Reisebegleiter
für
Jünglinge .
Von
Franz Xaver Wetzel .
1.–20. Tausend .
Ravensburg .
Verlag der Dorn'schen Buchhandlung .
( Fr. Alber . )
Mit Approbation des hochwürdigsten Ordinariates
zu Rottenburg .
Abschiedsgruß eines Vaters an seinen
Sohn .
Den Wanderstab in deinen Händen ,
Seh' ich dich scheidend vor mir steh'n ;
Willst dich , mein Sohn , zur Ferne wenden ,
Und in die weite Welt nun geh'n .
So zieh' denn hin , und Gottes Segen
Begleite dich auf deinen Wegen .
Doch wo dein Herz auch immer sei ,
Bleib ' deinem Vaterhaus getreu !
Kehr' ein , wo Edle glauben , lieben ,
Die frechen Spötter sollst du flieh'n ,
Die Gott aus ihrer Brust getrieben ,
Und die vor Erdengöttern knie'n .
Laß nimmer dir , mein Sohn , den Glauben
Durch Trug , und Hohn und Falschheit rauben !
Und wo dein Herz auch immer sei ,
Es bleibe stets dem Höchsten treu !
Du mögst dein junges Herz behüten ,
Das zart und sorgsam ich gehegt .
Du weißt , in schimmervolle Blüten
Wird oft des Todes Gift gelegt .
Die Welt ist voller Arg und Tücke ,
Daß nie dich Sinnenlust berücke ;
Bewahr ' dich vor dem Schmerz der Reu'
Und bleib' der Tugend immer treu !
Und solltest du hinüber dringen
Ins fremde Land voll Wanderlust ,
Wo deutsche Worte nicht mehr klingen :
Erhalt' dir deutsch die junge Brust .
Es werd' die Heimat dir zum Sterne ,
Nach dem du blickst aus weiter Ferne ,
Und wo dein Herz auch immer sei :
Stets bleib' dem Vaterland getreu !
Hast du dann kühn die Welt durchstreifet ,
Und kehrst ins Vaterhaus zurück , –
Wenn heißes Sehnen dich ergreifet ,
Zu gründen dir ein stilles Glück :
So bring ' den alten Glauben wieder
Das Sohnesherz , so treu und bieder ,
Den Sinn , an Weisheit reich und neu
Die echte Tugend , Gottestreu !
( J. Hilger . )
I. Die Zeit der Abreise .
Blutjung und ganz unerfahren ziehen manche
hinaus in die Welt . Es ist ihnen zu eng daheim
im niedrigen Stübchen , im kleinen Dörfchen . Sie
haben gehört von großen Städten mit ihren breiten
Straßen und siebenstöckigen Häusern , von feinen
Herren und Damen , die in noblen Kutschen fahren
oder auf englischen Ponys pfeilschnell dahinreiten ,
von riesigen Fabriken mit 1000 und noch mehr
Arbeitern , die alle Geld wie Heu verdienen . So
eine Großstadt wie Berlin , Paris oder London
möchte ich doch einmal sehen , sagen sie . In Berlin
und Paris gebe es ja jetzt 2½ , in London gar 5½
Millionen Menschen . Das muß ein Rennen und
Jagen , Laufen und Fahren , Lärmen und Wogen sein !
Es ist wahr , die Städte nehmen riesig zu . Es
gibt jetzt auf der ganzen Erde 270 Großstädte mit
über 100000 Einwohnern . Im deutschen Reiche
allein sind 33 . Als Friedrich I. vor 200 Jahren
sich die preußische Königskrone aufs Haupt setzte ,
zählte Berlin 18000 Einwohner . Jetzt sind dort ,
die Vorstädte mitgerechnet , 2600000 . Die Schorn-
steine von mehr als 5000 Fabriken ragen in die
Luft . Das gesamte Arbeiterheer Berlins reicht
über 600000 hinaus . Da muß doch für jeden ,
der gesunde Augen und starke Arme hat , Arbeit
und Brot zu finden sein ! –
Und doch ist es nicht so . Je mehr Leute den
Städten zuströmen , je mehr Arbeitskräfte zur Ver-
fügung stehen , desto tiefer wird der Lohn herab-
gedrückt , desto größer ist die Zahl der Arbeits-
und Stellenlosen . Und erst bei flauem oder schlechtem
Geschäftsgange , wenn 100 und 100 Arbeiter auf
einmal entlassen werden , was dann ? Allein ,
ohne Verdienst , ohne Bekannte und Freunde , ohne
Rat und Hilfe stehen die Armen da in der großen
Stadt . Die letzten ersparten Pfennige gehen zu
Ende . Kein Hoffnungsstern blinkt . An mehr als
hundert Thüren hat man sie kalt und trocken abge-
wiesen . Was thun ? Entweder heimkehren
oder der Verzweiflung sich in die Arme
werfen . Das ist das Schicksal von Tausenden .
Jene aber sind selten , die es über sich bringen ,
wieder die Heimat aufzusuchen . Jene sind selten ,
die in ihrer Notlage vertrauensvoll an den Seel-
sorger des Pfarrdorfes sich wenden und ihn um
Rat und Hilfe bitten . Einmal habe ich einen
solchen Brief erhalten , von einem Jünglinge , der
mit 16 Jahren , gegen meinen und der Eltern
Willen , nach Chemnitz gegangen war . Ein Mit-
schüler hatte ihm von dort geschrieben , wie viel
Geld er verdiene . Da packte auch unser Wilhelm
seine sieben Sachen zusammen und zog in die große
Stadt am Fuße des Erzgebirges . In einer Maschinen-
fabrik fand er Arbeit und verdiente ganz ordentlich .
Er konnte wenigstens damit leben . Aber das ging
nur 3 Wochen lang . Da wurde ihm und seinem
Freunde an einem Montag Morgen eröffnet , es
gebe für sie keine Arbeit mehr ; 200 andere
Arbeiter seien schon am Samstag entlassen worden .
Die zwei bartlosen , unerfahrenen Jünglinge
wandten sich nun an verschiedene andere Fabriken .
Ueberall hieß es : Schon mehr als genug Leute !
Nirgends fanden sie Anstellung . Erspart hatten
sie auch nichts , der Lohn war zu gering gewesen ,
und zu betteln schämten sie sich . In dieser Not-
lage setzte sich der jüngere , Wilhelm Grünauer ,
hin und schrieb an mich folgenden Brief :
Geehrter Herr Pfarrer !
Es sind zwar erst drei Wochen , seitdem ich
meine Heimat verlassen . Aber ich bin doch schon
jetzt gezwungen , Ihnen zu schreiben . Dem Vater
darf ich nicht schreiben . Er war zu böse , daß ich
fortging ; er sagte , ich sei noch viel zu jung zum
Reisen und solle ihm noch etwas helfen . Ich
habe zwar hier etwas mehr verdient , als in der
dortigen Buntweberei . Aber es kostet auch mehr .
Alles ist teurer . Und jetzt verdiene ich gar nichts
mehr . Ich und mein Freund , Karl Bittner , der
ja gelernter Schlosser ist , sind am letzten Montag
aus der Fabrik entlassen worden . Wir suchten
überall Arbeit , fanden aber keine . Karl will auf
die Wanderschaft gehen und an einem andern Orte
sich umsehen . Weil ich kein Handwerk verstehe ,
also nur Handlangerdienste thun kann , so wird 's
wohl für mich nirgends etwas geben . Ich darf
auch nicht betteln , ich schäme mich zu sehr . –
Darum möchte ich Sie recht herzlich bitten : Helfen
Sie mir doch , daß ich wieder heim kann . Sagen
Sie dem Vater , er solle mir Reisegeld schicken ; ich
wolle wieder dort in die Fabrik gehen und fleißig und
brav sein und ihn nicht mehr verlassen , bis er damit zu-
frieden sei . Auch der Stiefmutter werde ich folgen .
– Es hat hier keine katholische Kirche ; wenigstens
habe ich noch keine gefunden . Es ist alles prote-
stantisch . So kann ich nicht einmal in die Kirche
gehen . Ich bitte Sie also recht sehr , verlassen
Sie mich nicht . Sie waren immer so gut mit
mir im Religionsunterrichte . Ich muß jetzt schon
Hunger leiden .
Mit vorzüglicher Hochachtung
Wilhelm Grünauer .
Mit vieler Mühe brachte ich Wilhelms Vater
dazu , daß er seinem Sohne verzieh und ihm Geld
schickte . So kehrte er heim und ging wieder in
die Fabrik . Daß seine Kameraden über den „ kühnen
Weltumsegler “ sich lustig machten , war nicht zu
verwundern .
Ein anderer Jüngling hatte das Schreiner-
handwerk erlernt . Mit 18 Jahren ging er nach
München . Nach etwa 2 Monaten meldete er seinen
Eltern , er habe in einer großen Schreinerei Arbeit
gefunden , aber alle seine Mitarbeiter seien Sozial-
demokraten . Sie hätten auch ihm keine Ruhe ge-
lassen , bis er dem Vereine beigetreten . Der Vater
schrieb dem Sohne , er solle diese Werkstätte ver-
lassen und sich von der Sozialdemokratie fernhalten
und in den katholischen Gesellenverein gehen . Von
da an kam keine Antwort mehr . Erst etwa zehn
Jahre später traf ein Brief aus Köln ein , worin
der Sohn um Geld bat . Er liege krank im
Spitale , schrieb er ; von Gott und den Menschen
habe er keine Hilfe mehr zu erwarten . Wenn der
Vater ihm nicht helfe , so jage er sich eine Kugel
durch den Kopf . Vier Wochen später berichtete
die Spitalverwaltung den plötzlichen Hinscheid des
Sohnes .
Zahllose Jünglinge rennen ins Unglück , weil
sie viel zu früh das Elternhaus verlassen .
Darum rufen wir allen jungen Leuten zu : Wenn
ihr nicht durch die Not gezwungen seid , fortzu-
gehen , so bleibet doch daheim , bis ihr das gehörige
Alter erlangt habet . Laut Jahresbericht der „ Ge-
sellschaft zur Fürsorge für die zuziehende männ-
liche Jugend in Berlin “ waren im Jahre 1900
über 23000 Jünglinge im Alter von 14 bis
21 Jahren nur nach Berlin gekommen . Die
wenigsten davon fanden Arbeit . Die Uebrigen
gerieten ins Elend oder mußten wieder heimkehren .
In den Großstädten verderben zahllose
junge Leute an Leib und Seele .
„ Laß das Wünschen , Ringen Laufen
Nach entfernten , dunklen Zielen .
Brot ist auch daheim zu kaufen ,
Zahl' es nur mit Schweiß und Schwielen . “
( Weber . )
Nie gehet gegen den Willen der Eltern
in die Fremde . Das bringt weder Glück
noch Segen . Ein gesetztes Alter , Reife des
Geistes , Festigkeit des Charakters und
Tüchtigkeit im Berufe sind notwendig , um
ohne Gefährde durch die gefahrvolle Welt
zu kommen und ehrlich und recht sein Brot
zu verdienen . Wer noch gar jung ist , der weiß
sich bei vorkommenden Schwierigkeiten nicht zu helfen
und zu raten , er verliert den Mut und endet oft
recht unglücklich . Wenn Verführer sich ihm nahen ,
so geht er ahnungslos in die Schlinge und fällt
in Sünde und Verbrechen . Er ist noch nicht ge-
wachsen den Gefahren des Lebens , und darum sind
sie für ihn doppelt groß . Und weil er auch
in der Arbeit noch wenig tüchtig ist , so findet er
nur sehr schwer passende Anstellung ; er irrt brot-
los umher , – bis ihn die Polizei wieder nach Hause
bringt . Daher verlasse ja nicht zu früh die Heimat
und ihr schützendes Dach . Berate Eltern und Seel-
sorger vor einem so wichtigen Schritte , der schon
tausend und tausend unerfahrene und arglose
Jünglinge ins zeitliche und ewige Verderben gestürzt .
Der junge Mensch hat keine Ahnung von den Ge-
fahren der Welt , von der Hinterlist und Bosheit
verkommener Menschen , deren Zahl Legion ist .
Darum kam kein Geringerer als Jesus Christus
selbst , um auch hierin der Jugend ein leuchtendes
Beispiel zu geben . Die hl . Schrift hat es in jene
kurzen aber inhaltreichen Worte gefaßt : „ Und
Jesus war ihnen unterthan “ ( Luk. 2 , 51 ) .
Warum so schweigsam das hl . Buch
Von unseres Heilands Jünglingszeit ?
Es ist nicht schweigsam , es sagt genug ,
Ein Wort so tief , so hoch , so weit ,
Die beste der Lehren , die je geschah 'n :
„ Und Jesus war ihnen unterthan . “
War dreißig Jahre lang unterthan
Den armen Eltern zu Nazareth ,
Ein Beispiel allen , die es sah'n ,
Sein Leben in Arbeit und Gebet .
In Jesu Hand das Zimmermannsbeil ,
Wie wurde der Welt es zum hohen Heil !
Ein Beispiel dir ! O hoch hinaus ,
Weit über die Kraft und Fähigkeit ,
Will jedes heute ; zu eng das Haus ;
Wie lockt die Welt , so schön , so weit !
O Gräuel : des Hauses enge Pflicht ,
O Wahn : Gehorsam und Selbstverzicht !
O Thorheit , die der Fromme träumt ,
Sich binden an der Eltern Gebot !
Wer ihnen zu lieb die Jugend versäumt ,
Der ist lebendig und dennoch tot .
Ei was , gehorsam sein und unterthan ?
Mit lust'gen Gesellen ein lust'ger Kumpan !
Ist niemand , der dich hindert und hält ?
Du hassest der Eltern treue Hut ,
Und stürmest hinaus in die weite Welt ,
Und prahlest gar sehr mit Kraft und Mut ,
Du willst nicht Zügel , nicht Zaum und Zucht :
So säe denn und – ernte die Frucht !
Verflucht , wer Vater und Mutter nicht ehrt ,
Dem Priester versaget die Pflicht ;
Das hohe Beispiel , das Jesus uns lehrt ,
Es wird dir zum Schreckensgericht .
Der Christ kennt keine andere Bahn ,
Als Jesus ihn lehrte : Unterthan !
Vor zwei Tagen war ein Jüngling bei mir .
Er hatte in einer Buchdruckerei das Schriftsetzen
erlernt und war dann schon mit 17½ Jahren in
die Fremde gezogen . Es ging ihm über alle Maßen
schlecht . Er fand oft wochenlang keine Arbeit und
mußte Hunger leiden . Weil er gar so jugendlich
aussah , traute man ihm wenig Kenntnisse zu und
weigerte sich , ihn einzustellen . Von den Mitarbeitern
mußte er sich „ Milchgesicht “ schelten lassen , Zurück-
setzung und rohe Behandlung ertragen . Oft war
er daran , sein Bündel zu schnüren und als reuiger
Sohn heimzukehren . Aber die Furcht vor dem
schwer erzürnten Vater hielt ihn immer wieder
zurück . So kämpfte er sich mehrere Jahre durch .
Weil er das Beten nicht ganz aufgab , so half ihm
der liebe Gott . Nach und nach kam es besser .
Je älter er wurde , desto mehr genoß er Vertrauen .
Er ward auch in seinem Berufe immer tüchtiger .
Nach zehn Jahren kehrte er auf kurze Zeit
nach Hause zurück . Der Vater verzieh ihm
seine jugendliche Unbesonnenheit . Als er mir seine
Lebensschicksale erzählt hatte , fügte er bei : „ Sagen
Sie es nur jedem Jünglinge , er solle nicht
zu früh in die Fremde gehen , sonst warten
arge Enttäuschungen auf ihn . Fast alle ,
die ganz jung das Elternhaus verlassen ,
fallen dem Unglauben und der Unsitt-
lichkeit anheim und müssen entsetzlich viel
durchmachen . “
„ Mensch , laß dir auf erd nichts so lieb seyn ,
Daß du vergessest Gottes des Herrn deyn . “
So steht auf einer uralten Stuttgarter Holz-
tafel geschrieben . Der Herr will , daß der Sohn
den Eltern Gehorsam erweise ; Wohlergehen und
langes Leben sind der Lohn dafür . Wer aber
zu früh und gegen den Willen der Eltern
das Haus verläßt , ist selber schuld an seinem
Unglücke .
„ Das Erdenglück , von Gott getrennt ,
Ist lauter Schaum und eitler Dunst .
Nur wer sein Glück in Gott erkennt ,
Genießt des Glückes höchste Gunst ! “
( W. Edelmann . )
Nur in einem Falle ist es oft notwendig ,
schon früh fortzugehen : wenn ein Junge die fran-
zösische Sprache erlernen will . Aber da schreibe
man vorher an ein katholisches Pfarramt der
französischen Schweiz und lasse sich ein
katholisches Pensionat oder eine katholische
Familie nennen , in der man Aufnahme
findet .
