aber ohne dieser Schmincke redete / muste bekennen / daß da der Hertzog
allenthalben etwas außerordentliches wiese / ER auch mit mehr / als menschlichen
Kräfften von der gütigen Natur beschencket sey / die sein Temperament von
tausend andern durch solche Stärcke unterschieden hatte.
Bey dergleichen Zustand fiel und stieg unsre ängstliche Hoffnung / und wir
achteten eine Gefahr nicht mehr / die so leicht und geschwinde konte gehoben
werden. Doch damahls geriethen wir in ein tieffes Nachsinnen / als der Hertzog
anfieng Anstalt zu seiner Grufft zu machen. ER besuchte selbst vor einigen
Monathen den schauerigen Platz / wo die verwahrete Asche seiner
Durchlauchtigsten Vorfahren ruhet, und die Erklärung seines Vorsatzes hieß: Ich
muß den Ort sehen / wohin man mich bald legen wird. ER konnte an einen solchen
Ort ohne Furcht stehen / woran wir ohne Furcht nicht gedencken konnten / weil
uns immer dabey einfiel / was wir seiner verhaßten Finsterniß würden anvertrauen
müssen. IHM deuchtete / wie Er da ruhen werde / und uns / mit was vor Unruhe
unsre Hertzen da würden ächtzen müssen. Kaum war das geschehen / so kam ein
starcker Anfall nach dem andern / und ob sie gleich unsren HERREN gewaltig
angriffen / so wiesen sie doch nirgends solche Macht / als in unsrer Seelen.
Bis-
hero
waren wir auch erschrecket worden / allein das Verhängniß gab uns Zeit / uns
wiederum zu erhohlen. Wir hatten Uhrsach einen neuen Muht zu schöpffen und die
Hoffnung allmählich auffzurichten. Hingegen da ein Schlag dem andern folgete /
verlohren wir alle Ruhe / und es fiel uns ohnmöglich / sie wiederum zu stande zu
bringen. Da es uns bishero an Worten nie mahls gefehlet / so vergieng uns nun
alle Lust zu reden / und wir sahen uns nur einander an / wenn eine betrübte Post
nach der andern ausgebreitet wurde. Unsre Schmertzen waren zu groß / drum
hemmeten sie die entkräfftete Zunge / und vieler Thränen verriehten / was sie zu
verlieren fürchteten / aber nicht sagen konnten. Diese meinten / man könnte die
Finsternißen der Sonnen nicht deutlicher / als im Wasser / und den Verlust bey
dem Tode unvergleichlicher Fürsten nicht besser / als aus denen Thränen derer
Unterthanen sehen. Also weineten sie / aber wie Solon, nicht so wol über das
herannahende Ende ihres sterbenden Hertzogs / das der Natur unvermeydlich
gehörte / als über ihre Thränen / daß sie vergeblich waren. Und das um so
vielmehr / weil endlich der letzte Vorbote des Todes kam / und uns die ohne dem
traurige Zeit durch die wieder Gewohnheit anhaltende Mattigkeit unsres
Höchstgeliebtesten Landes-Vaters zu wahrhafften Marter-Wochen machte: Ich wills
kurtz sagen: ER kam aufs Sterbe-Bette.
