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Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713.

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über den Erschlagenen in meinem Volck.
Gedenck an deines Sohns bittern Todt/
Sieh' an sein heilig Wunden roth/
Die sind ja für die gantze Welt
Die Zahlung und das Löse Geld/
Des trösten wir uns allezeit/
Und hoffen auff Barmhertzigkeit.

Weinete dort der Prophet Elisa/ und stellete sich ungebäedig/ so fragete
ihn nicht unbillig Hasael/ Benhadads/ des Königes zu Syrien/ vornehm-
ster Minister: warum weinet mein Herr? (2. Reg. VIII, 11. 12.) Siehet
uns heute jemand weinen/ höret unsere bittere Klage/ und fraget uns/ wa-
rum wir weinen? Dem soll der dritte Theil unserer Predigt gar zuläng-
liche Antwort ertheilen/ wie wir denn in demselben zu erwegen haben:

III. Die Motiven und reitzenden Ursachen zuPars III.
dieser Klage.

Führet David in unsern vorhabenden Leichen-Texte eine bittere Klage
über seinen erschlagenen guten Freund Jonathan/ so trieb ihn darzu an

p. Amoris amicitiaeqve jucunditas, die auffrichtige Liebe
und Freundschafft/ und die daher entstandene innigliche
Hertzens-Vergnügung.
p. Amoris amicitiaeqve constans sinceritas & singularitas,
seiner Liebe und Freundschafft beständige/ sonder- und
wunderbahre Auffrichtigkeit.

Denn was seine auffrichtige Liebe und Freundschafft anbetrifft/ so
nennet er ihn [cwiicwikahtwaa] mein Bruder; Es ist mir leid um dich/ mein Bruder
Jonathan.
Nicht zwar in dem Absehen/ als ob sie fratres germani & san-
gvine,
oder leibliche Brüder/ die von einerley Eltern hergekommen/ ge-
wesen/ wie Esau und Jacob/ (Gen. XXV, 25. 26.) Simeon und Levi/ Jo-
seph und Benjamin/ (Gen. XXIX, 33. 34. XXX, 24. c. XXXV, 18.) sondern
affectu & charitate, wegen der Liebe/ Wohlgewogenheit und Freund-
schafft/ so er zu ihm trug/ und ihn so lieb hatte/ als seinen leiblichen Bruder.
Denn aus solcher Liebe und Freundschafft nennet Hiram/ der Konig zu
Tyro/ und Salomon/ der König zu Jerusalem/ Ahab/ der König in Jsra-
el/ und Benhadad/ der König in Syrien/ einander Brüder/ (1. Reg. IX,
13. c. XX,
32. 33.) Und so waren auch David und Jonathan Brüder un-

ter
C 3
uͤber den Erſchlagenen in meinem Volck.
Gedenck an deines Sohns bittern Todt/
Sieh’ an ſein heilig Wunden roth/
Die ſind ja fuͤr die gantze Welt
Die Zahlung und das Loͤſe Geld/
Des troͤſten wir uns allezeit/
Und hoffen auff Barmhertzigkeit.

Weinete dort der Prophet Eliſa/ und ſtellete ſich ungebaͤedig/ ſo fragete
ihn nicht unbillig Haſael/ Benhadads/ des Koͤniges zu Syrien/ vornehm-
ſter Miniſter: warum weinet mein Herr? (2. Reg. VIII, 11. 12.) Siehet
uns heute jemand weinen/ hoͤret unſere bittere Klage/ und fraget uns/ wa-
rum wir weinen? Dem ſoll der dritte Theil unſerer Predigt gar zulaͤng-
liche Antwort ertheilen/ wie wir denn in demſelben zu erwegen haben:

III. Die Motiven und reitzenden Urſachen zuPars III.
dieſer Klage.

Fuͤhret David in unſern vorhabenden Leichen-Texte eine bittere Klage
uͤber ſeinen erſchlagenen guten Freund Jonathan/ ſo trieb ihn darzu an

p. Amoris amicitiæqve jucunditas, die auffrichtige Liebe
und Freundſchafft/ und die daher entſtandene innigliche
Hertzens-Vergnuͤgung.
p. Amoris amicitiæqve conſtans ſinceritas & ſingularitas,
ſeiner Liebe und Freundſchafft beſtaͤndige/ ſonder- und
wunderbahre Auffrichtigkeit.