Leider geschieht das recht selten . Und so kommt
es , daß sehr viele junge Leute in protest .
Pensionate oder Familien geraten und in
kurzer Zeit der religiösen Gleichgiltigkeit
anheimfallen . Der Sohn eines wohlhaben-
den Landwirtes aus dem badischen Schwarzwald
kam im Jahre 1884 in eine protest . Anstalt der
Westschweiz . Nach dem Prospekt konnten die Zög-
linge ihre religiösen Pflichten erfüllen . In Wirk-
lichkeit war am Sonntag von Kirchengehen keine
Rede ; salbungsvolle Unterweisungen und Stündler-
Gebete ersetzten den kathol. Gottesdienst . Die Folge
war : der Jüngling verlor seinen Glauben , heiratete
später eine Protestantin und ließ seine Kinder
protestantisch erziehen . So geht es in zahllosen
Fällen . Es gibt in Genf und Umgebung , in Challet
( bei La Plaine ) , in Collonger-Fort-l' Ecluse , in
Veyrier , in Ferney , in St. Julien-en-Genévois ,
in Freiburg ꝛc. ausgezeichnete kathol. Pensionate .
Jeder katholische Pfarrer der französischen Schweiz
wird gerne Auskunft erteilen .
2. Das Gepäck .
„ Wenn jemand eine Reise thut ,
So kann er was erzählen .
Drum nehm' ich meinen Schirm und Hut
Und thu' das Reisen wählen . “
Gewiß das Reisen ist gar schön und nützlich .
Da sieht man andere Gegenden , Städte und
Dörfer ; da sieht man Berge und Thäler , Flüsse
und Seen . Tausend Schönheiten und Reize
der Natur erfreuen das Auge . Ueberall leuchtet
uns Gottes Allmacht und Weisheit entgegen . Auch
lernt man allerlei Leute kennen und sammelt reiche
Kenntnisse und Erfahrungen . Der Gesichtskreis
wird weiter , der Geist gebildeter , und der Charakter
erhält größere Festigkeit . Drum ists gewiß gut , bei
gehörigem Alter nach dem Wanderstab zu greifen
und hinauszuziehen in die große Welt . Nur darf
der Jüngling nicht vergessen , vor der Abreise auf
die Ratschläge erfahrener Leute zu hören , und da
heißt ein Rat. Nehme nur wenig Gepäck mit
dir . Je geringer die Zahl der Handkoffern und
Schachteln und Packete , die man mit sich führt ,
desto bequemer und leichter geht die Reise . Man
bekommt ja überall ums Geld , was man braucht .
Auch kostet ein Koffer , als Frachtgut geschickt , nicht
viel .
Aber vier Gegenstände dürfen beim Reisegepäck
niemals fehlen : Das Geld , ein Paß , einige
gute Bücher und ein Festkleid .
I .
Ehedem gab es überall Klöster und christliche
Herbergen . Da konnte der Wanderer auch ohne
Geld übernachten und bekam zu essen und zu
trinken , so viel er wollte . Und dann steckte man
ihm erst noch eine Zehrung auf den Weg in die
Reisetasche . So war es im Mittelalter . Selbst
Martin Luther stellt ihm das ehrende Zeugnis
aus : „ Im Papsttum war jedermann barm-
herzig und mild , da gab man mit beiden
Händen fröhlich und mit großer Andacht . “
Später wurden dann die meisten Klöster aufge-
hoben und den Armen die Zufluchtsstätten ge-
nommen . Nur wenige bestehen noch . Diese helfen ,
so viel sie können . Ich kenne ein Kapuziner-
kloster – es ist in Luzern – , da wurden in einem
einzigen Jahre 50000 Portionen Suppe ausgeteilt .
Und so machen es auch die übrigen Männer- und
Frauenklöster . Nur ist ihre Zahl leider zu gering .
An vielen Orten giebt es gar keine mehr . Darum
ist der arme Wanderer oft recht übel daran .
Es ist also notwendig , daß man Geld mit
sich auf die Reise nehme . Nach Bedürfnis kann
man dann einen Teil des Geldes gegen die Münze
des betreffenden Landes umwechseln und zwar am
besten bei einem Banquier . Im Geldbeutel sei
jedoch nur eine geringere Summe , ebensoviel , als
man für die kleineren Reiseausgaben nötig hat .
Alles andere Geld verwahre man in einer inneren
Kleidertasche . Nie zeige das Geld den Reisege-
fährten . Vermeide es auch , unterwegs Fremden
Geld zu wechseln . Lege das Kleidungsstück , in dem
dein Geld sich befindet , während der Nacht unter
das Kopfkissen .
II .
Der Paß ist auszustellen von der zuständigen
Behörde . Derselbe wird überall abverlangt . Darum
muß er gut aufbewahrt werden .
Auch Zeugnisse und Empfehlungsbriefe
können einem gar oft in der Fremde kostbare
Dienste leisten . Man gebe sie nie aus der Hand ,
sondern fertige Abschriften , die man auf Verlangen
vorausschicken kann .
III .
An Büchern muß der Jüngling vor allem
mitnehmen : Ein rechtes Gebetbuch und den
Katechismus . „ Wer recht zu beten weiß , der
weiß auch recht zu leben “ , sagt der hl. Augustinus .
Was soll der junge Christ in der Kirche anfangen ,
wenn er kein Gebetbuch hat ? Im Katechismus
sollte jeder Jüngling alle Sonntage ein Viertel-
stündchen lesen . Vor allem muß er nachsehen
darin , wenn er allerlei Einwendungen gegen die
Religion , Entstellungen und Verdrehungen der
christlichen Lehre hört . Manchmal kann man auch
den frechen Spöttern den Katechismus einfach vor-
lesen und so ihre Weisheit und Wahrheitsliebe an
den Pranger stellen .
Natürlich sind auch noch andere religiöse
Bücher sehr zu empfehlen . Einem Jünglinge , der
im Jahre 1894 nach Paris ging , hatte die Mutter
„ die Nachfolge Christi “ in den Koffer gesteckt . Der
Sohn kam in der Weltstadt mit sehr schlimmen
Kameraden zusammen . Es fiel ihm nicht mehr
ein , das goldene Büchlein zu lesen , wohl aber
brauchte er die herausgerissenen Blätter beim Rasieren
zum Abtrocknen des Messers . Einmal fiel sein
Auge auf den Satz : „ Es ist besser , jetzt seine Seele
von Sünden reinigen und seine Laster ablegen , als
die Reinigung für die andere Welt aufsparen .
Wir betrügen uns sicher selber durch die unordent-
liche Liebe , die wir zu unserm Fleische tragen . “
Und siehe , diese Wahrheit berührte wie ein Pfeil
sein Herz . Bald darnach kniete der Jüngling zu
den Füßen eines Priesters , legte eine gute Beicht
ab , sagte sich los von seinen schlechten Kameraden
und war von da an ein Muster der Frömmigkeit
und Sittenreinheit .
IV.
Doch das Wichtigste für jeden Wanderer ist ,
daß er Gott zum Begleiter und Schützer habe .
Das sagt der Dichter mit den schönen Worten :
„ Wenn jemand in die Ferne zieht ,
Aus trauter Heimat fort ,
Dünkt mich der beste Abschiedsgruß :
Gott sei dein Hort !
Denn alles Zagen schweiget dann ,
Der Herr ist hier wie dort ,
Sein Schutz umfängt dich überall :
Gott sei dein Hort !
Er bietet seine Liebe dir ,
Ja stets den sichern Port ,
Wo dich kein Sturm vernichten kann :
Gott sei dein Hort !
Und seines Segens heller Strahl
Sucht dich in Süd wie Nord ,
Und bringt dir allzeit lichten Tag :
Gott sei dein Hort !
Halt' nur des Glaubens Banner hoch ,
Folg' liebend seinem Wort ,
Laß hoffend stets dein Wahlspruch sein :
Gott sei mein Hort !
Dann folgt , was auch die Ferne bringt ,
Dem bittern Abschiedswort
Das beste Wort des Wiederseh'ns :
Gott war dein Hort ! “
( Ferdinande von Brackel . )
Doch nur der wird Gott zum besondern Hort
und Schützer haben , der in seiner Liebe wandelt ,
d. h. das Kleid der heiligmachenden Gnade
besitzt . Das ist das Festkleid , ohne welches
niemand zum himmlischen , ewigen Gastmahle Zu-
tritt hat . Darum darf kein Reisender dieses Ge-
wandes entbehren . Wer zum Wanderstabe greifen
will , der gehe vorher mit heiligem Ernste und
sorgfältiger Vorbereitung zur hl. Beicht und Kom-
munion . So steigt Gott in sein Herz , schmückt es
mit dem goldstrahlenden Gewande der heilig-
machenden Gnade und nimmt den Wanderer in
seine besondere Hut . Läßt es der Allweise in seinen
unergründlichen Ratschlüssen gleichwohl zu , daß
ein Unglück plötzlich ihn hinwegrafft , so ist er doch
des Himmels sicher ; denn er trägt ja das hochzeit-
liche Kleid .
Wir haben die Eisenbahn-Unfälle eines einzigen
Monats , des November 1900 , zusammengestellt :
es sind deren 16. Meist blieben mehrere Passa-
giere tot auf dem Platze , einmal sogar 90 mit
einander ; viele andere wurden schwer verwundet .
Und in einem einzigen Jahre , im Jahre 1896 ,
gab es auch 984 Schiffbrüche . Wer ist sicher , daß
nicht ein ähnliches Unglück ihn trifft und ganz
plötzlich und unerwartet vor den Richterstuhl
Gottes stellt ? Trägt er aber das Kleid der heilig-
machenden Gnade , ist seine Seele rein von schwerer
Sünde , dann führt ihn seine Wanderung ins
himmlische Vaterland , wo kein Rad mehr bricht
und keine Brücke , wo alle menschliche Unvorsichtig-
keit und Schwäche ausgeschlossen ist .
„ Denn wo Gott wirkt , ohn ' Zwischenmittel waltend ,
Hat das natürliche Gesetz nicht Geltung . “
( Dante. )
Ein ordentlicher Wanderer reist nur in an-
ständiger und sauberer Kleidung . Doch weit mehr
noch möge jeder dafür sorgen , daß keine schwere
Schuld sein Herz verunstalte , daß sein Kleid der
Seele nicht schmutzig und zerrissen , sondern licht-
strahlend und goldglänzend sei , leuchtend im
Strahlenglanze der Gotteskindschaft , die allein ein
Anrecht giebt auf den besonderen Schutz des Herrn
und auf des Himmels Erbe .
„ Dann folgt , was auch die Ferne bringt ,
Dem bittern Abschiedswort
Das beste Wort des Wiederseh'ns :
Gott war dein Hort . “
3. Auf der Eisenbahn .
I .
Zwei junge Handelsreisende fuhren per Eisenbahn
von Wien nach Prag . Sie befanden sich ganz
allein in einem Rauchcoupee . Unterwegs stieg eine
vornehm gekleidete , hübsche Dame ein und gesellte
sich zu den beiden jungen Herrn , sich damit ent-
schuldigend , daß sie eine leidenschaftliche Raucherin
sei . Bald zog die Reisegefährtin ein elegantes
Cigarren-Etui aus ihrer Tasche und bot es mit
ausgesuchter Höflichkeit den angenehm überraschten
Mitpassagieren an , die nur zu gerne zugriffen .
Kurz darauf sanken sie in tiefen Schlaf . Sie er-
wachten erst wieder , als der Zug in Prag einfuhr .
Zugleich aber entdeckten sie zu ihrem größten
Schrecken , daß ihre Geldbörse mit zusammen 8000
Mark , sowie ihre Uhren und sonstige Wertgegen-
stände verschwunden waren . Auch das Frauen-
zimmer war natürlich nicht mehr da . Es hatte
ihnen Opium-Cigaretten zu rauchen gegeben und
sie dann in ihrem betäubten Zustand ausgeplündert .
Wer sollte es glauben , daß die Bosheit und
Schlechtigkeit so weit gehen könnten ? Welche Vor-
sicht ist also auf der Reise von nöten ! Nie nehme
man von unbekannten Leuten Cigaretten
an oder Süßigkeiten , sie könnten mit Schlaf-
mitteln getränkt sein . Manchmal werden zu
diesem Behufe auch Riechmittel angewendet ; ein
chloroformgetränktes Taschentuch wird wie zufällig
vor das Gesicht gehalten . Also aufgepaßt !
II .
Ferner ist's gewagt , sich auf der
Eisenbahn mit Unbekannten einzulassen
und ihre Dienste anzunehmen . Je freund-
licher und gefälliger sie sich zeigen , desto größer
muß das Mißtrauen sein . Es gibt gewissenlose
Agenten , die junge , unerfahrene Leute nach Amerika
anwerben und dann ins Elend hineinführen . Oder
sie versprechen , ihnen in einer Stadt für gute Plätze
zu sorgen , lassen sich dafür natürlich zum voraus
bezahlen , um dann plötzlich zu verschwinden . Diese
Betrüger und Schwindler machen sehr gute Ge-
schäfte , weil sich leider so viele betrügen lassen und
auf die wohlmeinende Stimme wahrhaft guter
Freunde nicht hören . Ein sehr talentvoller , junger
Mann war auf dem Wege nach London , um dort
Stellung zu suchen . Es gesellte sich in der Eisen-
bahn ein älterer Herr zu ihm , war überaus freund-
lich , erkundigte sich nach Beruf und Reiseziel und
erbot sich sofort , gegen eine bescheidene Entschädigung
ihm eine ganz ausgezeichnet bezahlte Stelle in einem
Londoner Handelshause zu verschaffen . Der Be-
trag mußte selbstverständlich sofort entrichtet
werden . In London angekommen , gingen die bei-
den Herrn in ein Hotel , um zu speisen und über
Nacht zu bleiben ; am anderen Morgen früh wollte
man das Geschäft aufsuchen . Unser „ vertrauens-
selige “ Sohn der Schweizerberge war ganz glück-
lich , so rasch in der Weltstadt einen Platz gefunden
zu haben , stand am folgenden Tage ziemlich früh
auf , gieng in das Gastzimmer und wartete auf
seinen Begleiter . Er wartete bis 9 Uhr , bis 10
Uhr , – aber umsonst , er kam nicht . Als er sich
nach dem Engländer beim Kellner erkundigte , er-
klärte ihm dieser , jener Herr habe ja gestern abend
schon das Hotel wieder verlassen und sei wahrschein-
lich weiter gereist ; es sei übrigens kein Engländer ,
sondern ein Deutscher . Solche Fälle wiederholen
sich alle Tage .
Es ist also auf der Reise äußerste Vorsicht
notwendig . Höchst selten darf man sich mit unbe-
kannten Leuten näher einlassen . Man gebe weder
Beruf noch Reiseziel an und lehne alle Dienste
dankend ab . Auch lasse man sich in kein Hotel
führen ; schon mancher arglose Reisende ist dadurch
ins Unglück geraten . Wer dem Handwerker-
stande angehört , der gehe überhaupt nicht
in die Fremde , ohne vorher in den „ Katho-
lischen Gesellenverein “ einzutreten . Dann
bekommt er ein „ Wanderbüchlein “ , worin sich eine
Liste der bestehenden katholischen Gesellenvereine
mit Angabe der betreffenden katholischen Vereins-
präsides und der Vereinshäuser befindet . Dieser
Liste ist vorgedruckt ein „ Allgemeines Statut des
katholischen Gesellen-Vereins , “ eine „ Wanderord-
nung “ , ferner „ Pflichten eines braven Mitgliedes “
und endlich „ einige Wanderregeln für die Vereins-
mitglieder . “ Mit Hilfe dieses Büchleins findet der
wandernde Handwerksbursche beinahe überall –
denn fast allerorten gibt es jetzt Gesellenvereine –
einen besorgten Vater , den Gesellenpräses , brave
Freunde , ein trautes Heim und eine freundliche
Herberge und meist auch passende Anstellung bei
einem wackeren Meister , der vielleicht Ehrenmitglied
des Gesellenvereines ist .
Nicht-Handwerker wenden sich an andere katho-
lische Vereine : Jünglings– , Kaufmanns- und Ar-
beitervereine . Natürlich muß man Mitglied dieser
Vereine sein und die Mitglied-Karte vorzeigen
können . Die Vorstände dieser Vereine , die ja leicht
zu erfragen sind , werden dem Vereinsbruder gerne
Rat und Aufschluß geben . Wir wollen hoffen , daß
nach und nach alle katholischen Vereine ein ähn-
liches Wanderbüchlein erstellen , wie der katholische
Gesellenverein .
