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Böttner, Konrad: Leichen- und Gedächtniß-Rede. Lauban, 1740.

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Die Lust war allgemein, und Unsers Böttners Leben
Kont der verscheuchten Lust aufs neue Nahrung geben.
Kaum hast Du Dich gerafft, so kömmt ein neuer Stoß.
Man ist von Angst gepreßt, von Rath und Hülffe bloß;
Man ächzet, weinet, rufft, es thönen die Gewölber;
Man laufft, und rennt, und sucht, und ist fast aus sich selber.
Die Liebe führet uns zum Schmertzens-Lager hin,
Die Wehmuth geht bey seit, und fleht: Ach GOtt! ich bin,
Und was? ich bin bereit vor diesen Mann zu sterben,
Nur laß, ach höre doch! ihn meine Jahr ererben!
Der fast verschwemmte Wunsch flieht mit dem Schatten fort.
Der Tod dringt näher durch, die Wehmuth hat kein Wort
Und keinen Zähren mehr, blickt noch auf sein Verblassen,
Als wolte sie zum Trost noch seinen Geist umfassen.
Kaum weicht der Uberrest von deiner letzten Nacht,
Kaum zeigt Aurora sich in ihrer muntern Pracht,
Weil Er in ihrem Mund das Weißheits-Gold gefunden;
So schloß Er auch mit ihr die letzten Lebens-Stunden.
Der Theure Böttner stirbt, die Glocken ruffen Jhn,
Als müßt ein solcher Geist nicht still in Himmel ziehn.
Die Glocken hiessen Jhn beym ersten Hauch willkommen!
Als hätte GOtt mit Jhm was grosses vorgenommen.
Der treue Gatte stirbt, ach! Vater lebst du noch?
Ein Zeichen mit der Hand! ach Vater gieb es doch!
Jtzt kommt der Musen-Schaar, um dessen süsse Lehren
Des Geistes Munterkeit recht emsig anzuhören.
Doch nein: er stirbt und weicht, ach fallt auf eure Knie!
Die Musen mercken es, die armen Musen die!
Sie sehen Jhn entseelt, welch jämmerliches Wimmern!
Ach! unser Hoffnungs-Schiff geht auf einmahl zu Trümmern!
Welch bänglich Klag-Geschrey! o schnelles Lebens-Ziel!
Vom Lehr-Stuhl auch so gleich hin auf den Sterbe-Pfühl.
Eh noch der Seiger rufft: Jhr Musen in die Schule;
So gläntzt Er schon gecrönt dort vor des Lammes Stuhle.
Jhr
Die Luſt war allgemein, und Unſers Boͤttners Leben
Kont der verſcheuchten Luſt aufs neue Nahrung geben.
Kaum haſt Du Dich gerafft, ſo koͤmmt ein neuer Stoß.
Man iſt von Angſt gepreßt, von Rath und Huͤlffe bloß;
Man aͤchzet, weinet, rufft, es thoͤnen die Gewoͤlber;
Man laufft, und rennt, und ſucht, und iſt faſt aus ſich ſelber.
Die Liebe fuͤhret uns zum Schmertzens-Lager hin,
Die Wehmuth geht bey ſeit, und fleht: Ach GOtt! ich bin,
Und was? ich bin bereit vor dieſen Mann zu ſterben,
Nur laß, ach hoͤre doch! ihn meine Jahr ererben!
Der faſt verſchwemmte Wunſch flieht mit dem Schatten fort.
Der Tod dringt naͤher durch, die Wehmuth hat kein Wort
Und keinen Zaͤhren mehr, blickt noch auf ſein Verblaſſen,
Als wolte ſie zum Troſt noch ſeinen Geiſt umfaſſen.
Kaum weicht der Uberreſt von deiner letzten Nacht,
Kaum zeigt Aurora ſich in ihrer muntern Pracht,
Weil Er in ihrem Mund das Weißheits-Gold gefunden;
So ſchloß Er auch mit ihr die letzten Lebens-Stunden.
Der Theure Boͤttner ſtirbt, die Glocken ruffen Jhn,
Als muͤßt ein ſolcher Geiſt nicht ſtill in Himmel ziehn.