Ihr / die ihr dieses leset / hemmet den Lauff eurer erregten Wehmuht, und
beleydiget nicht die Standhafftigkeit meines im Tode getrosten Fürsten durch die
Zaghafftigkeit eurer Thränen. Seine Tugend will zwar bewundert / aber nicht
beweinet seyn / und ihr Zustand ist allemal höher gewesen / als daß sie diese
Erniedrigung brauchen sollte. Viele waren begierig / denjenigen / den sie als
einen so Großen Fürsten gebückt verehret hatten / nun als einen Menschen zu
betrachten: aber solches fiel ihnen ohnmöglich; weil ER mitten in allen
menschlichen Zufällen wieß / daß ER etwas Größers war / als ein Mensch. Eine
Krone mag liegen / wo sie will / sie bleibt eine Krone und ihre Diamanten
funcklen auch in der Finsterniß. Unser Großer Hertzog betratt die Gräntzen des
Todes / aber unerschrokken / und mitten unter deßen Schrecklichkeiten blitzte
der Muht eines Fürsten herfür / der auch im Tode mercken läst / daß ER gewohnt
ist zu herrschen. Es ist nicht zu leugnen / wir haben niemahls vor diesem HERREN
eine so große Angst gefunden / als wie wir hörten / daß der Kampff des Todes
angehen sollte / und IHM niemahls etwas mit mehrerer Sehnsucht gewünschet / als
eine glorwürdige Victorie. Denn wir wusten / daß in solchem Fall die größten
Helden gebebt / und gekrönte Häupter geseufftzet / daß ein Hiskias gewinselt /
ein Vespasianus wehmühtig worden / und die jenigen / welche denen Ungeheuern der
Natur gewachsen gewesen / ihr Ende mit Ludovico dem XI. in Franckreich nicht
ohne Entsetzen ansehen können. Wir meinten / daß hier mehr / als eine
Schwürigkeit zu überwinden: Hier war ein so hohes Alter zu übersteigen: Hier war
die Last der Regierung abzulegen: Hier war Hoheit und Glück zu verlassen: Hier
war die Welt zu boden zu werffen: Hier hatte der Fürst und der Mensch in einer
Persohn wieder Schwachheit / Glück / Welt und Tod zu kämpffen. Bey allen
schienen ungeheuere Berge zu seyn / über die kaum ein Jonathan zu kommen fähig
ist.
Aber vergib uns / Großer Fürst / vergib uns / daß die Bestürtzung über deinen
Zustand uns einen Theil von der Stärcke deiner Tugend
verborgen. Es gieng uns /
wie es gemeiniglich denen Sterblichen zu gehen pfleget: Sie sehen selten die
Sachen an / wie sie vollkommen sind / und da dieselben meistentheils eine helle
und finstre Seite zugleich haben / so sehen sie die finstre allein an / wenn die
erleuchtete dabey zu betrachten wäre / und offters werffen sie die Augen nur auf
den Glantz / wenn sie die Finsterniß mit erwegen solten. Gewiß / wo jemahls
Anthon Ulrich etwas Großes gewiesen / so ist es sein Abschied / als welcher die
gröste Probe ableget / daß seine Tugend unüberwindlich zu nennen.
Die Weisen der ehemahligen Welt versparten ihr Urtheil von der Glückseeligkeit
eines Menschen biß dahin / und meineten / man könne nicht eher sagen / wie
glücklich / wie tugendhafft / wie herrlich wir in der Welt gewesen / als biß wir
ihre Gräntzen überschritten; nicht eher von der Vollkommenheit unsrer
Ehren-Seule sprechen / als biß der letzte Stein zu deßen Spitze förmlich
gesetzet worden; nicht eher unsren Triumph erkennen / als biß uns unser Ende
gekrönet hätte. Sie funden kein größer Zeugniß von dem Muht eines Helden / als
das ihm der Tod gegeben / und die späte Nach-Welt wird es bey unsrem Hertzog
noch klärer als wir finden. ER sahe den Tod mit langsahmen Schritten ankommen /
und hatte Zeit seine Gestalt recht in Augenschein zu nehmen. Andere sind zuletzt
auch wol nicht kleinmühtig worden / allein sie haben die Gestalt des Todes nicht
zu sehen bekommen: er hat sie überfallen / ehe sie gewust was ihnen geschehen
solte. Hier hingegen stellete sie sich so deutlich / so langsahm vor / daß sie
nohtwendig schrecklich hätte fallen müssen / wenn sie einen geringern Geist /
als Anthon Ulrichs vor sich gefunden; und also war sie ohne dergleichen
Würckungen.