Wer noch keinem Vereine angehört und in die
Fremde zieht und sich da nicht mehr zu helfen weiß ,
der wende sich doch vertrauensvoll an einen
römisch-katholischen Priester ; er wird ihm gewiß
gerne nach Kräften an die Hand gehen .
III .
Des Weitern ist zu beachten , daß man auf
der Eisenbahn und in den Städten sich
immer an die Beamten , also die Condukteure
und Polizisten halte , so oft man eines Auf-
schlusses oder Schutzes bedarf . Dies trifft
besonders auch ein , wenn im Eisenbahn- oder Post-
wagen glaubenswidrige oder unsittliche Gespräche
geführt werden . Oft kann ein kurzes , aber ernstes
Wort solch' lose Zungen zum Schweigen bringen .
Auf einer Station war ein junger Handelsreisender
in den Wagen gestiegen . Kaum hatte er sich nieder-
gelassen , so begann ein Trupp Soldaten die ab-
scheulichsten Zoten zu reißen . Sofort erhob sich
der junge Herr und rief laut , daß man es im
ganzen Wagen hören konnte : „ Ich habe nicht ge-
meint , daß ich in einen Schweinestall hineingeraten
sei . “ Mehrere Mitreisende riefen „ Bravo . “ Die
unsauberen Mäuler verstummten . Wird aber die
Zurechtweisung nicht beachtet , so rufe man den
Condukteur zu Hilfe . Er hat dafür zu sorgen , daß
kein Fahrgast von seinen Mitpassagieren belästiget
werde . Solche glaubens- und schamlose Schwätzer
verdienen gar keine Schonung .
IV .
Es giebt noch andere Vorsichtsmaßregeln für
die Eisenbahnfahrt , wir wollen sie kurz nennen .
1. Nie besteige oder verlasse man einen in
Bewegung befindlichen Zug . Eine solche Unvor-
sichtigkeit hat meist die entsetzlichsten Folgen .
2. Wer den Kopf zu weit zum Wagenfenster
hinausstreckt , läuft Gefahr , mit einer Telegraphen-
stange in unliebsame Berührung zu kommen .
3. Es empfiehlt sich , bei längeren Reisen etwas
Mundvorrat mitzunehmen . Dadurch vermeidet man
beträchtliche Ausgaben in den Bahnhofrestaurationen .
4. Handgepäck gebe man nur im Notfall aus
der Hand , und dann vertraue man es nur Bahn-
hofbediensteten an , welche dagegen eine Nummer
oder Marke verabfolgen .
5. Niemals steige man in einen Zug , ohne
sich durch wiederholtes Fragen vergewissert zu
haben , daß es wirklich der richtige sei .
6. Man teile niemanden sein Reiseziel mit
und ändere niemals seinen Reiseplan , ungeachtet
aller angeblichen Vorteile , welche unbekannte Personen
für diesen Fall in Aussicht stellen . Solche Aner-
bieten sind recht oft nichts anderes als ein Ver-
such , unerfahrene Jünglinge ins Unglück zu stürzen .
Wenn nur ein oder zwei Mitreisende im
gleichen Wagen oder Coupé sich befinden , so wäre
es sehr gewagt , ein Schläfchen zu halten .
7. Wenn man an einem Orte Aufenthalt hat ,
so entferne man sich nicht von der Station , sondern
bleibe im Wartesaal bis zum Abgang des nächsten
Zuges .
8. Die Zeit ist nicht dieselbe in Frankreich
und in Mitteleuropa ( Deutschland , Oesterreich ,
Schweiz , Italien . ) Die französische Eisenbahnzeit
geht 55 Minuten nach .
9. Der Zollbehandlung des Reisegepäckes muß
man an der Grenze persönlich beiwohnen ; sonst
setzt man sich der Gefahr aus , daß es an der
Grenzstation liegen bleibt .
10. In Deutschland , Oesterreich , England und
anderen Ländern werden von den Eisenbahnange-
stellten die Namen der Stationen nicht , immer
ausgerufen . Um nicht über sein Reiseziel hinaus-
zufahren , ist es geraten , sich die Zeit zu merken ,
zu welcher man an seinem Bestimmungsort an-
kommen soll .
11. In Italien und Frankreich muß man
sich früh am Bahnhofe einfinden ; denn es besteht
in diesen Ländern die Vorschrift , daß 5 Minuten
vor Abgang des Zuges der Billetverkauf aufhört ,
und eine Viertelstunde vorher kein Reisegepäck
mehr angenommen wird .
12. Wer in einem Gasthof übernachtet und
am anderen Morgen früh abreisen will , thut gut
daran , seine Rechnung am Abend vorher zu be-
gleichen . Denn im letzten Augenblicke ist es nicht
mehr möglich , sie zu prüfen , und gewisse Wirte
benützen diese Gelegenheit , um den Fremden zu
überfordern .
Nie , gar nie schlafe man mit einem unbe-
kannten Menschen im gleichen Zimmer . An der
Kammerthüre werde der Nachtriegel vorgeschoben .
Ist das Schlafgemach nicht schließbar , so bleibe
man nicht darin über Nacht . Eher wähle man
ein anderes Gasthaus .
Auch darf sich niemand schlafen legen , ohne
zuvor Umschau gehalten zu haben in den Kästen ,
Kommoden , unter der Bettlade ꝛc.
13. Wertgegenstände soll man nicht in einen
Koffer legen , welchen man der Eisenbahn über-
geben will .
14. In Italien schließe man abends die Fenster ,
um sich nicht der Fiebergefahr auszusetzen . Man
hüte sich vor den römischen Kohlenbecken , durch
welche häufig Erstickungen herbeigeführt werden .
V.
Das Reisen auf Eisenbahn und Dampfschiff
ist voller Gefahren für Leib und Seele . Daher
hat die Kirche ein eigenes Reisegebet , das Itinerarium ,
gemacht . „ Jn viam pacis “ , so beginnt es . „ Auf
den Pfad des Friedens und der Wohlfahrt leite
uns der allmächtige und barmherzige Gott , und
der Engel Raphael begleite uns auf dem Wege ,
daß wir mit Frieden , Heil und Freude zur Heimat
zurückkehren . “
Es war im Jahre 1891 , am 15. Juni . Der
Eisenbahnzug , eine lange Reihe von Wagen , ver-
ließ Basel . Es fuhren auch zwei Frauen mit
aus dem Jura , die von Einsiedeln kamen . Sie
beteten still für sich den Rosenkranz . Dadurch
wurden sie der Gegenstand des Spottes und Hohnes
ihrer Reisegesellschaft , die zum Sängerfeste nach
Mönchenstein fuhr . Einige Augenblicke vor An-
kunft auf der Brücke über die Birs kam der
Schaffner und forderte die Billete . Als er die
betenden Frauen erblickte , stimmte er in das Ge-
lächter der Fahrgäste ein . In demselben Augen-
blicke ertönt ein Krachen , die Brücke bricht zu-
sammen , der Zug stürzt in die Tiefe . Unter den
Leichnamen und Verwundeten , die man aus den
Trümmern zog , befanden sich auch jene 2 Frauen :
Die Kleider waren zersetzt und mit Blut über-
ronnen , aber sie selber hatten nicht den
geringsten Schaden genommen . Das Blut
rührte von den übrigen Passagieren her , die ent-
weder tot oder schrecklich verstümmelt waren .
Einem Manne und einer Frau , die unmittelbar
daneben gesessen , wurden die Beine ganz zerquetscht
und zermalmt .
Der Nachmittagszug fuhr durch die unfrucht-
bare Eifelgegend dahin . Es war vor zwei Jahren ,
im Sommer . Auf einer Station stieg ein alter ,
schlecht gekleideter Mann ein . Kaum saß er im
Wagen , so zog er seinen Rosenkranz hervor . Die
Mitreisenden spotteten . Bald merkten sie , daß er
nicht gut höre . Da erlaubten sich ein paar junge
Burschen einen bösen Streich . „ Ihr wollet nach
G. “ ? schrie ihm einer ins Ohr . Der Alte be-
jahte es lebhaft . – „ So steiget schnell aus ! “ –
Und der alte Mann verließ , so schnell er konnte ,
den Wagen , obwohl es nicht die gewünschte
Station war . Der Zug fuhr weiter . Schallendes
Gelächter der Insaßen ! Plötzlich entgleiste der Zug ,
den der Greis verlassen hatte , mehrere Wagen
wurden zertrümmert , von den boshaften Spöttern
blieb kein einziger unverletzt .
Bete auf der Reise und empfehle dich dem
Schutze Mariä und des hl. Engels . Kümmere
dich nicht um den Spott der Mitreisenden . Als
ich einst auf dem Vierwaldstättersee fuhr , da war
auch ein alter Herr mit seinem erwachsenen Sohne
auf dem Schiffe . Sie aßen zu Mittag , unterließen
aber nicht , vor und nach dem Essen still für sich
zu beten . Und als von Weggis her die Mittags-
glocke erscholl , verrichteten beide den Engel des Herrn .
Es kümmerte sie nicht , daß einige Mitreisende
darob die Nase rümpften und spöttelten . Mehr
lag ihnen daran , des göttlichen Wohlgefallens
sich zu erfreuen und jenes Lob des Heilandes zu
verdienen : „ Wer mich vor den Menschen bekennt ,
den werde ich auch vor meinen Vater bekennen , der
im Himmel ist . “ Darum vergiß auf der Reise
nicht den lieben Gott und bete hin und wieder
still für dich .
Verreise nie an einem Sonn- oder
Feiertag . Kann es gar nicht anders sein ,
so höre vorher wenigstens eine hl . Messe
andächtig an . Graf Johann von Salis ( ge-
storben am 23. Aug. 1855 ) übernachtete auf einer
Reise zu Verona . Um anderen Tages – es war
ein Mutter-Gottes-Fest – die hl . Messe nicht zu
versäumen , ging er erst mit dem 2. Zuge weiter .
In der Nähe von Vicenza ertönt plötzlich ein Not-
pfiff . Alle Passagiere stürzen zu den Wagen hinaus .
Was sehen sie ? Was hat es gegeben ? Der erste
Zug von Verona her war entgleist ; die meisten
Wagen waren zertrümmert ; Tote und Sterbende
und schwer Verwundete lagen zu Dutzenden auf
der Erde . Es war ein entsetzlicher Anblick . Hätte
Graf von Salis die hl . Messe versäumt und mit
dem 1. Zuge seine Reise fortgesetzt , so wäre er
jetzt wohl auch unter den Toten oder Schwerver-
wundeten gelegen . Darum soll jeder Christ nur
in Notfällen an Sonn- und Feiertagen reisen , vor-
her aber , wenn immer möglich , zum allermindesten
die hl. Messe anhören . Denn die Vernachlässigung
der Messe ist eine schwere Sünde . Wer will es
wagen , mit einer Todsünde auf dem Herzen sich
den Gefahren der Reise auszusetzen ?
„ Geh ' ohne Stab nicht durch den Schnee ,
Geh ' ohne Steuer nicht zur See ;
Geh' ohne Gottes Geist und Wort
Niemals aus deinem Hause fort ! “
( Rückert. )
4. Die Fußtour .
Wie ist 's so schön , was der Dichter von seiner
Wanderung durch den Schwarzwald singt :
„ Seid gegrüßt , ihr dunklen Gauen ,
Seid gegrüßt mir immerdar !
Eure Tannennacht zu schauen ,
Schon als Kind mein Sehnen war .
Doch das Bild , das ich mir malte ,
Zauberprächtig , farbenreich ,
Die Natur es überstrahlte ,
Schwarzwald , dir kommt keiner gleich .
Tiefe Schluchten , stolze Höhen ,
Tannendunkel , Vogelfang ,
Und der Wälder Andachtswehen ,
Das sich eint mit Herdenklang .
Bächlein flink in Wasserfällen
Schäumen überall zu Thal ,
Spenden Labung den Forellen ,
Kühlen Luft und Sonnenstrahl .
Wonnig ist es , froh zu wallen
Durch des Höllenthales Pfort ' ;
Hier lass' alle Hoffnung fallen ,
Dantes Inschrift steht nicht dort .
Waldumrauschte Felsenwände
Zieh'n der Dreisam Lauf entlang ,
Reichen sich ganz nah die Hände ,
Wo dem Hirsch der Sprung gelang .
Als des Thals romant'sche Stelle
Preis' ich die R avennaschlucht ,
Ueber Felsen , Wasserfälle
Hier der Fuß den Pfad sich sucht .
Wie aus Silber hingegossen ,
Glänzt der Titisee so schön ,
Rings von Tannengrün umflossen ,
Ruht der Schluchsee auf den Höh'n .
Mächtig ragt des Feldbergs Rücken
In das blaue Luftgezelt ,
Weit wir in die Lande blicken
Bis zur Alpen Wunderwelt .
Und das biedere Schwarzwaldvölklein ,
Wie ist 's fröhlich , freundlich , fromm ,
In dem ärmsten Hirtenhüttlein
Ist der Wand'rer froh willkomm . “
Aber wer kümmert sich heute noch um die
Schönheiten der Natur ? Die stillen Wandrer ,
mit dem Ränzlein auf dem Rücken und dem Reise-
stock in der Rechten , werden immer seltener . Alles
fährt per Eisenbahn . In raschem Fluge gehts
durch Ebenen und Thäler , an Bergen und Seen
vorbei . Das Auge findet kaum Zeit , auch nur
flüchtig die Wunder der Natur zu betrachten . Was
nützt ein solches Reisen ? Man schaut nicht die
Blumen am Wege , hört nicht das Konzert der
Vögel , erfreut sich nicht an den schönen Landschafts-
bildern , hat kein Auge für Volkssitten , für das
Thun und Treiben fremder Menschen . Höchstens ,
daß man in den Städten Halt macht und hastig
die Straßen und öffentlichen Plätze , die Bilder-
gallerien und Kunstsammlungen durcheilt , vor
Palästen und stolzen Turmbauten einige Augenblicke
verweilt , den Pferderennen und Stierkämpfen bei-
wohnt und am Abend das Theater besucht . Aber
der große Gottestempel der Natur mit seinen be-
zaubernden Reizen und unbeschreiblichen Schön-
heiten , mit seinen Wundern ohne Zahl ist so
vielen zeitlebens verschlossen – zum größten Schaden
für Herz , Geist und Gesundheit .
Die aufmerksame Betrachtung der Natur erfüllt
das Herz mit Bewunderung für Gottes Allmacht ,
Weisheit und Güte , mit Demut und dankbarer Liebe .
Der Wille wird gestählt durch das Wundern , und der
Geist mächtig angeregt zum Forschen und Denken ,
eine Fülle von neuen Ideen und Kenntnissen wer-
den sein eigen . Daß die Fußreisen dem Körper
sehr zuträglich sind , braucht wohl keines Beweises .
Das fühlt jeder selbst am besten , wie wohl ihm
die Bewegung thut , wie angenehm und erfrischend
ein Gang durch Felder und Wiesen , über Berg
und Thal , wie stärkend eine Tour per pedes
Apostolorum . „ Wer geht , “ sagt Seume , der Dichter
und Tourist , „ sieht von der Welt und dem Men-
schenleben mehr , als wer fährt . Fahren zeigt Ohn-
macht , Gehen Kraft . Der Gang ist das Ehren-
vollste für den selbständigen Mann , und alles
würde besser gehen , wenn man mehr gienge . “
In Triengen ( Schweiz ) lebt ein Mann , Joseph
Schmidli , der schon über 90 Sommer gesehen
und sich noch des besten körperlichen Wohlseins und
großer , geistiger Frische erfreut . Er ist noch nie
Eisenbahn gefahren , hat hingegen den weiten Weg
nach Einsiedeln schon 24 Mal zu Fuß gemacht .
Der älteste Mann der Neuzeit war wohl Michele
Solis aus Bogosa in der Republik San Salvador ,
der im Jahre 1884 starb . Michele wurde 160 Jahre
alt . Er lebte sehr mäßig und ging immer zu Fuß .
Drum , mein lieber Freund , lasse Schienen-
strang und Eisenbahn auf der Seite und wandere
auf des Schusters Rappen . Der Gewinn ist
groß , besonders wenn du offene Augen
hast und alles recht betrachtest und das
eine und andere dir aufschreibst , vor der
Reise aber Land und Leute in guten Reise-
büchern studierst .
„ Nimm den Stab in deine Hände ,
Wandre in die Welt hinaus !
Gott dir seinen Segen spende
Und Willkomm in fremdem Haus .
Wand're durch der Wälder Schatten ,
Fröhlich über Berg und Thal ,
Freue dich am Grün der Matten
Und am Morgensonnenstrahl !
Winkt ein Kirchlein dir entgegen ,
Halte Rast an seiner Pfort ' ;
Hole dir den Reisesegen ,
Und dann wand're rüstig fort ! “
5. Der Bauernknecht und der Geselle .
I .