Denn was ſeine auffrichtige Liebe und Freundſchafft anbetrifft/ ſo
nennet er ihn [ᒗᒕᒈᑤ] mein Bruder; Es iſt mir leid um dich/ mein Bruder
Jonathan.
Nicht zwar in dem Abſehen/ als ob ſie fratres germani & ſan-
gvine,
oder leibliche Bruͤder/ die von einerley Eltern hergekommen/ ge-
weſen/ wie Eſau und Jacob/ (Gen. XXV, 25. 26.) Simeon und Levi/ Jo-
ſeph und Benjamin/ (Gen. XXIX, 33. 34. XXX, 24. c. XXXV, 18.) ſondern
affectu & charitate, wegen der Liebe/ Wohlgewogenheit und Freund-
ſchafft/ ſo er zu ihm trug/ und ihn ſo lieb hatte/ als ſeinen leiblichen Bruder.
Denn aus ſolcher Liebe und Freundſchafft nennet Hiram/ der Konig zu
Tyro/ und Salomon/ der Koͤnig zu Jeruſalem/ Ahab/ der Koͤnig in Jſra-
el/ und Benhadad/ der Koͤnig in Syrien/ einander Bruͤder/ (1. Reg. IX,
13. c. XX,
32. 33.) Und ſo waren auch David und Jonathan Bruͤder un-

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[21/0021] uͤber den Erſchlagenen in meinem Volck. Gedenck an deines Sohns bittern Todt/ Sieh’ an ſein heilig Wunden roth/ Die ſind ja fuͤr die gantze Welt Die Zahlung und das Loͤſe Geld/ Des troͤſten wir uns allezeit/ Und hoffen auff Barmhertzigkeit. Weinete dort der Prophet Eliſa/ und ſtellete ſich ungebaͤedig/ ſo fragete ihn nicht unbillig Haſael/ Benhadads/ des Koͤniges zu Syrien/ vornehm- ſter Miniſter: warum weinet mein Herr? (2. Reg. VIII, 11. 12.) Siehet uns heute jemand weinen/ hoͤret unſere bittere Klage/ und fraget uns/ wa- rum wir weinen? Dem ſoll der dritte Theil unſerer Predigt gar zulaͤng- liche Antwort ertheilen/ wie wir denn in demſelben zu erwegen haben: III. Die Motiven und reitzenden Urſachen zu dieſer Klage. Fuͤhret David in unſern vorhabenden Leichen-Texte eine bittere Klage uͤber ſeinen erſchlagenen guten Freund Jonathan/ ſo trieb ihn darzu an p. Amoris amicitiæqve jucunditas, die auffrichtige Liebe und Freundſchafft/ und die daher entſtandene innigliche Hertzens-Vergnuͤgung. p. Amoris amicitiæqve conſtans ſinceritas & ſingularitas, ſeiner Liebe und Freundſchafft beſtaͤndige/ ſonder- und wunderbahre Auffrichtigkeit. Denn was ſeine auffrichtige Liebe und Freundſchafft anbetrifft/ ſo nennet er ihn ᒗᒕᒈᑤ mein Bruder; Es iſt mir leid um dich/ mein Bruder Jonathan. Nicht zwar in dem Abſehen/ als ob ſie fratres germani & ſan- gvine, oder leibliche Bruͤder/ die von einerley Eltern hergekommen/ ge- weſen/ wie Eſau und Jacob/ (Gen. XXV, 25. 26.) Simeon und Levi/ Jo- ſeph und Benjamin/ (Gen. XXIX, 33. 34. XXX, 24. c. XXXV, 18.) ſondern affectu & charitate, wegen der Liebe/ Wohlgewogenheit und Freund- ſchafft/ ſo er zu ihm trug/ und ihn ſo lieb hatte/ als ſeinen leiblichen Bruder. Denn aus ſolcher Liebe und Freundſchafft nennet Hiram/ der Konig zu Tyro/ und Salomon/ der Koͤnig zu Jeruſalem/ Ahab/ der Koͤnig in Jſra- el/ und Benhadad/ der Koͤnig in Syrien/ einander Bruͤder/ (1. Reg. IX, 13. c. XX, 32. 33.) Und ſo waren auch David und Jonathan Bruͤder un- ter C 3

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Zitationshilfe: Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/392439/21>, abgerufen am 19.03.2024.