Man durffte ihr keine masque vorziehen / denn ihr Anblick war IHM durch öffters
vorstellen gewöhnlich worden / noch mit einem Umschweiff von seinem
herannahenden Abschiede reden / denn ER hatte schon längst Anstalt dazu gemacht.
Die Welt kam bey IHM in keine Betrachtung, ihr Wesen war IHM beständig / als ein
Poßen-spiel vorkommen / und ER hatte nicht nöhtig / sie aus dem Hertzen zu
werffen / weil ER sie längst unter seine Füße gebracht. Wie ungern würde ER sie
verlassen haben / wenn ER sie nur etwas lieb gehabt: aber so ist ihrer nicht
einmal gedacht worden / als wenn sein erhöheter Geist einmal in die Tieffe sahe.
Seine Gedancken giengen höher: ER sahe den Himmel vor sich / und je schwächer
sein entkräffteter Leib wurde / je stärcker ward sein Geist / ihn zu sich zu
reißen. Da hätte man sehen sollen / daß keine Tugend so hoch sey / sie wisse
sich noch tieffer zu erniedrigen / wenn sie vor dem Thron des Allmächtigen
erscheinet. Denn da ER in unsren Augen so viel war / so war ER in denen seinigen
so wenig / weil ER mit dem zu thun hatte / der alles ist. Mit was vor Eyffer
redete ER vor dem HErren / der den Grund der Seelen ansiehet / wenn man zu ihm
nahet und wie ward seine Andacht entzündet / da das eyffrige Gebet unsrer
Durchlauchtigsten Hertzogin / welches SIE mit dem Seinigen beständig verbandt /
ihr neue Stärcke neue Flammen brachte.
O wie müssen wir uns schämen / wenn wir diese so hochgesetzte Persohnen vor dem
Angesicht des allerheiligsten GOttes so tieff gebücket liegen sehen? Wirfft uns
nicht ihre Demuht unsern Hochmuht / ihr heiliger Eyffer unsre Kaltsinnigkeit vor
/ und erinnern sie uns nicht: da die Götter der Erden mit solcher Entäuserung
sich zu denen Stuffen des
Göttlichen Thrones werffen / was wir vor eine tieffe Erniedrigung von nöthen
haben. Die Feder schämet sich weiter daran zu gedencken, und eilet zu etwas /
dessen mit keinen gnungsamen Ruhme kan erwehnet werden. Anthon Ulrich erhielt in
seiner heiligen Bemühung was ER suchte, und fand eine überschwenckliche Gnade
bey dem / der IHM so viel Gnade gegen seine Unterthanen gegeben hatte. ER wuste
/ daß für ihm keine Krone so helle sey / die nicht Staub an sich habe, und die
Himmel für seinen Augen nicht rein erfunden werden. Daher entschlug ER sich
aller Hoheit, und wieß / daß sein Glaube IHN so klein und geringe / als seine
Tugend groß machen konte. Und wie ER hiedurch des Himmels / ja noch was grössers
/ als desselben sich versichert hatte / so wartete ER auf nichts / als auf den
letzten Winck der höchsten Majestät / um die Gräntzen der Ewigkeit zu
betreten.
Allein, Gnädigster Hertzog / hinterlässest du deinem betrübten Lande keinen
Seegen und siehest du nicht noch einmahl zurück auf seine vergebliche Thränen?
doch die Sorge war nicht nöthig. ER that noch einen Blick auf das / was ER
verlassen solte, und da sahe ER seine Diener / da sahe ER sein Land / da sahe ER
seine Printzen, und sein gantzes Hauß. Die meisten seiner Bedienten waren schon
genung gesegnet / weil seine Gnade Ihnen alles war, und so schwach IHN die
entkräfftete Natur machte / so sammlete ER doch alle Krafft / mit der grösten
Gedult ihre Dienste zu erkennen, und einem jeglichen die Hand zum Kuß dar zu
reichen / welche zur Bezeugung der Danckbarkeit nichts als einen betrübten
Abschieds-Kuß vor alle ihre Wolthaten zu begehren schiene. Aber das schwereste
deuchtete uns zu seyn / ER solte seinen Printzen den letzten Kuß geben. Und wie
gienge es hier dem sterbenden Hertzoge?