Nur nicht dienen ! Lieber in die Fabrik oder
in ein Geschäft oder Bureau . Die Städte
wachsen , die Landbevölkerung nimmt ab . Im
Jahre 1882 betrug die landwirtschaftliche Be-
völkerung in Schlesien 1742841 , im Jahre 1895
jedoch nur 1564085 . Es haben also über 178000
Menschen in Schlesien innerhalb 13 Jahren die
landwirtschaftliche Arbeit aufgegeben . In der
bayerischen Pfalz haben sich im Jahre 1899 33737
Personen vom landwirtschaftlichen Betriebe losge-
sagt , während die Industrie einen Zugang von
84223 , der Handel einen solchen von 19874 auf-
wies . Aehnlich oder noch schlimmer steht es in
anderen Ländern . Allüberall klagt man über die
Landflucht , die Uebervölkerung und Arbeitsnot in
den Städten , und niemand weiß , wie man dieser
Menschenverschiebung Einhalt thun kann . Da
müssen eben unsere Jünglinge selbst zur Einsicht
kommen , daß sie es auf dem Land viel schöner
haben als in der Stadt . Da ist 's doch tausend-
mal gesunder . Wohl muß der Bauernknecht ,
besonders im Sommer und Herbst , viel und streng
arbeiten . Aber seine Werkstätte ist die schönste
und gesundeste : der fruchtbare Acker , die blumen-
reiche Wiese , die sonnige Weinberghalde , der grüne
Wald . Da lebt er bei den singenden Vögeln und
weidenden Herden weit glücklicher und fröhlicher
als der Städter in seinen dumpfen Winkeln , wo
kein Sonnenstrahl hindringt , oder der Fabrikarbeiter ,
der im Staub und Oeldampf gar oft zum siechen ,
auszehrenden Krüppel wird . Darum sollte man
nicht so verächtlich auf die Landarbeit niederblicken .
Bleibe nur oder werde Bauernknecht , so bleibst du
gesund an Leib und Seele . Wie mancher starke
und lebensfrohe Jüngling gieng in die
Stadt und kam elend und krank zurück oder
starb im Spitale an den Folgen der Sünde
oder des Elendes .
Freilich sind viele Bauern selber schuld , daß
sie keine Arbeiter mehr finden . Sie schreien in
einem fort über die „ Leutenot “ in der Landwirt-
schaft . Aber ihre eigenen Söhne und Töch-
ter halten sie für zu gut auf den Bauern-
hof : die müssen studieren oder sonst einem
höheren Berufe sich widmen . Sie klagen über
die „ Landflucht , “ über den Zug in die Stadt und
vergessen dabei ganz , daß ja ihre eigenen
Kinder mit dem schlechten Beispiel vor-
angehen . Diese schämen sich , ein Bauer , eine
Bäuerin zu sein und zu heißen , und wenn's aus
Heiraten geht , da ziehen sie erst recht das Stadt-
fräulein oder den Stadtherrn der Bäuerin und dem
Bauer vor . Gewöhnlich zu ihrem Unglück !
„ Gar manches Knopfloch ist geschmückt ,
Weil manchem dies und das geglückt
Mit Klingen und mit Kielen .
Jedweder Leistung Ehr und Preis .
Der beste Orden , den ich weiß ,
Ist eine Hand voll Schwielen . “
( Weber. )
Auch wär' es noch auszurechnen , wer mehr
erspart : der Bauernknecht oder der städtische Ar-
beiter . Der Lohn des letzteren ist vielleicht etwas
größer ; aber dafür braucht er mehr für Kleidung ,
Lebensführung und Unterhaltung . Es ist ganz
interessant , welch' schöne Summen brave und genüg-
same Dienstboten oft ersparen . Ich habe gelesen
von einem Knechte in Württemberg , der bei seinem
Tode 24000 Mark für gute Zwecke hinterließ . Ein
anderer Knecht aus dem Kanton Aargau ( Schweiz )
besaß am Ende seines langen Lebens 19540 Fr.
in Sparkassenscheinen . Beide Landarbeiter hatten
sich diese großen Summen selbst erspart . Ganz
jung waren sie bei guten Bauern in Dienst getreten ;
von kranksein wußten sie nichts ; jedes Vierteljahr
konnten sie den größten Teil des Lohnes in die
Sparkasse legen . So kamen sie zu einem ganz
schönen Vermögen , aus dessen Zinsen sie ihre alten
Tage sorgenfrei hätten verleben können .
Vierzig Jahre lang hatte in Ebnat ( Kanton
St. Gallen ) ein Knecht gedient und gespart . Als
er anno 1894 starb , fand man zuunterst in seinem
alten Koffer , wohl verwahrt und versteckt , ein Spar-
kassenbüchlein im Werte von 20000 Fr .
In Servion , Kanton Waadt , wurde in den
ersten Tagen des Monats Juni 1901 ein 87jähriger
Knecht begraben . Seit dem 12. Lebensjahre , also
während 75 Jahren , hatte er auf demselben
Platze gedient . Seine Ersparnisse betrugen 27000 Fr .
Im Jänner 1874 stürzte in Freiburg ( Baden )
ein Knecht in einen Keller hinunter , schlug sich
dabei die Hirnschale ein und starb nach einer
Stunde . Dieser Mann hatte mit seinem Lohne
die alte Mutter in einem Dorfe bei Offenburg voll-
ständig erhalten und ihr kurz vor seinem Tode
noch 30 Mark geschickt . Sie kam auch zur Be-
erdigung . Als der Priester die üblichen Gebete
verrichtet hatte , trat die arme Frau an das Grab
ihres Sohnes und sprach unter lautem Schluchzen :
„ Gott vergelte dir alles , mein Sohn , was du mir
gethan hast ! “ Das war die schönste Leichenrede ,
die dem verstorbenen Knechte konnte gehalten
werden .
Darum lasset euch nicht täuschen , ihr jungen
Leute , und höret auf das Wort : „ Bleib ' im Lande
und nähre dich redlich ! “ Man spiegelt euch
größern Verdienst vor , mehr Freiheit , leichtere
Arbeit . Das Durchschnittsresultat aber besteht
darin , daß von zehn – neun Auswanderer es zu
gar nichts bringen , unter Not und Sorgen leben ,
ja sogar später der Heimatgemeinde zur Last fallen .
Zudem sind die Gefahren für Gesundheit , für
Glauben und Tugend in der Stadt weit größer
als auf dem Lande . Der junge Mensch leidet oft
entsetzlichen Schaden und geht an Leib und Seele
zu Grunde . Tüchtige Leute können auch auf dem
Lande vorwärts kommen , sie bringen es zu Amt
und Ehren , sind überall gesucht und begehrt .
Es giebt prächtige Dörfer und große Gemeinden ,
die einer gedeihlichen Entwicklung sich erfreuen ; sie
ersetzen sogar für solche , die es verlangen , wenig-
stens einen Teil des Stadtlebens .
II.
Auch zum Handwerke wollen viele junge
Leute nicht gehen . Entweder halten sie sich zu
vornehm dafür , oder sie glauben , was jener sozial-
demokratische Abgeordnete im deutschen Reichstage
gesagt : „ Mit der Erfindung der ersten Maschine
wurde das Grab für das Handwerk gegraben . “
Das ist aber eine ganz falsche Ansicht , die man
nicht genug bekämpfen kann . Das Handwerk kann
heute und wird auch in Zukunft in den meisten
Zweigen seinen Mann ehrlich ernähren , voraus-
gesetzt , daß die Handwerker die veränderte Lage
des Handwerksstandes klar erkennen und mit be-
sonnener Klugheit und großer Ausdauer den
Forderungen der Jetztzeit gerecht zu werden suchen .
Es ist ja wahr : die Großbetriebe mit ihren
Maschinen und ihren größeren Geldmitteln kaufen
besser und billiger ein , stellen die Erzeugnisse
leichter und schneller her und setzen sie rascher und
sicherer ab . Aber auch die Handwerker können
sich diese Vorteile zu Nutzen machen – durch
gemeinsames Vorgehen : sie können Kredit-
und Einkaufsgenossenschaften bilden , wie das
die Bauern schon längst gethan ; sie können Werk-
genossenschaften bilden , welche für ihre Mit-
glieder Maschinen kaufen und gegen angemessenen
Preis zur Verfügung stellen ; sie können zum
leichteren Verkaufe der erzeugten Waaren mit
einander Magazine errichten . Wenn solche ge-
meinsame Verkaufstellen oder Magazine gebildet
werden , in welchen der Käufer sicher ist , nur aus
guten Stoffen solid gearbeitete Waaren zu er-
halten , deren Hersteller er kennt , darf man dann
nicht mit Gewißheit erwarten , daß gerade solche
Handwerker-Magazine mit Vorliebe aufgesucht
werden ? Wiederum sind auch da die Bauern mit
ihren verschiedenartigsten Verkaufsgenossenschaften
vorausgegangen . Also Vereinigung , fester
Zusammenschluß der Handwerker ist von
Nöten , dann wird das Handwerk nie unter-
gehen . Vor allem müssen der Lehrling und
der Geselle in ihrem Handwerke sich recht
tüchtig machen , und auch der Meister muß
immer weiter sich ausbilden , die für sein Ge -
werbe wichtigen technischen Fortschritte und Er-
findungen kennen lernen . Stillstand ist heute mehr
denn je Rückschritt .
Gerade darum ist es notwendig , daß begabte
junge Leute dem Handwerkerstande sich zuwenden .
Solide und tüchtige Handwerker sind immer noch
weit besser gestellt , als die zahllosen Schreiber und
die an die Maschine gefesselten Fabrikarbeiter , die oft
selbst zur Maschine werden .
Ihr jungen Leute , schämet euch nicht , Hobel
und Hammer , Spaten und Mistgabel in die Hand
zu nehmen . Große Heilige sind eure Genossen .
Sogar St. Joseph , der Nährvater Jesu Christi ,
war ein einfacher Zimmermann , und Christus
selbst unterstützte ihn bis zum dreißigsten Jahre
in seinem Berufe .
„ Willigis , Willigis , deiner Herkunft nit vergiß , “
hatte der berühmte Erzbischof Willigis von Mainz ,
der Sohn eines Wagners , in allen Gemächern
seiner bischöflichen Behausung unter ein Rad an
die Wand malen lassen . Das Rad steht heute
noch im Wappen der Mainzer Bischöfe .
„ Arbeit ist des Bürgers Zierde ,
Segen ist der Mühe Preis .
Ehrt den König seine Würde ,
Ehret uns der Hände Fleiß . “
( Schiller . )
Möge nur jeder in seinem Berufe , sei es
Handwerk oder Landwirtschaft , sich recht tüchtig
machen . Auch darf ein jünger Mensch nicht gleich
den Mut verlieren , wenn anfänglich nicht alles
nach Wunsch geht . Mit Fleiß und Ausdauer er-
reicht man viel . Peter Paul Rubens rieb
Farben bei dem Maler van Noort . Er war zu
arm , um ein Handwerk zu lernen . Aber er darbte
sich jeden Pfennig vom Munde ab und kaufte
daraus Leinwand und Farben . Ganz heimlich
übte er sich dann im Malen . Und sein Fleiß und
seine Ausdauer brachten ihn dahin , daß er einer
der größten Maler wurde . Johann Stigl-
mayer trat bei einem Goldschmied in die Lehre .
Aber er war sehr schwach im Zeichnen . Darum
benützte er jede Freistunde , um sich darin zu üben .
Durch seinen eisernen Fleiß errang er in der
Feiertagsschule den ersten Preis von 100 Gulden .
Das spornte ihn noch mehr an . Er bildete immer
weiter sich aus , wurde später Direktor der welt-
berühmten Münchener Erzgießerei und schuf selbst
großartige Werke . Georg Stephenson , der
Erbauer der ersten Lokomotive , mußte als Jüng-
ling in einem Kohlenbergwerke die niedersten
Dienste verrichten . Thomas Edison verkaufte
untertags Zeitungen , die Nächte aber verwandte
er dazu , um das Telegraphieren zu erlernen .
Später wurde er der Erfinder des Phonographen
und der elektrischen Glühlampe .
So führen Beharrlichkeit und Ausdauer empor .
Gott hilft dem redlichen Streben und belohnt
eifrige Selbsthilfe mit seinem Segen . „ Jeder
Arbeiter trägt das reichste Kapital in sich selbst .
Das soll er eifrig vermehren und weise anwenden .
Das Kapital besteht in der Jugendzeit , der Jugend-
kraft und dem Jugendverdienst “ , sagt Adolf Kolping .
„ Bedenke , was du heute thust ,
Bedenk ' auch , was du morgen mußt .
Zumeist bedenke , deinem Leben
Durch Arbeit Kern und Halt zu geben .
Ein Leben ohne Arbeit gilt
Nur was ein Nahmen ohne Bild . “
( Weber . )
6. In der Kaserne .
I .
General Spork , der von einem Bauernburschen
zum kaiserlichen Befehlshaber avancirte , rief
voll Begeisterung aus : „ O wie freut mich das
Soldatenleben ! “ Weniger Freude daran hatte ein
Soldat in Bayern . Es wurde ihm beim Exerzieren
jämmerlich schlecht . Daher bat er , austreten zu
dürfen . „ Ach “ , seufzte er dann , „ wenn ich nur
sterben könnte ! “ Der Unteroffizier aber meinte :
„ Ja , das glaub' ich , so den ganzen Tag im Sarg
herumfaulenzen , das thät' ihm gefallen . “
Nicht jeder geht gern in die Kaserne . Es
fällt ihm schwer , zu verlassen Vater und Mutter ,
zu verlassen die Stätte , wo seine Wiege stand , zu
verlassen die Gespielen der Jugend und die Berge
und Thäler seiner Heimat . Aber es muß eben
doch sein . Das Vaterland ruft . Die Obrigkeit
befiehlt . Da ist es am christlichen , jungen
Mann , „ dem Kaiser zu geben , was des Kaisers
ist “ und zwar um Gottes Willen . Bereitwillig
folgt er dem Rufe . Und in der Kaserne ist er
bemüht , folgsam , fleißig und treu zu sein .
Nirgends in der Welt ist der Gehorsam so
streng und pünktlich wie beim Soldaten . Der Ge-
horsam im Kloster ist dagegen Kinderspiel . Aber
der christliche Soldat gehorcht aus Liebe zu Gott ;
er sieht in seinem Vorgesetzten den von Gott ihm
gegebenen Obern . Ganz anders freilich der Un-
gläubige : Er unterwirft sich nur mit heimlicher
Wut , mit stillen Flüchen und Verwünschungen .
Kann sich das Vaterland in der Stunde der Ge-
fahr auf solche Leute verlassen ?
Auch fleißig und treu ist der christliche
Soldat . In der Arbeit sieht er seine Pflicht-
erfüllung , seine Bestimmung , eingedenk des Wortes :
„ Der Mensch ist zur Arbeit geboren , wie der Vogel
zum Fluge . “ Seiner Fahne bleibt er treu , treu
bis in den Tod . So hat er es geschworen , und
den Fahneneid bricht er nicht . „ Dulce et de-
corum est , pro patria mori . “
„ Süß und ruhm-
voll ist's , für's Vaterland zu sterben , “ sagten schon
die alten Römer .
II.
Aber nicht minder treu ist der christ-
liche Soldat auch seinem obersten Herrn ,
dem König aller Könige , von dem alle Ge-
walt der Herrschenden kommt . Darum ver-
gißt er auch im Soldatenrock nicht die Gebote
Gottes und der hl. Kirche . Das Leben in der
Kaserne und in einer vielleicht großen Stadt bringt
dem jungen Manne viele Gefahren , von denen er
früher keine Ahnung hatte . So mancher Jüngling ,
so mancher Bursche vom Lande , der gläubig und
unverdorben das Elternhaus verließ , kehrt heim
aus der Kaserne , krank an der Seele und am Leibe ,
glaubenslos , ein Sklave niedriger Leidenschaften .
Er hat Sünden kennen gelernt , welche die kräftigsten
Männer zu Grunde richten . Darum sei wachsam ,
willst du nicht das gleiche Schicksal teilen . Du
hältst darauf , daß deine Waffen und die Knöpfe an
deinem Rocke blank und
sauber seien . O halte
auch Leib und Seele rein ! Fast in jeder größern
Stadt giebt es „ schlechte Häuser . “ Geh in kein
Haus , aus dem dich nicht Jedermann darf heraus-
gehen sehen . Ein schlechtes Haus ist das Grab
alles Lebensglückes des hoffnungsvollsten Jünglings .
In jeder Kaserne giebt es verdorbene Kameraden ,
baar des Glaubens und der Sitte . Habe keine
Freundschaft mit ihnen und fliehe ihren Umgang .