Die Glocken hieſſen Jhn beym erſten Hauch willkommen!
Als haͤtte GOtt mit Jhm was groſſes vorgenommen.
Der treue Gatte ſtirbt, ach! Vater lebſt du noch?
Ein Zeichen mit der Hand! ach Vater gieb es doch!
Jtzt kommt der Muſen-Schaar, um deſſen ſuͤſſe Lehren
Des Geiſtes Munterkeit recht emſig anzuhoͤren.
Doch nein: er ſtirbt und weicht, ach fallt auf eure Knie!
Die Muſen mercken es, die armen Muſen die!
Sie ſehen Jhn entſeelt, welch jaͤmmerliches Wimmern!
Ach! unſer Hoffnungs-Schiff geht auf einmahl zu Truͤmmern!
Welch baͤnglich Klag-Geſchrey! o ſchnelles Lebens-Ziel!
Vom Lehr-Stuhl auch ſo gleich hin auf den Sterbe-Pfuͤhl.
Eh noch der Seiger rufft: Jhr Muſen in die Schule;
So glaͤntzt Er ſchon gecroͤnt dort vor des Lammes Stuhle.
Jhr
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[95/0096] Die Luſt war allgemein, und Unſers Boͤttners Leben Kont der verſcheuchten Luſt aufs neue Nahrung geben. Kaum haſt Du Dich gerafft, ſo koͤmmt ein neuer Stoß. Man iſt von Angſt gepreßt, von Rath und Huͤlffe bloß; Man aͤchzet, weinet, rufft, es thoͤnen die Gewoͤlber; Man laufft, und rennt, und ſucht, und iſt faſt aus ſich ſelber. Die Liebe fuͤhret uns zum Schmertzens-Lager hin, Die Wehmuth geht bey ſeit, und fleht: Ach GOtt! ich bin, Und was? ich bin bereit vor dieſen Mann zu ſterben, Nur laß, ach hoͤre doch! ihn meine Jahr ererben! Der faſt verſchwemmte Wunſch flieht mit dem Schatten fort. Der Tod dringt naͤher durch, die Wehmuth hat kein Wort Und keinen Zaͤhren mehr, blickt noch auf ſein Verblaſſen, Als wolte ſie zum Troſt noch ſeinen Geiſt umfaſſen. Kaum weicht der Uberreſt von deiner letzten Nacht, Kaum zeigt Aurora ſich in ihrer muntern Pracht, Weil Er in ihrem Mund das Weißheits-Gold gefunden; So ſchloß Er auch mit ihr die letzten Lebens-Stunden. Der Theure Boͤttner ſtirbt, die Glocken ruffen Jhn, Als muͤßt ein ſolcher Geiſt nicht ſtill in Himmel ziehn. Die Glocken hieſſen Jhn beym erſten Hauch willkommen! Als haͤtte GOtt mit Jhm was groſſes vorgenommen. Der treue Gatte ſtirbt, ach! Vater lebſt du noch? Ein Zeichen mit der Hand! ach Vater gieb es doch! Jtzt kommt der Muſen-Schaar, um deſſen ſuͤſſe Lehren Des Geiſtes Munterkeit recht emſig anzuhoͤren. Doch nein: er ſtirbt und weicht, ach fallt auf eure Knie! Die Muſen mercken es, die armen Muſen die! Sie ſehen Jhn entſeelt, welch jaͤmmerliches Wimmern! Ach! unſer Hoffnungs-Schiff geht auf einmahl zu Truͤmmern! Welch baͤnglich Klag-Geſchrey! o ſchnelles Lebens-Ziel! Vom Lehr-Stuhl auch ſo gleich hin auf den Sterbe-Pfuͤhl. Eh noch der Seiger rufft: Jhr Muſen in die Schule; So glaͤntzt Er ſchon gecroͤnt dort vor des Lammes Stuhle. Jhr

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Zitationshilfe: Böttner, Konrad: Leichen- und Gedächtniß-Rede. Lauban, 1740, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/508578/96>, abgerufen am 29.03.2024.