Er blieb unbeweglich! Wie das alte Rom die ruhigen Gesichter seiner Helden
beschreibt / wenn sie im Triumph eingezogen / so sahe das seinige aus, und es
war eben die Majestät drinnen zu sehen / die es wieß / wenn es pflegte einen
Winck zu Vollziehung seiner Befehle zu ertheilen: Denn es bildete die Bewegung
einer Seele vor / die über dem Tod herrschete. ER hielte selbst die Wehmuht
derer zurücke / die so was unschätzbahres ohne Schmertzen nicht verlieren
konnten, und war nicht fähig zu leyden / daß sein großmühtiger Triumph mit
Thränen solte begleitet werden. Er küssete die Ebenbilder seiner Tugend zum
letzten mal / ohne gebeuget zu werden / weil ER bedachte / daß ER in IHNEN
unsterblich würde. ER küssete seine grosse Hoffnung in Printz Carln / den der
Himmel nicht vergebens annoch lassen gebohren werden / damit ER die Seegen
Anthon Ulrichs erben möchte, und ER küssete IHN mit solcher Liebe / daß es
schiene / als ob ER einen Theil seines Geistes auf diesem Printz legte. Er
küssete die Hertzoginnen seines Durchlauchtigsten Hauses / an denen er so viele
Wunder der Tugend / Schönheit und Hoheit erblicket, und im Geist nahm Er auch
von denen hohen Persohnen Abschied / die in Deutschland / Moscow und Franckreich
/ seiner Liebe / Freundschafft / Weißheit und Tugend so viel zu dancken und sie
so wehrt gehalten. Sonderlich überschüttete ER seine Printzen und Printzeßinnen
mit Seegen aus der Höhe nach Wunsch der Hohen in der
Welt, und wünschte Ihnen
so viel Glückseeligkeiten / als er selbst genossen hatte.
Sey getrost / bestürtztes Hertzogthum / Anthon Ulrich hat deine Hertzoge
gesegnet, und seine Seegen gehen stärcker / als die Seegen seiner Vor-Eltern: in
IHNEN hat er auch deine Ruhe festgegründet, und die künfftigen Zeiten vor dir
glücklich gemacht. Es werden dir deine Felder Früchte tragen, und kein Feind
wird sie einerndten dürffen. Du sollst stehen / als eine Palme / so an frischen
Qvellen gepflantzet ist, und dein Glück soll wachsen unter einem lieblichen
Strahl deiner auffgehenden Landes-Sonne.
Solche Gedancken fasseten wir von der Seegens-Hand unsers Landes-Vaters / die
kaum dis ihr letztes Werck beschlossen hatte / als ER noch einen verächtlichen
Blick auf die Welt warff, und darauf sein volles Gesicht auf den Himmel wendete
/ wohin ER sein Hertz durch eine getroste Sehnsucht vorangeschicket hatte. Und
in dem ER eintzig und allein darauf gerichtet war / so streckte sich die Hand
des Himmels zu IHM aus, und zohe IHN vollends an dem Ort / wo die Krone der
Ewigkeit auf IHN wartete. Darauf hieß es allenthalben: Hertzog Anthon Ulrich ist
todt! Man hatte nicht nöhtig / uns mehr / als den blossen Nahmen zu nennen / um
die Grösse unsres Verlustes anzuzeigen / und wie viel tausend Thränen würden wir
nicht vergossen haben / wenn selbige sich nicht geschämet hätten / bey einem so
standhafften Ende nnd einer so unerschrocknen Freudigkeit dieses großmühtigen
Fürsten herfür zu brechen.