Mache bei deinen Vorgesetzten Anzeige , wenn die
glaubensfeindlichen und schmutzigen Reden kein
Ende nehmen wollen . Ueberall giebt es leichtfertige
Burschen , die der Unmäßigkeit fröhnen . Gehe
nicht mit ihnen . Zwei drittel der Unglücklichen ,
die jedes Jahr vor dem Kriegsgerichte abgeurteilt
werden , verdanken ihre oft jahrelangen Strafen
der Trunkenheit . Bete jeden Morgen und Abend ;
gehe alle Sonn- und Feiertag in den Gottesdienst ,
wenn immer du kannst ; empfange so oft möglich
die hl. Sakramente der Buße und des Altares .
Denke bei Versuchungen an den allgegenwärtigen
Gott , der jeden Augenblick den Menschen strafen
kann . Fluche nicht . Die türkischen Soldaten sind
Anhänger des Halbmondes ; aber nie hört man
sie fluchen . Hüte dich vor schlechten Schriften .
Trau' keinem Soldaten , der über seine Vorgesetzten
schmäht . Fange keine Bekanntschaft an im Soldaten-
stande . Sei ein Soldat wie Moses , Josua ,
Gideon , David , die makkabäischen Brüder :
sie waren Helden der Tugend und der Tapferkeit
zugleich . Sei ein Soldat wie Sobiesky , der
Polenkönig , welcher nach der Schlacht am Kahlen-
berg vor dem Altare sich niederwarf und Gott dem
Herrn dankte für den Sieg ; wie Turenne , der
am Morgen seines Sieges- und Todestages beichtete
und kommunicierte ; wie Ludwig Gaston de
Sonis , der täglich die hl . Messe anhörte und den
Heiland im Tabernakel besuchte , der wöchentlich die
hl . Kommunion empfing und in voller Uniform
der Fronleichnamsprozession beiwohnte , der wie
selten ein Soldat die Inschrift verdiente , die auf
seinem Grabsteine zu Paris steht : „ Miles Christi “ ,
„ Soldat Christi . “
Vor einigen Jahren wurde ein Priester zu
einem schwerkranken Hauptmann gerufen , der jedoch
von der nahen Todesgefahr keine Ahnung hatte
und darum die hl . Sterbsakramente nicht empfangen
wollte . Da kam dem Geistlichen ein glücklicher
Gedanke . Er trat vor das Bett des Kranken und
sprach in entschiedenem Tone : „ Herr Hauptmann ,
die Kirche befiehlt es . “
„ Ja , wenn es Befehl
ist , “ sagte der Hauptmann , „ dann thue ich es
auch . “ Bereitwillig empfing er jetzt die hl. Sakra-
mente . So mögest auch du , mein lieber Freund ,
die Gebote und Vorschriften des himmlischen und
des irdischen Befehlshabers stets getreulich aus-
führen ! Dann bist du in Wahrheit ein „ Soldat
Christi . “
„ Wie könnt' ich dein vergessen ,
Ich weiß , was du mir bist ,
Wenn auch die Welt ihr Liebstes
Und Bestes bald vergißt .
Ich sing' es hell und ruf' es laut :
Mein Vaterland ist meine Braut .
Wie könnt' ich dein vergessen ,
Ich weiß , was du mir bist .
Wie könnt' ich Gott vergessen ,
Dem denk ' ich alle Zeit ;
Ich bin mit dir verbunden ,
Mit dir in Freud und Leid .
Ich will für dich im Kampfe steh'n ,
Ich will den Weg der Tugend geh'n .
Wie könnt' ich Gott vergessen ,
Dein denk' ich alle Zeit . “
7. Der Wandervogel .
„ O Wandern , Wandern , meine Lust ,
O Wandern !
Herr Meister und Frau Meisterin ,
Laßt mich im Frieden weiter zieh 'n
Und wandern . “
So singt gar manches junge Blut aus voller
Brust und wandert von einer Stadt zur andern ,
von einem Ort zum andern . Nirgends bleibt er
längere Zeit und kommt so weit in der Welt
herum und – leidet oft recht großen Schaden
an Leib und Seele . Warum ?
I .
Schon der Gesundheit ist es wenig zuträglich ,
bald da bald dort zu leben , heute diese , morgen
jene Arbeit zu verrichten . Der stete Wechsel und
die beständige Aufregung und Unruhe wirken
schädlich auf die Nerven und beeinträchtigen das
körperliche Wohlsein .
Wer den Platz häufig wechselt , der wird auch
in seinem Berufe kaum recht tüchtig werden . Ein
solcher Jüngling hat keinen Lehrmeister , der sich
liebevoll und dauernd seiner annimmt und ihn
einführt in all' die Geheimnisse und Kunstgriffe
seines Berufes . Er spielt gleichsam mit dem Leben ,
und wer das thut , sagt der Dichter ,
„ Wer mit dem Leben spielt ,
Kommt nie zurecht ;
Wer sich nicht selbst befiehlt ,
Bleibt immer Knecht . “
Der Wandervogel wird überhaupt fast überall ,
wo er hinkommt , mit Mißtrauen aufgenommen .
„ Wie lange waren Sie am letzten Platze ? “ fragte
der behäbige Metzgermeister in U. einen Metzger-
burschen , der um Stellung bat . „ Drei Monate
und zwei Wochen . “ – „ Und am vorletzten Platze ? “
– „ Ein Vierteljahr . “ – Dann wurden die Zeug-
nisse geprüft . Es stellte sich heraus , daß der Junge
nirgends länger als 4-5 Monate geblieben . „ Ich
bin gewohnt , “ sagte der Meister , „ meine Gesellen
wenigstens ein paar Jahre zu behalten . Bei
Ihrem Wandertriebe müßte ich fürchten , daß Sie
schon nach einigen Wochen wieder davon laufen . “
Endlich können auch die Ersparnisse eines
solchen „ Lustibus “ kaum groß sein . Das Reisen
kostet Geld ; umsonst kann man nicht Eisenbahn
fahren und logieren . Tage und Wochen lang wird
nichts verdient , weil man auf der Wanderschaft
sich befindet . So ist 's kein Wunder , wenn der Geld-
beutel die Schwindsucht bekommt , und Sparscheine
und Sparkassenbüchlein spanische Dörfer sind .
II.
All' das soll doch genügen , den Platz
ohne triftigen Grund nicht zu wechseln . Man
bleibe im allgemeinen möglichst lange an einer
Stelle und tröste sich mit dem alten , aber wahren
Sprüchlein : „ Es ist nirgends vollkommen
unter der Sonne . “ Die glückliche Insel ist
noch nicht gefunden , wo keine Wünsche mehr übrig
bleiben . Aber
„ Dein wahres Glück , o Menschenkind ,
O glaube doch mit nichten ,
Daß es erfüllte Wünsche sind ,
Es sind erfüllte Pflichten . “
( Weber . )
Thue redlich nur das Deine . Suche nach
bestem Wissen den Willen der Vorgesetzten zu be-
friedigen , und daneben lasse dir den guten Humor
nicht verderben . Jedes Ding hat zwei Seiten .
Betrachte alles von der besseren Seite . „ Ein
frohes Herz ist des Menschen Leben , und die
Freude macht ihn alt “ ( Sir. 30 , 22 ) , sagt der
hl. Geist .
„ Ich bin dein Gott ! Was willst du mehr ?
Faß guten Mut , nichts sei dir schwer .
Denn wer mein göttlich Herz besitzt ,
Hat alles , was ihm ewig nützt .
Die Welt vergeht , es flieht die Zeit ,
Die Menschenkinder sind auf heut' ,
Und alles nimmt dir einst der Tod ,
Nur eins dir bleibt , nur ich , dein Gott . “
( C. Wöhler . )
Damit meinen wir freilich nicht , ein junger
Mann müsse immer auf demselben Fleck sitzen
bleiben , unbeweglich und starr wie eine Statue .
O nein , er soll auch die Welt sich ansehen und
seine Kenntnisse erweitern . Nur darf der Jüng-
ling nicht planlos umherirren , ohne Ziel und
Zweck , ohne bestimmte Aussicht auf Arbeit und
Anstellung . Namentlich möchten wir junge Leute
warnen , aufs geratewohl in ferne Länder und
große Städte zu gehen . Noch jüngst veröffentlichte
die vortreffliche Monatschrift für Jünglinge , „ Die
Zukunft “ ( Einsiedeln 2. Jahrg. 4. Heft ) folgen-
den Brief :
Portugas , 20. Oktober 1900 .
Lieber Vater !
Damit Ihr nicht glaubt , daß ich Euch etwa
vergessen habe , will ich Euch etwas schreiben . Es
ist zwar nicht viel , das ich zu schreiben habe , was
Euer gutes Vaterherz erfreuen könnte , als daß ich
gesund und guter Dinge bin , und daß ich im
Sinne habe , wieder zu den schönen Schweizerbergen
heimzukehren .
Seitdem ich in Amerika bin , hat sich viel ge-
ändert in mir . Ich habe das Leben kennen gelernt
von allen Seiten , wie man es bei Euch in Euren
heimatlichen Bergen nicht findet . Dort wohnt die
Ehrlichkeit , die Liebe und das Vertrauen , und
hier ? Hier hauset gemeine Selbstsucht , mit Schlechtig-
keit gepaart ; hier hat die Sucht nach Geld und
daneben das Laster ihr Zelt aufgeschlagen . Darum
wehe der Jugend , deren Wille nicht stark genug
ist , sich durchzukämpfen durch den Sturm der Ver-
suchungen .
Die Ehrlichkeit und das Wohlwollen ist hier
wohl auch zu finden , aber sie sind sehr dünn
gesäet unter den Millionen von Mißgeburten . Lieber
Vater ! Ich habe Glück in dieser Beziehung gehabt .
Ich fand Leute , deren Herz noch nicht verdorben
und vergiftet ist , die mich gehalten fast wie ihr
eigen Kind , und denen habe ich es zu verdanken ,
daß ich noch gläubig und gut bin ; denn ohne
Anhalt bei solchen Leuten ist einer meistens
ein verlorener Mensch , wenn er noch
ledig ist .
Ich kenne an die hunderte von solchen , welche
jung ins Land kamen . Sie fielen in schlechte
Kameradschaft , und wenn sie ein schönes Geld
verdient hatten , gingen sie in die Städte und
verjubelten ihr Geld bis zum letzten Heller . Nach-
her auf die Straße gesetzt , mußten sie wieder der
Arbeit nach . Aber sie arbeiten nur so lange , bis
sie wieder einige Thaler ihr eigen nennen . Dann
geht das liederliche Leben wieder von vornen an ,
und so treiben sie es einige Jahre , bis sie , an Leib
und Seele ruiniert , als Trunkenbolde durch die
Straßen laufen und betteln . Zur Arbeit taugen
sie nichts mehr , und kein Mensch bekümmert sich
um sie , wenn sie kein Geld mehr haben . Und so
geht's , bis sie eines Tages auf der Straße tot
aufgelesen und wie die Hunde vergraben werden .
Und das sind vielfach Söhne aus guten Familien
Europas . Die Angehörigen lassen durch die
Zeitungen nach ihnen suchen ; aber ausfindig ge-
macht werden sie meistens nicht , und so werden sie
endlich in den Zeitungen als verschollen erklärt .
Das ist das Ende von vielen Auswanderern ,
welche mit der Hoffnung auf besseres Glück die
Stätte ihrer Väter verlassen und dann untergehen
im Sturme des Lebens .
Lieber Vater ! Es ist dies nur ein Auszug
von den vielen Gefahren , die einen jungen Aus-
wanderer treffen . Nun lebt wohl . Auf Wiedersehen
in unseren schönen Schweizerbergen ! Es grüßt
Euch tausendfach
Euer dankbarer Sohn
G. H.
Es giebt eine ganze Zunft von Industrie-
rittern und Gaunern , welche es sich zum Geschäft
machen , den Auswanderer schon unterwegs rein
auszuplündern . Sie nähern sich ihm mit erheuchelter
Freundlichkeit , verleiten ihn zum Spiele und suchen
seine ganze Habe zu erhaschen . Diese Betrügereien
beginnen meist in Ludwigshafen , besonders aber
in Köln , Aachen und Düsseldorf . Hat der Aus-
wanderer in der Hafenstadt noch Barschaft , so
wissen ihn die Gauner in verrufene Häuser zu
schleppen , wo er in der Regel den letzten Pfennig
opfern muß .
Darum lasse man sich doch niemals
mit fremden , unbekannten Personen ein ,
ganz besonders nicht mit solchen , welche
sich als „ Amerikaner “ ausgeben und in
der Regel gerade dort ansäßig sein wollen ,
wohin der Auswanderer begehrt . Wer nun
einmal nach Amerika gehen will , der wende sich
an den St. Raphael-Verein , gegründet im
Jahre 1868 , zum Schutze deutscher Auswanderer .
Er hat in den europäischen Einschiffungshäfen und
in den überseeischen Landungsplätzen von ihm be-
zahlte , selbständige , zuverlässige Vertrauens-
männer aufgestellt . Diese empfangen die Aus-
wanderer bei ihrer Ankunft auf dem Bahnhofe ,
geleiten sie in solide , unter seiner Aussicht stehende
Logierhäuser , überwachen ihre Einkäufe , vermitteln
ihnen die Umwechslung des Geldes , führen sie
zum Gottesdienst und geleiten sie an Bord des
Schiffes . Das alles thun die Vertrauensmänner
des St. Raphael-Vereins unentgeltlich . In
New York hat der Verein sogar ein eigenes Haus ,
das Leo-Haus , in welchem die Auswanderer
alle nur wünschbaren Dienste und Auskünfte er-
halten . Sogar die Billets ( Tikets ) werden dort
den Reisenden von allen Teilen Amerikas nach
jedem Teile Europas und umgekehrt zu den
billigsten Preisen vermittelt , und die Gelder ver-
wahrt . Im Jahre 1893 , so berichtete der Ver-
trauensmann in New York , Rev. Nieuwenhuis , wurden
im Leo-Haus über 50000 Mk. in Empfang genommen
und ausbezahlt . Trotzdem lesen wir immer noch die un-
glaublichsten Geschichten , wie Auswanderer durch
Schwindler all' ihr Geld verlieren . Also verschaffe
man sich vor der Abreise eine Empfehlungs-
karte des St. Raphael-Vereins , sende sein
Geld ans Leo-Haus ( bei größeren Betragen
durch Wechsel ) , wo man es bei der Ankunft
erheben kann , lasse auch das Billet dort
besorgen und wende sich an den Hafen-
plätzen immer nur an die Vertrauens-
männer des Vereines . Jeder Priester oder
auch die Redaktion der „ Nothburga “ in Donau-
wörth besorgt gerne Empfehlungskarten . Das
Patronat für Auswanderer , das der Schweizerische
Katholikenverein errichtet hat , steht mit dem Raphael-
Vereine in Verbindung .
Doch ist es trotz dieser Vorsicht immer noch sehr
gewagt , besonders ohne bestimmte Aussicht auf
Anstellung , nach Amerika oder in andere Länder
zu gehen . Es hat ja in Amerika noch Platz für
Millionen , die auf dem Lande arbeiten wollen ;
auch Metzger und Bäcker finden oft guten Ver-
dienst . Gleichwohl soll nur jener aus-
wandern , der im fremden Lande Verwandte
oder Bekannte , gute , zuverlässige Freunde
hat , die seiner sich annehmen und ihm
Arbeit und Verdienst in sichere Aussicht
stellen . Nie , gar nie vertraue ein Jüng-
ling unbekannten Personen sich an . So
kamen gerade jüngst wieder viele junge Männer
um ihr Geld , die von einer Schwindelfirma „ H.
Goldstein u. Co. “ nach London sich anwerben
ließen , wo ihnen sehr gut bezahlte Anstellungen in
Kaufmannshäusern versprochen wurden . Wer nicht
will betrogen werden , der kann gar nicht vor-
sichtig genug sein ; und wer eine gute Stelle hat ,
der soll sie nicht so schnell verlassen . Lieber einen
Vogel in der Hand , als zehn auf dem Dache , sagt
das Sprüchwort .
III .
Aber meine Arbeit ist auch gar so
hart ; vom frühen Morgen bis zum späten
Abend muß ich mich plagen , sagst du . Da
ruft dir die Dichterin Cordula Peregrina zu , dich
hinweisend auf Jesus , dein schönstes Vorbild :
„ Ist hart dein Loos , gering dein Stand ,
Die Stirn voll Schweiß , und schwer die Hand ,
Mußt du dich müh 'n in mancher Not
Tag aus Tag ein ums liebe Brot :
Dann , liebes Herz , blick' hin auf mich ,
Wie arm ich ward und nur für dich ;
Wie hab' als zartes Kind ich schon
Mich abgemüht um kargen Lohn !