Wir stunden vielmehr erstaunt und in einer tieffen Verwunderung, und kamen nicht
eher zu uns selbst / als biß uns der starcke Glantz unsrer neuen Landes-Sonne in
die Augen strahlte. Da ist nun Freude und Bestürtzung in unsrer Seelen so genau
mit einander vermischet / daß wir nicht sagen können / welche darunter die
gröste ist. Wir erkennen / daß der Himmel für uns eine überschwenckliche Gnade
haben müsse: denn in dem er uns mit einer Hand das entziehet / an dessen Leben
unser Geist hieng / so giebt ers uns mit der andern vollkommen wieder, und läst
uns kaum empfinden / wie er uns hätte straffen können. Anthon Ulrich herrschet
über uns in seinem Durchlauchtigsten Nachfolger / und wir wissen nicht / ob er
mehr eines solchen Printzen, oder dieser Printz mehr Anthon Ulrichs wehrt zu
nennen.
Ja unerforschlicher Himmel / wir müssen gestehen / wir sind nicht wehrt deiner
Wolthaten, und nicht würdig so gnädiger Regenten / die du uns verliehen. Andre
Völcker fallen offt mit Zittern vor deinem allerheiligsten Stuhle nieder / wenn
du ihnen einen Beherrscher nehmen wilst / der sie mit Peitschen gezüchtiget /
weil sie Scorpionen besorgen müssen, und beben / wenn sie verstohlen darum
seufftzen sollen. Aber wir sind immer ohne Sorge gewesen: wir haben deine Güte
empfangen / genossen aber nicht erkannt / und dennoch giebst du uns einen Anthon
Ulrichen und bey seinen Abschiede einen AVGVSTVM WILHELMVM.
Es ist nicht nöhtig / daß wir die Früchte seiner Tugenden annoch erst erwarten /
wir haben hundert Proben schon davon gesehen / und wir dürffen nicht erst
gewohnt werden / sie mit tieffsten respect zu verehren / da wir bereits von so
langen Zeiten her uns bemühet / ihr denselben nach allen Kräfften zu beweisen.
Mit was vor Ehrfurcht haben wir nicht seine Andacht öffters angesehen / und wie
viele Würckungen von seiner Furcht gegen den Allerhöchsten erblicket. Wüsten wir
nicht / wie groß seine Weißheit sey / mit was vor Muht ER dem müden Atlanti, als
ein andrer Hercules in so vielen Geschäfften zu Hülffe getreten / so würden wir
nunmehro anfangen / von demselben mit solchen Vergnügen zu sprechen / womit wir
schon durch so viele Zeiten davon geredet. Wir würden bey einem so glücklichen /
bey einem so durchdringenden Anfang einer so gnädigen Regierung IHM unsre
Hertzen überlteffern / wenn sie IHM nicht schon vorlängst wären gewidmet
gewesen. Wie hätte uns Anthon Ulrich einen grössern Nachfolger geben, und vor
sich ein ruhmwürdigers Gedächtniß ausser seinen Thaten stifften können?
Aber dis ist noch nicht alles Glück / das wir geniessen. Da das Verhängniß zwey
Augen brechen heist / die für uns genung gewachet / so läst es ins künfftige
noch einmahl so viel auf unser Heyl gerichtet seyn. Es giebt uns zugleich eine
Landes-Mutter / eine andere Elisabeth / die dis Hertzogthum so lange vermisset,
und da es uns Anthon Ulrichs Stelle so vollkommen ersetzet / so soll auch seine
vergötterte Elisabeth uns wieder gegeben werden / damit wir ja in keinem Stücke
etwas noch mit Recht verlangen dürffen. Als diese vollkommene Fürstin vor
etlichen Jahren mit unsrem gnädigsten Herren vermählt wurde / so waren wir
erfreut / daß ihm Holstein wieder gab / was er aus Holstein verlohren hatte /
und gleiche Freude hat jetzo das gantze Land bey der verborgenen Regierung des
Höchsten / daß ein Holsteinisches Hauß ihm die Frömmigkeit / die Sanfftmuht /
die Gnade / die Klugheit / die Großmuht / kurtz die Vollkommenheit der
verewigten Elisabeth so vollkommen in unsrer nie satt gepriesenen Hertzogin
wieder erstattet. Gewiß einem so tugendhafften Fürsten / als AVGVSTO WILHELMO
hat der Himmel kein geringeres Geschenck lieffern / aber auch kein grösseres
allhier vor IHM finden können / und wir vermercken daraus aufs neue seine Gnade
/ daß er uns so was unschätzbahres damahls zugedacht, und nunmehro eine
Hertzogin gegeben / die durch ihr Gebet das drohende Unglück zurück halten und
den erzürnten Himmel beugen kan.