War Arbeit doch mein täglich Loos ,
Ich ward in Josephs Werkstatt groß ,
Doch wenn der Schweiß vom Antlitz rann ,
So schwang das Herz sich himmelan .
Dort ruhte es beim Vater mein ,
Ihm dürft' ja jedes Werk ich weih'n .
O mach's , wie ich ! – Das schwerste Loos ,
Wie leicht dann wird's , der Lohn wie groß ! “
Man muß oft staunen , wie der Arbeiter so
viel aushält und bei allen Schädlichkeiten , welchen
er ausgesetzt ist , dennoch gesund bleibt . Das ist
der Segen der Arbeit . Der zurückgeschlagene
Schweiß , eine etwas schwer verdauliche Speise ,
eine kleine Erkältung , wodurch der gnädige Herr
wochenlang an das Krankenlager gefesselt wird ,
bringt dem Arbeiter nicht das geringste Unbehagen .
Die kräftigen Muskeln bewirken bei der Arbeit
eine Umwandlung und Ausscheidung der im Körper
angehäuften schädlichen Stoffe , so daß Krankheiten
verhindert werden .
Aber die Gesellschaft ist so unange-
nehm als möglich . Da soll auskommen
mit diesen Leuten , wer will . Ob 's nicht an
einem anderen Orte noch ärger ist ? Es kostet ja
oft große Selbstüberwindung , mit seiner Umgebung
im Frieden zu leben .
„ Sich selbst bekämpfen , ist der schwerste Krieg ,
Sich selbst besiegen , ist der schönste Sieg . “
Wer längere Zeit in recht widrigen Verhält-
nissen gelebt hat , kann nicht bloß größere Ver-
dienste für den Himmel erwerben , sondern auch in
der Tugend ganz bedeutende Fortschritte machen .
Als Ignatius von Loyola , der Stifter des Jesuiten-
ordens , am Sterben lag , sprach er zu seinen
Söhnen : „ Ich will beten im Himmel , auf daß ihr
stets verfolgt werdet . “ Ein schönes Vermächtnis ,
möchte mancher denken . Es erfüllte sich . Niemand
ist mehr gehaßt und verfolgt als die Jesuiten . Der
Orden gleicht einem Nußbaum : je mehr Früchte
er trägt , desto wilder schlagen böse Buben mit
Prügeln auf ihn los . Um so herrlicher und größer
find daher die Verdienste der „ Gesellschaft Jesu . “
So möge auch jeder Jüngling in Widerwärtig-
keiten drin singen das schöne Lied :
„ Giebst , Herr , du mir Leiden ,
Gern nehm' ich sie all ,
Die himmlischen Freuden
Erwarten mich dann .
Nur her mit dem Kreuze
Mit Nagel und Kron ' ;
Ein ewiger Himmel
Wird droben mein Lohn
Wenn ich nur sicher
Den Himmel gewinn' ,
Nehm' gern alles Widrige
Als Kaufpreis ich hin . “
Ich muß zwar an diesem Platze nicht
g'rad Hunger leiden , aber doch mit recht
einfacher Kost mich begnügen . Der reichste
Mann der Welt ist John Rockefeller in Amerika .
Er hat mehr Vermögen als die Kaiser von Ruß-
land und Oesterreich und noch ein halbes Dutzend
Fürsten zusammen . Nun dieser Mann wird ge-
wiß auch gut essen und trinken ? Auf seinem Tische
dürfen wohl nur die köstlichsten und ausgesuchtesten
Gerichte erscheinen ? Weit gefehlt ! Die Nahrung
des reichsten Mannes der Welt ist einfacher als
die des ärmsten Gesellen : er kann nichts ge-
nießen als Milch und Brot . Andere Speisen
verträgt sein kranker Magen nicht . Das Einkommen
dieses Milliardärs beträgt täglich über 400000 M. ,
und seine tägliche Mahlzeit bilden ein wenig Milch
und ein Stücklein Brot ! Willst du nicht zufrieden
sein mit deinem einfachen Tische ? –
„ Hättest du Roß und Wagen ,
Dazu einen gold'nen Kragen ,
Viele Diener um dich her ,
Geld soviel als Sand im Meer :
Müßtest du aber Schmerzen leiden ,
Würde niemand dich beneiden . “
König Ludwig XI. von Frankreich ging ein-
mal auf einem seiner Lustschlösser abends in die
Küche und fand daselbst einen Knaben von 14 bis
15 Jahren , welcher den Bratspieß drehte . Der
König fragte ihn : „ Wo bist Du her ? Wie heißest
Du ? Wie viel verdienst Du hier ? “ – „ Ich bin
von Berry , heiße Stephan , bin Küchenjunge und
verdiene so viel als der König . “ – „ Wie viel
verdient denn der König ? “ fragte Ludwig . „ So viel ,
als erbraucht ; und ich verdiene auch so viel ,
als ich brauche “ , antwortete Stephan . Das gefiel
dem König , und der Küchenjunge wurde zum
Kammerdiener ernannt .
Ich bin jetzt schon über vier Jahre da ,
und es ist wirklich nicht mehr zum Aus-
halten . Der Meister wird immer wunder-
licher mit dem Alter , und Lohn zahlt er
auch nicht viel . Ich habe schon lange ge-
betet um einen anderen Platz , aber bisher
nichts gefunden . Gott wird mich nicht
etwa auch noch vergessen ? Nein , aber deine
Geduld will er ein wenig auf die Probe stellen .
„ Sei fleißig , fromm und hoffnungsfroh
Und warte still :
Der liebe Gott giebt , wann und wo
Und was er will . “
( Weber . )
„ Der gute Gott “ , sagt der launige Wiener
Hofprediger Abraham a Sancta Clara , „ ist mit
seiner Hilfe nicht allezeit von Eilenburg , sondern
oft wohl von Wartenberg . Darum müssen
wir in unseren Gebeten Fürsten von Anhalt
sein . Wenn uns die Vorsehung über Kreuznach ,
Bitterfeld und Dornburg führt , müssen wir
uns nicht aus dem Felde schlagen lassen , sondern
den Blick glaubensvoll nach Freudenberg wenden ,
wohin wir aber nicht gelangen werden , wenn wir
uns aufhalten in Lustenau und Lauheim . “ –
Ich habe einmal ein Wirtshaus getroffen , da
stund auf dem Schilde : „ Hotel duck ' dich ! “
Ducke dich und harre aus ! Bleibe möglichst lange
auf einer Stelle . Wechsle nicht , bis du sicher bist ,
wirklich etwas Besseres zu erhalten . Sonst könntest
du vom Regen unter die Traufe kommen .
IV.
Nur in drei Fällen muß man wechseln .
Wenn ein junger Mann auf dem betreffen-
den Posten auch gar nichts lernen kann ,
dann suche er sich einen anderen . Der Jüng-
ling muß vorwärts streben , er muß in seinem Be-
rufe sich mehr und mehr vervollkommnen , er muß
sich ganz tüchtig zu machen suchen . Nur dann
wird er es zu etwas bringen . Die Konkurrenz
ist ja riesig groß auf allen Gebieten ; nur Tüchtig-
keit und unermüdlicher Fleiß behaupten den Platz .
Du darfst auch nicht bleiben , wenn du
an Sonn- und Feiertagen deine religiösen
Pflichten nicht erfüllen kannst . Jeder Arbeiter
soll darauf bestehen , daß er an Sonn- und Feier-
tagen der hl . Messe beiwohnen und die Predigt
oder Christenlehre anhören darf . Was soll den
armen und geplagten Gesellen aufrecht erhalten ,
wenn er nicht in der hl . Messe Opfersinn und
Opferkraft schöpfen , wenn er nicht durch den Genuß
des himmlischen Brotes sich stärken , wenn er nicht
im Worte Gottes stets neue Aufmunterung und
neuen Ansporn zur treuen Pflichterfüllung finden
kann ? Je gewissenhafter der Jüngling in Erfüll-
ung seiner Pflichten gegen Gott , desto treuer und
eifriger wird er auch im Dienste der Menschen sein .
Darum liegt es im hohen Interesse der Vorgesetzten ,
daß die Untergebenen beten und in die Kirche
gehen und die hl. Sakramente empfangen .
Kein junger Mensch bleibe also auf einem
Platze , wo er nicht als Katholik leben und den
Sonntag heilig halten kann . Wie dein Sonn-
tag , so dein Sterbetag . Ist der Sonntag ein
Tag der Ruhe , so wird dein Sterbetag der Ein-
gang zur ewigen Ruhe sein ; ist der Sonntag der
Tag des Herrn , geweiht dem Dienste Gottes , so
wird dein Sterbetag der Beginn der ewigen Herr-
lichkeit sein .
Endlich muß jeder den Ort verlassen ,
wo Glaube und Unschuld bedroht sind .
„ Wenn dich dein Auge ärgert , “ sagt der hl. Geist ,
„ so reiß es aus , “ d. h. wenn dir etwas so lieb
wie dein Auge , es ist dir aber eine nächste Ge-
legenheit zur Sünde , dann mußt du fliehen .
Sonst ist der Verlust des Glaubens und der Un-
schuld gewiß . Nun giebt es aber Bureaus , Werk-
stätten und Fabriklokale , wo glaubenslose oder
sozialdemokratische Arbeiter ihren Mitarbeitern ein-
fach keine Ruhe lassen , bis sie ihren Vereinen bei-
treten , ihre Schriften lesen und so den Glauben
verlieren . Oder es giebt Häuser und Arbeitsstätten ,
wo Verführerinnen ihre arglistigen Netze spinnen ,
oder Verführer ihr Unwesen treiben , wo den ganzen
Tag nichts als Zoten und unsittliche Spässe gehört
werden , und keine Mahnung und Warnung und
keine Anzeige beim Prinzipal etwas fruchtet . Da
bleibt nichts anderes übrig als die Flucht .
Denn „ wer die Gefahr liebt , kommt darin um . “
Das haben leider schon tausend und tausend Jüng-
linge erfahren : sie haben Glaube und Unschuld
verloren , weil sie den Ort der Gefahr nicht ver-
ließen . Darum fort von einem solchen Platze , und
wär' der Lohn auch noch so groß , die Stellung
noch so schön und angenehm . „ Was hast du davon ,
wenn du die ganze Welt gewinnst , an deiner Seele
aber Schaden leidest ? “
„ Ein Jüngling von 19
Jahren , dessen Herz noch rein , ist der
liebenswürdigste Mensch von der Welt , “
sagt Rousseau , der Gottesleugner .
„ Wahr ' deiner Unschuld Blütenschmuck ,
Du liebes , frommes , junges Blut !
Einmal verloren , nimmermehr
Wir dir beschert dies Himmelsgut .
Drum trachte , daß dein Herze heiß
Der schönsten Tugend schlägt und glüht , –
Ein Eiland , ewigen Lenzes froh ,
Wo Gottes Frieden still erblüht .
An deiner Seite weilt getreu
Ein guter Engel Tag und Nacht ;
Drum , was du thust , o denk daran ,
Daß er , der Reine , bei dir wacht !
O hüte Ohr und Auge wohl ,
Rasch bringt zum Fall der böse Feind .
O Gott , wie mocht' es nur gescheh'n ? –
Der Engel aber geht und weint .
Wahr' deiner Unschuld Blütenschmuck ,
Du liebes , frommes , junges Blut !
Einmal verloren , nimmermehr
Wird dir beschert dies Himmelsgut . “
Sei kein Wandervogel ! Ziehe nicht unstät
und ruhelos umher ! Mußt du wechseln , so laß
dich erst nieder , wenn du wahrhaft gut versorgt bist
Ueberall aber , wo immer du weilst , halte dir den
„ Raphael , “ eine ganz vortreffliche Zeitschrift für
junge Leute . ( Preis halbjährlich 1 M. 25 Pfg. )
Jede Buchhandlung kann sie dir besorgen . Dazu
abonniere eine katholische Arbeiterzeitung , welche dir
Aufschluß giebt über das Leben und Treiben in
der Arbeiterwelt , über neue Erfindungen und Ent-
deckungen , über Unfall- und Krankenversicherung ,
Alters- und Sterbelassen ꝛc .
Ferner trete einem katholischen Vereine bei ,
dem Gesellen – , Arbeiter - oder Kaufmanns-
Vereine . Da wird man dir sagen , welche Fach-
schulen und Genossenschaften dir nützen können .
Da triffst du brave Kameraden ; die Versammlungen
sind eine Quelle der Erbauung , Belehrung und
Unterhaltung ; am geistlichen Vorstande des Ver-
eins hast du einen wohlmeinenden und meist er-
fahrenen Führer und Ratgeber . Wehe dem , der
allein steht ! Er wird entweder ein Sauertopf und
Griesgram , oder er geht unter im Strudel der
Welt . Nur im Anschluß an gleichgesinnt Freunde ,
im Verkehr mit braven Genossen , unter der
Leitung eines tüchtigen Führers gelingt es dem
Jüngling , die Unschuld und damit Frohsinn und
Heiterkeit zu bewahren .
„ Die Unschuld bringt Freude und fröhlichen Sinn ,
Sie führt dich am schönsten durchs Leben dahin ,
Sie ziert dich viel besser als Silber und Gold ,
Und macht dich gleich Engeln gar lieblich und hold .
Froh ist wohl das Täubchen auf ländlichem Dach ,
Froh hüpfet das Lämmlein im Grünen am Bach ,
Doch froher noch schlägt ein schuldloses Herz ,
Es weiß nichts von Reue , von Unruh' und Schmerz .
Ihm glänzet die Sonne noch einmal so klar ,
Und gold'ner der Sterne hellfunkelnde Schar ;
Die herrliche Rose ihm freundlicher lacht ,
Und schöner der blauen Vergißmeinnicht Pracht .
Einst führet ein Engel an gütiger Hand
Dich freundlich hinüber ins bessere Land ,
Wo dann dich umstrahlet ein goldener Glanz ,
Und schmücket die Stirne ein Lilienkranz . “
8. Der sicherste Geleitschein .
So manchem Jüngling geht es recht schlecht in
der Welt draußen . Er jammert und klagt
und sucht den Grund allüberall , nur nicht bei sich
selbst . Er vergißt darauf , den einzig sichern Ge-
leitschein mit auf die Reise zu nehmen : Tüchtigkeit ,
Bescheidenheit , Ehrlichkeit und Frömmig-
keit .
I .
Als ein Geldmensch den berühmten Vernet
bat , ihm eine Kleinigkeit ins Album zu zeichnen ,
erfüllte der Maler diesen Wunsch und verlangte
dafür 1000 Fr . „ Aber Sie brauchten ja nur 5
Minuten zum Zeichnen “ , sagte der erschrockene
Geizhals . „ Gewiß , “ erwiderte Vernet , „ aber
ich brauchte 30 Jahre , um die Zeichnung
in 5 Minuten fertig bringen zu können . “
Michel Angelo arbeitete an einer Statue . Da
trat ein Freund ins Atelier und sah dem Meister
eine gute Weile zu . Nach einiger Zeit kam der
gleiche Freund wieder . Er war ganz erstaunt , den
Künstler immer noch an derselben Arbeit zu finden .
„ Sie haben wohl seit meinem letzten Besuche nichts
an der Statue gemacht ? “ fragte er . „ Da irren
Sie , “ entgegnete der Meister . „ Ich habe diesen
Teil geglättet , hier etwas weggenommen , jenem Zuge
mehr Weichheit gegeben , diese Lippe ausdrucksvoller
gemacht und jene Muskel besser hervortreten lassen . “
„ Ganz gut , “ bemerkte der Besucher , „ aber das sind
doch nur Kleinigkeiten . “
„ Mag sein , “ erwiderte
Michel Angelo ; „ aber vergessen Sie nicht , daß die
Kleinigkeiten die Vollkommenheit aus-
machen , und daß die Vollkommenheit keine
Kleinigkeit ist . “
So ist es in allen Dingen . Nur wer das
Kleine nicht gering schätzt , wer exakt und pünktlich
arbeitet , wer unermüdlich sich fortbildet in seinem
Berufe , der bringt es zur Tüchtigkeit , zur Voll-
kommenheit , und nur wer tüchtig ist , macht seinen
Weg durch die Welt .
„ Rastlos vorwärts mußt du streben ,
Nie ermüdet stille steh'n ,
Willst du die Vollendung seh 'n . “
( Schiller. )
Die meisten müssen es sich selbst zuschreiben ,
wenn sie wochen- und monatelang keine Arbeit und
Stellung finden , wenn sie nach kurzer Zeit wieder
entlassen werden : es fehlt ihnen an Tüchtig-
keit . Und sie sind nicht tüchtig , weil sie
keinen rechten Fleiß , keinen Eifer , keine
Ausdauer besitzen .