Wie begierig wird hier nicht der erfreuete Geist / die Tugend unsrer Gnädigsten
Herrschafft nach ihrer Grösse vorzustellen / wenn nicht dazu eine neue Krafft /
eine neue Rede / neue Gedancken erfodert würden / die in diesen Blättern nicht
könnten geschlossen werden. Es erhöre nur der Himmel unsre Wünsche / so werden
wir noch so viele Jahre von dem zu reden finden / dessen die Nachwelt nimmer
vergessen wird.
Es müsse Anthon Ulrichs Seegen an unsren Durchlauchtigsten Hertzog erfüllet
werden / und unsre Hertzogin sey stets wie die Sonne im Mittage. IHNEN beyden
müssen Glück und Vergnügen ein beständiger Gefährte seyn, und der Friede müsse
nicht weichen von ihrer Rechten. Der HErr schelte die / so ihrer Ruhe übel
wollen / wo dergleichen solten können gefunden werden, und züchtige die mit
Furcht / so ihre Glückseligkeit nicht vertragen können. Er zerstreue die
Gedancken / so sich wieder dieselbe sammlen, und vernichte solche Anschläge /
als einen Nebel / daraus ein Wetter entstehen könnte. Er umgebe SIE mit Waffen
des Schreckens / die auch in der Ferne überwinden, und schütze SIE mit starcker
Hand wieder alles Unglück. Die Zeit höre in ihren Wolstand auf / veränderlich zu
seyn, und die Freude stehe bey IHNEN fester / als AEgypti Wunder-Seulen. Die
Nachkommen der jetzigen Welt müssen noch ihre glückliche Regierung sehen und
sich über ihr Hochfürstliches Wolergehen erfreuen.
Hiedurch wird Anthon Ulrichs grosser Nahme noch grösser werden, und die Nachwelt
wird erstaunen über das / was dieser unsterbliche Fürst der Welt für Wunder und
seinen Erben für nachdrückliche Seegen geben können. Das sind die Grund-Feste
seiner Unsterblichkeit / seine Tugend / seine Thaten / seine Printzen: aus jeden
leuchtet sein Glantz biß in die spätesten Zeiten. Seine Tugend verlanget kein
anders Andencken / als die Nachahmung in denen Wercken, und ER will lieber / daß
mehr die Hertzen seiner Unterthanen / als ihre Zungen von IHM reden mögen.
Ihr / die ihr das Glück gehabt die Süßigkeit seiner Regierung zu empfinden /
lasset uns nicht so wol unser Hertz in seinem Grabe / als in seinen Wercken
verschliessen: denn in jenem ist seine unverweßliche Tugend zu finden. Mercket
vielmehr: zu Anthon Ulrichs Ruhme ist kein anderes und besseres Behältniß / als
das Gedächtniß Europae, und vor uns keine grössere
Verehrung seines Gedächtnisses / als wenn wir desto eyffriger das vollkommene
Ebenbild seiner Tugenden in seinem Nachfolger mit tieffster Demuht verehren und
uns jederzeit erinnern: Anthon Ulrich und Elisabeth sind nicht gestorben / weil
sie in dem Durchlauchtigsten AVGVSTO WILHELMO und unserer unvergleichlichen
Hertzogin annoch leben.