„ Beschäftigung ist manchem lieb und wert ,
Gemächlich will er dies und das verrichten .
Das Tasten und das Tappen frommt mit nichten ,
Nur saure Arbeit ist's , die ehrt und nährt . “
( Weber. )
II .
Aber auch Bescheidenheit muß dazu kommen .
Sie ist eine Frucht der Demut . Wer da weiß ,
daß er nichts von sich selber hat als die Sünde ,
daß alles Gute ein Geschenk Gottes ist , daß er jeden
Augenblick ganz und gar von Gott abhängt , sollte
der nicht demütig sein ? Und wer wahrhaft de-
mütig ist , der wird auch gegen seine Mitmenschen
Bescheidenheit und Höflichkeit üben : er wird nicht
gleich auffahren bei jedem unüberlegten Wort ; er
wird eine Mahnung oder Belehrung willig an-
nehmen ; er wird jedermann , insbesondere den Vor-
gesetzten , artig und zuvorkommend begegnen , be-
scheiden mit dem letzten Platze sich begnügen .
„ Der Stolz begehrt und trotzt und bäumt sich auf ;
Ergebung schweigt und neigt sich und verzichtet .
Der Mensch ist ruhelos , so lang er heischt ,
Doch die Entsagung macht ihn still und stark . “
( Weber. )
Man erkennt den bescheidenen Jüngling gleich
schon an seinem Auftreten und seiner Kleidung .
Sauber und rein , einfach und geschmackvoll ist sein
Gewand , sittig und eingezogen sein Gang und
seine Haltung . Er übt , ohne es zu wollen , einen
eigentümlichen Zauber auf jedermann aus und
weckt sofort Vertrauen . Stolze Menschen hingegen
hat niemand gern . Ihr hochfahrendes und eitles
Wesen stößt überall ab ; sie bilden sich ein , alles
besser zu wissen und zu verstehen , als die übrige
Welt , und machen infolgedessen gar oft arge Miß-
griffe oder ganz verfehlte Spekulationen . So trägt
der Stolze meist die Strafe in sich selbst . Er ver-
liert aber auch das Wohlgefallen Gottes . „ Dem
Demütigen giebt der Herr seine Gnade , den Stolzen
verwirft er . “
III .
Mit der Bescheidenheit sei strenge Redlich-
keit gepaart .
„ Ueb ' immer Treu und Redlichkeit
Bis an dein kühles Grab ,
Und welche keinen Finger breit
Von Gottes Wegen ab .
Dann wirst du , wie auf grünen Au 'n ,
Durchs Pilgerleben geh'n ,
Dann kannst du sonder Furcht und Grau'n
Dem Tod ins Antlitz seh'n .
Dann wird die Sichel und der Pflug
Dir in der Hand so leicht ;
Dann singest du beim Wasserkrug ,
Als wär' dir Wein gereicht .
Drum übe Treu und Redlichkeit
Bis an dein kühles Grab ,
Und weiche keinen Finger breit
Von Gottes Wegen ab . “
Wie schön und wahr sind die Worte des
Dichters ! Wie mancher Jüngling mußte eine kleine
Unehrlichkeit oder Unredlichkeit schwer büßen : er
hat das Vertrauen seiner Vorgesetzten verloren ;
er hat ein schlechtes oder gar kein Zeugnis erhalten ;
er hat Ehre und guten Namen für immer verwirkt
und sein Glück verscherzt . Drum sei offen und
grad , ehrlich und rechtschaffen ! Sage gleich auf-
richtig , was du nicht kannst ; prahle nicht und über-
treibe nichts , sonst treffen dich nachher bittere Vor-
würfe . Lasse jeden Heller liegen , der nicht dir ge-
hört ; eigne gar nichts dir an von fremdem Gute .
Es ist auch nicht recht , die kostbare Zeit zu ver-
tändeln , aus Mangel an Fleiß und Pünktlichkeit
den Meister in Schaden zu bringen .
„ Besser ein wenig mit Gerechtigkeit als viel
mit Unrecht “ , sagt der hl. Geist . Unschuld und
Frömmigkeit , Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit , –
das ist der wahre und größte Reichtum des Jüng-
lings . Dieser macht ihn angesehen bei Gott und
den Menschen .
Zu dem Kaufmann eines oberbayerischen
Dorfes kam im Dezember 1899 ein junger Mensch ,
der Stellung in einem Geschäfte suchte . Er hatte
gute Zeugnisse . Aber der Kaufmann war schon
versehen mit Leuten . Weil der Ueberzieher des
Jungen schon sehr abgetragen aussah , so erhielt
er als Geschenk einen besseren . Anderen Tages
erschien der Handelsbeflissene wieder im Geschäfte
und überreichte dem erstaunten Kaufmann 50 Mk.
in Papier : das sei noch in der Rocktasche gewesen .
Der ehrliche Bursche bekam 10 Mk. Belohnung
und wurde sofort angestellt im Hause .
Jean Laserre , gebürtig aus den Unter-Pyrenäen ,
hatte in Paris als Küchengehülfe gedient . Da
verlor er seine Stelle . Eine andere fand sich
nicht . Die letzten ersparten Centimes waren ver-
braucht . Er war so arm , daß er von den in den
Schutthaufen aufgefundenen Brotkrusten leben
mußte . Eines Abends , im Mai 1896 , ging der
Junge über den Pont-Neuf . Da sah er ein Brief-
Couvert am Boden liegen , hob es auf und fand
darin 1250 Frk. in Banknoten . Am folgenden
Morgen trug er das Geld zum Polizeikommissär .
Dieser fuhr ihn an , warum er das Geld nicht
schon gestern gebracht ? Der Jüngling antwortete :
„ Ich mußte eilen ins Nachtasyl , damit ich
nicht zu spät kam ; denn ich besaß keinen
Sou fürs Schlafgeld . “
Der Eigentümer des Geldes hatte sich bereits
gemeldet . Er schenkte dem redlichen Finder 250 Fr.
und sorgte dafür , daß der brave Jüngling in einer
der besten Familien in Paris als Koch in Dienst kam .
Ein junger Kaufmann aus Berlin hatte eine
dreijährige Gefängnisstrafe abgebüßt . Bei der Ent-
lassung sprach der Anstaltsgeistliche zu ihm :
„ Bleiben Sie in Zukunft streng bei der Wahrheit ! “
„ Wenn ich aber wahrheitsgemäß erzähle , daß ich
wegen Betruges drei Jahre im Gefängnisse saß ,
dann werde ich nirgends eine Stelle erhalten , “
meinte der Kaufmann . Der alte , erfahrene Priester
sprach : „ Befolgen Sie nur meinen Rat ; es wird
Sie nicht gereuen . “ Der Sträfling versprach , fortan
stets die Wahrheit zu sagen .
Er begab sich in ein großes Geschäftshaus in
Berlin und bat um Anstellung . „ Wo waren Sie
in der letzten Zeit ? “ fragte der Kaufherr . „ In
der Strafanstalt “ , lautete die Antwort . „ Wie können
Sie mir das sagen ? Es ist doch klar , daß ich
Sie unter solchen Umständen nicht beschäftigen
kann ! “ Der Bittsteller erwiderte : „ Der Gefäng-
nisgeistliche hat mir beim Abschied geraten , immer
die Wahrheit zu sagen , und ich habe es ihm ver-
sprochen . “ Da sprach der Großkaufmann : „ Weil
Sie so offen und ehrlich alles bekennen , so darf
ich wohl hoffen , daß Sie auch im Geschäfte redlich
und treu arbeiten werden . Sie können bei mir
bleiben . “ –
Sei ehrlich und rechtschaffen . Dann wird
Gott dich segnen , daß du etwas ersparen und deine
armen Eltern zu Hause unterstützen kannst . Ist
dies nicht notwendig , so lege dein Geld in die
Sparkasse . „ Spare in der Zeit , so hast du in
der Not . “ Ungerecht Gut hingegen thut niemals
gut ; und wer einmal durch eine kleine Ver-
untreuung das Vertrauen eingebüßt , wird es kaum
wieder gewinnen .
„ Geh ' treu und redlich durch die Welt ,
Das ist das beste Reisegeld . “
IV.
Alle diese Tugenden , Ehrlichkeit und
Rechtschaffenheit , Bescheidenheit und Fleiß ,
sie können nur gedeihen auf dem Boden
eines lebendigen Glaubens und ächter ,
tiefer Religiosität . „ Im Glauben , “ sagt darum
der Dichter ,
„ Im Glauben liegt das ew'ge Heil ,
Er sei und bleibe stets dein Teil !
Wenn dich die ganze Welt verläßt ,
Halt' nur an deinem Glauben fest .
Der Glaube sei dein Helm , dein Schild ,
Der Speer , der deine Rechte füllt ,
Dein Panzer , dem zweischneidig Schwert ,
In jedem Kampfe siegbewährt . “
( J. B. Berger . )
Lebendiger Glaube und wahre Frömmigkeit
sind der mächtigste Schutzwall vor Verführung ,
der sicherste Halt in den Versuchungen und Leiden
des Lebens , der einzig fruchtbare Boden der
Tugend . „ Mit Gott “ , sagt Adolf Kolping , der
Gesellenvater , „ mit Gott kommt man am aller-
weitesten und geht auch den sichersten Weg : das
ist eine alte Erfahrung , die sich in unserer Zeit
immer wieder aufs neue bestätiget . Wer ohne
Gott fortschreitet , läuft in die Irre und stürzt
schließlich in Abgründe . Wer ohne Gott weise
sein will , ist ein Narr , und wer meint , man
könne sich auf irgend etwas verlassen in der Welt ,
auch wenn es sich nicht auf Gott und Gottesfurcht
stützt , der ist betrogen und wird betrogen . “
Darum bewahre als dein kostbarstes Gut den
hl . Glauben und meide alles , was ihn zerstören
oder schwächen kann : Schlechte Schriften und
schlechte Gesellschaften , Mischehen und
religiöse Grübeleien , den Stolz und die
Unkeuschheit . Soeben erschien ein Schriftchen :
„ Was liest der deutsche Arbeiter ? “ Es ist ganz
entsetzlich , was für Bücher und Büchlein in den
Händen unserer Arbeiter sich befinden und von
ihnen gelesen werden . Da muß man sich nicht
Wundern , wenn zahllose Jünglinge um Glauben
und Unschuld kommen . Fort mit allen schlechten
Schriften ! Nehme nur anerkannt gute Bücher zur
Hand ! Lese auch Bücher , die über den hl . Glauben
handeln und die Einwürfe gegen denselben wider-
legen . Höre fleißig die hl . Messe und das Wort
Gottes an ; empfange oft und würdig die hl . Sakra-
mente und bete alle Tage , – so wird Gott mit dir
sein und dich hüten und schützen auf allen deinen
Wegen .
„ Frei ist der Jüngling , der mit Mut
Schon früh nach Weisheit strebt ,
Der freudig steht in Gottes Hut ,
Dem in dem Herzen hl . Glut
Für Recht und Wahrheit lebt ,
Der sich vor keinen : Weibe beugt ,
Der nimmer schmeichelnd lügt ,
Sein Haupt allein vor Gott verneigt ,
Dem frechen Spott die Klinge zeigt ,
Vom Schicksal unbesiegt . “
(Edm . Behringer . )
Tüchtigkeit und Bescheidenheit , Ehrlichkeit und
Frömmigkeit , – das ist der sicherste Geleitschein
durch die Welt . Alles mit Gott und für Gott , sagten
die Alten . Wo dieser Grundsatz befolgt wird , da
führt der Weg zum guten Ziele .
„ So fahr' mit Gott ! Das ist ein schützend Wort ,
Und wandre ruhig deine Pfade fort ,
Und zittre nicht vor unheildrohenden Wegen .
Mit Gott ! Das ist ein Wort voll reichem Segen .
Da wankt in deiner Hand kein Wanderstab ,
Du schreitest sicher dann bergauf bergab ,
Und findest leicht , voll Kraft und voller Gnade ,
Durch Sturm und Kampf allzeit die rechten Pfade .
Mit Gott ! Da wird vor keiner Nacht dir bang ,
Das ist dein Licht auf jeden Abgrunds Hang ,
Es ist in Eis und Schnee wie sonn'ge Matten ,
Im Sonnenbrand wie kühler Waldesschatten ,
Es hält des Heils und auch des Segens viel .
So fahr' mit Gott ! Du kommst ans rechte Ziel . “
( Seidl. )
9. Kurze Wanderregeln .
1. Bewahre die von den Eltern und Erziehern
Erhaltenen guten Lehren und Ermahnungen immer
im Herzen und befolge sie im Leben .
2. Alles , was der Erreichung des Lebenszieles
hindernd in den Weg tritt , soll man meiden , auch
auf der Wanderschaft und in der Fremde ; aber
alles , was zum ehrlichen Fortkommen dient , soll
man zu erreichen streben . Das Wandern und Ar-
beiten in der Fremde soll die nächste und letzte
Schule zu einem ordentlichen Meisterstande sein .
Deshalb sammle vor allen Dingen in der Fremde
tüchtige Geschäfts- und Menschenkenntnisse , damit
diese als unveräußerliches Kapital dir einst gute
Zinsen tragen .
3. Auf der Wanderschaft und in der Fremde
hast du die beste Gelegenheit , dich in deiner per-
sönlichen Selbständigkeit auszubilden . Da mußt
du zeigen , was du bist , was du weißt , und was
du kannst .
4. Wer auf die Wanderschaft gehen will , muß
bereits gute Grundsätze und einen festen Charakter
haben , – sonst möchte er bald in sittlicher Be-
ziehung Schiffbruch leiden . Aus Feigheit gehen
die meisten jungen Leute zu Grunde .
5. Wer wandert , soll bereits ordentliche Kennt-
nisse und Fertigkeiten in seinem Gewerbe besitzen ,
sonst wird er von vornherein an den letzten Platz
und unter die Bank gedrückt . Der Jüngling darf
aber nicht mehr von sich ausgeben , als er wirklich
ist . Jede Prahlerei schadet dem Prahler zumeist .
6. Sei gegen jedermann höflich und zuvor-
kommend in Worten und Dienstleistungen . Den
wohlerzogenen Menschen erkennt man an seinen
Manieren und schätzt ihn .
Sei jedoch zurückhaltend und vorsichtig im
Umgange mit Menschen , die du nicht kennst . Wer
dir allzufreundlich naht , vor dem sei doppelt auf
der Hut . Die Schmeichelei hat in der Regel den
Schurken im eigenen Herzen . Nur wenn du einen
Burschen als durchaus brav kennst , darfst du ihn
zum Freunde machen .
7. Knüpfe in der Fremde keine Bekanntschaft
an , ehe du das gehörige Alter erreicht und im
Stande bist , eine Familie zu erhalten . Und dann
heirate nur ein braves , arbeitsames , katholisches
Mädchen aus guter , christlicher Familie .
8. Den wirklich wohlgesitteten Menschen erkennt
man an der züchtigen Ehrbarkeit , die er gegen das
weibliche Geschlecht beobachtet . Hüte dich vor der
Unkeuschheit und benimm dich allezeit so , als wäre
dein Gott sichtbar gegenwärtig . Der Anfang der
Unkeuschheit scheint unbedeutend , der Fortgang
ist reißend , das Ende schrecklich und fast immer
unverbesserlich . Die Gesundheit des Körpers , die
Ruhe des Gewissens , Seele und Seligkeit gehen
verloren .
9. Gehe lieber allein und im Frieden , als mit
anderen in Zank und Verdruß .
10. Sei stets mäßig in Speise und Trank ,
damit du gesund bleibest und fröhlich weiter kommen
kannst . Gehe nicht in versteckte und gemeine
Kneipen und Wirtshäuser , sondern viel lieber in
ein ansehnliches und sauberes Haus . Siehe zu ,
daß du ein reinliches Bett bekommst und schlafe
allein : lieber lege dich auf die Bank oder gar auf
den Boden . Das härteste Lager für eine Nacht
ist nicht so schlimm , als mitgenommene Unreinigkeit
oder gar Krankheit .
Mitglieder des kath . Gesellenvereins finden
fast überall Vereinshäuser oder wenigstens eine
anständige Herberge .
11. Bloß auf die Tasche anderer Leute in
der Welt umherreisen , ist unehrenhaft .
12. Bist du wirklich in Not geraten auf der
Reise , sei es durch Krankheit oder durch lange
Arbeitslosigkeit , dann wende dich an anständige
Bürgersleute oder an den Pfarrer des Ortes und
lege ganz offen deine bedrängte Lage dar .
13. Sei im Glücke nicht übermütig , im Unglück
nie verzagt . Gott verläßt die Seinen nicht .
14. Was du nicht ändern kannst , das trage
mit Geduld , bis Gott eine Aenderung vornimmt .
15. Da Gott dein Begleiter auf der Reise sein
muß , so unterlasse niemals dein kurzes Morgen-
und Abendgebet . Kommst du an einer Kirche
vorüber , denke an Gott , und steht sie offen , so
tritt hinein und grüße ehrerbietig Gott und seine
Heiligen . Unterlasse nicht , wenn 's möglich ist ,
des Morgens vor deiner Weiterreise eine hl . Messe
zu hören und dich dem Schutze Gottes zu empfehlen .
Du weißt nicht , was dir über Tag begegnen kann ,
aber Gott weiß es und kann allein dir alles zum
Besten lenken . Lebe immer in der heilig-
machenden Gnade : so ist alles , was du
thust , verdienstlich für den Himmel , und
du bist allezeit bereit auf den Tod .
16. Du sollst überall den Mut haben , deinen
Glauben zu bekennen und zu üben . Aber gieb
Rede und Antwort nur dem , der ein Recht
hat , dich darüber zu fragen .
17. Verspotte und verachte keinen Menschen ,
der einen anderen Glauben hat als du . Hüte dich
vor Zänkereien über Glaubenssachen . Sorge vor
allen Dingen , daß du in deinem eigenen Glauben
immer fester begründet wirst und immer treuer
ihn übest . Gehe den Religionsspöttern und Glaubens-
zweiflern , wo du nur kannst , aus dem Wege . Du
wirst in ihrer Gesellschaft nur verlieren , nie ge-
winnen .
17. Es ziemt dem Manne nicht , ein Kopf-
hänger zu sein , aber herzhafte Frömmigkeit ist
sein schönster Schmuck und sein bester Empfehl-
ungsbrief .
18. Im Verkehr mit Menschen , daheim wie
in der Fremde , mache nach Kräften die göttliche
Regel wahr : „ Was du nicht willst , daß dir ge-
schehe , das thue auch keinem andern . Aber alles ,
was ihr wollt , daß euch die Leute thun , das thut
auch ihnen . “
( Nach Kolping . )
10. Reisewaffen .
Man kann bald keinen Schritt mehr thun ,
ohne in Religionsgespräche verwickelt zu
werden ; man kann kaum eine Zeitung in die Hand
nehmen , ohne Angriffe auf die katholische Kirche
darin zu finden . So wirst auch du , mein lieber
Freund , allerlei Spöttereien gegen den Glauben
zu hören bekommen . Das ist fast unvermeidlich .
Eben darum muß ich dir noch einige Waffen mit-
geben auf die Reise , damit du dich verteidigen
kannst . Ich rate dir ja nicht , dich in Glaubens-
streitigkeiten einzulassen . Aber wenn du gerade
eine passende Antwort weißt , so ist es ganz gut ,
einen leichtfertigen Spötter heimzuschicken . Du
kannst dir das Büchlein anschaffen : „ Segürs Ant-
worten auf die Einwürfe gegen die Religion “ von
P . H. Müller ( Steyl , Missionsdruckerei . ) Dann
aber merke dir ein für allemal folgende zwei
Punkte :
1. Es ist ungeheuer leicht , den Feinden der Kirche
allerlei Lügen und Verläumdungen nachzuschwätzen
und sich damit den Schein von „ Bildung “ und
„ Ausklärung “ zu geben . Aber viel Studium und große
Gelehrsamkeit sind oft nötig , um all' die Einwürfe
gegen den Glauben und die Kirche zu beantworten .
Darum lasse dich niemals bethören ! Weißt du
nichts zu sagen , so gehe zu einem Priester ; er
wird dir gerne über alles Aufschluß geben und
deine Schwierigkeiten und Zweifel lösen .
2. Der Glaube ist eine Gnade . Diese geht
verloren durch die Lauheit , den Stolz und die
Unkeuschheit . Darum darfst du nie das tägliche
Gebet unterlassen , nie unterlassen die Anhörung
der hl . Messe und des Wortes Gottes , den Empfang
der hl. Sakramente . Du mußt meiden den Stolz .
„ Der Anfang der Hoffart ist Abfall von Gott “
( Sir. 10 , 14 ) . Es ist nicht möglich , alle Wahrheiten
zu begreifen ; ja die meisten sind für uns ein Ge-
heimnis . Wir können ja mit unserm endlichen , be-
schränkten Verstande unmöglich das Wesen Gottes
erfassen , ein Wesen , das ewig , allwissend , allgegen-
wärtig , allmächtig ist . Und doch sieht jedes Kind
ein , daß es einen Gott geben muß . Denn so wahr
die Uhr an der Wand nicht von selber entstanden ,
und das Haus sich nicht selber gemacht hat , so
gewiß ist auch das große und wundervoll einge-
richtete Weltgebäude nicht eines schönen Morgens
von selbst dagewesen . Der es aber gemacht hat ,
muß allmächtig und allweise sein . Ein solches
Wesen nennen wir Gott . Darum sind die wahrhaft
gelehrten Männer auch demütig und beugen sich
vor der Majestät Gottes . Als man den jüngst
verstorbenen , berühmten Naturforscher Pasteur
fragte , wie er als Mann der Wissenschaft ein so
eifriger Katholik sein könne , antwortete er :
„ Gerade weil ich gründlich studiert habe , erfreue
ich mich des Glaubens eines bretonischen Bauern ;
und hätte ich noch mehr studieren können , so würde
ich auch den einer bretonischen Bäuerin besitzen . “
( In der Bretagne sind die Leute sehr fromm und eifrig ) .
Vielleicht noch häufiger als der Geistesstolz
führt die Unkeuschheit zum Verluste des Glaubens .
Der berühmte , französische Dichter , Gelehrte und
Staatsmann Chateaubriand hatte einst eine große
Gesellschaft von Männern aus den höchsten Ständen
um sich versammelt . Bei einem Punkte der leb-
haften Unterhaltung rief Chateaubriand aus :
„ Meine Herren ! Die Hand auf's Herz und sagen
Sie mir auf Ihre Ehre : Hätten Sie nicht
den Mut , gläubig zu sein , wenn Sie den
Mut hätten , keusch zu sein ? “
„ Brich mit
deiner Leidenschaft “ , rief ein anderer französischer
Denker , Pascal , einem Ungläubigen zu , „ und morgen
wirst du gläubig sein . “
Höre nun noch einige der gebräuchlichsten
Einreden und eine kurze Antwort darauf :
1. Die Religion ist eine Erfindung
der Geistlichen .
Das ist gerade so gescheidt , wie wenn einer
sagt : Die Eisenbahnen sind eine Erfindung der
Eisenbahnbeamten . Eben erst durch die Religion
sind die Priester aufgekommen , Und dann , welcher
Priester hat die Religion erfunden , die Religion
mit ihren strengen Sittenvorschriften und schweren
Pflichten ? Hätte die heidnische Welt die christliche
Religion je angenommen , wenn ein bloßer Mensch
ihr Urheber und Stifter wäre ? Das glaubt doch
kein vernünftiger Mensch .
2. Aber wie weiß man denn heute noch ,
was Christus gepredigt hat ? Er lebte ja
vor 2000 Jahren .
Das wissen wir aus den hl. Evangelien , was
Christus gepredigt hat .
3. Sind die Evangelien auch glaub-
würdig ?
Ja , denn die Apostel und Jünger
konnten die Wahrheit wissen . Sie waren ja
drei Jahre lang beständige Zeugen von Christi
Leben , und sie erzählen Thatsachen , die nicht im
Verborgenen , sondern öffentlich vor allem Volke
geschehen sind , Thatsachen , die in aller Munde
waren , Wunder , die von Tausenden wahrgenommen
wurden . Eine Täuschung ist also undenkbar , um-
somehr , da die Evangelisten in ihren Erzählungen
übereinstimmen .
Sie wollten die Wahrheit sagen . Sie
erzählen ganz schlicht und einfach , was sie gehört
und gesehen ; sie erzählen gar vieles , was zu ihrer
eigenen Unehre gereicht : daß sie erst selber manches
nicht hätten glauben wollen , daß Thomas sogar
allen Aposteln und Jüngern nicht geglaubt habe ,
daß Jesus sie oft getadelt , daß Petrus den Heiland
dreimal verleugnet ꝛc . ; sie wußten , daß sie für ihr
offenkundiges Zeugnis nur Verfolgung und Tod
zu erwarten hatten . Nur Unvernunft oder böser
Wille kann solche Männer für Lügner halten .
Sie konnten nicht einmal lügen . Was
sie erzählen , hatten unzählige Juden miterlebt .
Die hätten sich zweifelsohne gewehrt , wenn die
Evangelisten von der Wahrheit abgewichen wären ,
um so mehr , da in deren Schriften das jüdische
Volk als undankbar , ungläubig , gottesmörderisch
bezeichnet wird .
Auch wird das Zeugnis der Evangelisten
durch Heiden und Juden beglaubigt . Die
ärgsten Feinde des Christentums geben die That-
sachen zu , welche die Evangelien erzählen , suchen
sie aber anders zu erklären , so der gelehrte Heide
Celsus , der jüdische Philosoph Trypho , Gegner des
Märtyrers Justin .
4. Aber sind die Evangelien nicht später
verändert worden ?
Das ist gar nicht möglich . Denn
a ) ein Fälscher hätte , um unentdeckt zu bleiben ,
gleichzeitig alle Handschriften und Uebersetzungen
aller Länder fälschen müssen .
b ) Die hohe Ehrfurcht der Christen vor den
hl . Schriften macht eine Fälschung undenkbar .
c ) Eine solche wäre auch sofort entdeckt worden ,
weil , wie schon Justin der Martyrer ( gstb. 166 )
berichtet , allenthalben bei den Versammlungen der
Christen die hl . Schriften vorgelesen wurden .
d ) Der gegenwärtige Text der hl . Schrift
stimmt mit den Schriften der Kirchenväter überein ,
welche viele Stellen aus den hl. Büchern anführen .
e ) Endlich ist von größter Bedeutung , daß
die Thatsachen des neuen Testamentes uns über-
einstimmend auch in anderen Schriften des ersten
Jahrhunderts überliefert werden , so durch den
Juden Josephus Flavius , durch die heidnischen
Schriftsteller Sueton , Tacitus und Plinius . Also
ist eine Fälschung ganz ausgeschlossen .
5. Aber auf den Glauben kommt 's doch
nicht so an . Rechtschaffen leben ist die beste
Religion .
Der Heiland war etwas anderer Ansicht . Er
hat gesagt : „ Wer nicht glaubt , der wird verdammt
werden “ ( Mark. 16 , 16 ) . „ Ohne den Glauben ist
es unmöglich , Gott zu gefallen “ ( Hebr. 11 , 6 ) .
Also ist der Glaube die erste Bedingung zur
Seligkeit .
Auch keine Rechtschaffenheit ist möglich ohne
den Glauben . Denn rechtschaffen kann doch nur
der sein , der die Gebote Gottes hält . Also muß
er auch beobachten das Gebot : „ Glaube an den
Herrn Jesus , so wirst du selig werden , du und
dein Haus “ ( Apg. 16 , 30 , 31 ) .
6. Man hört so viel über Päpste , Bischöfe
und Priester , daß man nicht mehr weiß ,
wem man glauben soll .
Auch die Geistlichen sind Menschen und können
sündigen . Aber recht oft werden ihnen von den Feinden
der Kirche Sünden und Verbrechen einfach ange-
dichtet oder gewaltig vergrößert . Man erfindet
allerlei Skandalgeschichten , giebt weder Zeit noch Ort
an oder verlegt sie in ferne Länder . Bis eine Be-
richtigung eintrifft , hat die Lüge die Runde gemacht ,
und 's bleibt immer etwas hängen . So wird das
Ansehen der Geistlichen untergraben , und das letzte
Ziel ist – die Vernichtung der Religion . „ Wenn
man die Kirche in einem Lande zerstören will , so
greift man zuerst die Priester an “ , sagt der gott-
selige Pfarrer von Ars , Vianney . Was wird
nicht alles von schlechten Päpsten gefaselt ! Und
doch waren von den 259 Päpsten nur ganz wenige ,
deren Lebenswandel Tadel verdient . Selbst Herder ,
ein aufgeklärter Protestant , muß bekennen : „ Es
giebt keinen Stand auf Erden , der so ausgezeichnet
wäre an Talent und Tugend , als die großartige
Reihe der Päpste . Ihre Fehler würden nicht be-
achtet worden sein , wären es nicht Unvollkommen-
heiten der Päpste gewesen . “
7. Aber einen unfehlbaren Papst kann
es doch kaum geben .
Es giebt keinen Papst , der nicht sündigen ,
keinen , der persönlich nicht irren kann . Aber in
Sachen des Glaubens muß der Papst , wenn er als
oberster Lehrer der Kirche entscheidet , durch den
besonderen Beistand des hl. Geistes vor Irrtum
bewahrt werden . Denn Christus sagte ja zum
ersten Papste Petrus : „ Du bist Petrus ( d. i. Fels ) ,
und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen ,
und die Pforten der Hölle werden sie nicht über-
wältigen . “ Könnte der Papst irren im Glauben ,
dann hätte die Hölle ihren Zweck erreicht . Wenn
Christus wollte , daß seine Lehre nicht durch die
Kurzsichtigkeit und Willkür der Menschen verun-
staltet werde und am Ende ganz verloren gehe , so
mußte er einen solchen unfehlbaren Lehrer auf-
stellen .
8. Aber von den Gebildeteren kümmert
sich heute niemand mehr um Religion . Das
ist nicht wahr . Es gab zu allen Zeiten und giebt
heute noch hochgelehrte Männer in Menge , die
zugleich gläubige und fromme Christen sind . Frei-
lich ist die Zahl jener Gelehrten noch größer , die ,
vom Stolze verblendet , den Glauben abgeworfen .
Gott zwingt eben niemanden zum Glauben .
9. Aber das ist doch zu viel verlangt ,
wenn man alle Sonntage in die Kirche
gehen , fasten und sogar seine geheimen
Sünden beichten soll .
Der Mensch ist hienieden nur Wanderer , sein
Ziel ist der Himmel . Ists nun zu viel , wenn er
ein Stündchen der ganzen Woche dem Heile seiner
unsterblichen Seele widmet ? Der brävste Mensch
sündiget . Ist 's nun zu viel , wenn er einmal in
der Woche für seine Sünden ein wenig büßen soll ?
Der Mensch wünscht Verzeihung , wenn er gesündigt
hat . Ist 's nun zu viel , wenn er seine Sünden ,
auch die inneren , bekennen muß ? Sonst könnte ja
der Priester das Richteramt gar nicht ausüben .
10. Aber ewig verdammen kann uns
Gott doch nicht wegen der Sünde .
Die Todsünde ist eine unendliche Beleidigung
Gottes ; also muß sie auch eine unendliche , d. h.
immer dauernde Strafe nach sich ziehen . Denn wie
Gott barmherzig ist , so muß er auch gerecht sein .
Gäbe es keine Hölle , so würde die Welt zur Hölle ;
denn Sünde und Verbrechen würden dann so über-
hand nehmen , daß es gar nicht mehr zum Aus-
halten wäre .
Zahllos sind die Einwürfe , die man gegen die
Religion erhebt . Aber es giebt auch immer
eine Antwort darauf . Kennst du sie nicht , so
lies aufklärende Bücher oder frage den Priester ,
damit du gewappnet bist gegen alle Angriffe . Du
bist ängstlich bemüht , auf der Reise dein Geld nicht
zu verlieren , in der Fremde deine Ersparnisse nicht
einzubüßen . Aber weit größer muß deine Sorge
sein , den Glauben zu bewahren . Denn er allein
ist der sichere Führer auf den vielver-
schlungenen Wegen der irdischen Wander-
schaft ; er ist Stab und Stütze in den Wechsel-
fällen des Lebens ; er ist der Leuchtturm ,
der uns den richtigen Pfad zum Himmel
weist ; er ist die Waffenrüstung , die uns
befähiget , den guten Kampf zu kämpfen
und die Krone zu erlangen .
„ Willst du frei und fröhlich geh'n
Durch dies Weltgetümmel ,
Mußt du auf die Vöglein seh'n ,
Wohnend unterm Himmel .
Wie die Vöglein haben wir
Unsern Vater droben ,
Und mit ihnen wollen wir
Lieben ihn und loben . “
Jacobi .
Inhalt .
Seite
Abschiedsgruß eines Vaters an seinen Sohn 1
-
1. Die Zeit der Abreise 3
-
2. Das Gepäck 14
-
3. Auf der Eisenbahn 21
-
4. Die Fußtour 32
-
5. Der Bauernknecht und der Geselle 37
-
6. In der Kaserne 46
-
7. Der Wandervogel 51
-
8. Der sicherste Geleitschein 70
-
9. Kurze Wanderregeln 81
-
10. Reisewaffen 86