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Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.

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treuer Schäffer.
Biß du geruffen wirst.
L. Es soll geschehn.
S. Wo soll ich weiter hin die müden Füsse wenden/
Da ich/ mein liebster Hund/ dich wieder finden kan?
Ich habe dich gesucht an so viel Enden/
Und habe Berg und Thal durchlauffen/
Bin voller Schweiß/ und kan vor Müdigkeit kaum schnauf-
fen.
Verfluchet sey das Wild/ das du getroffen an.
Doch/ jene Schäfferin hat ihn vielleicht gesehn.
Muß mich das Unglück denn zu dieser eben führen/
Von der ich allezeit so viel Verdruß muß spühren?
Es muß vor diesesmahl schon überstanden seyn.
Mein schönes Schäffer-Kind/ ist dir
Nicht mein Melampo kommen für/
Der von mir angehetzt
Hat einem Rehe nachgesetzt?
D. Heist du mich schönes Kind? was kömmt dir ein?
Was hastu/ Grausamer/ vor Freude/ schön zu nennen/
Was deine Augen nicht vor schön erkennen.
S. Schön oder greulich/ wie du wilt: Weist du mir nicht den
Hund zu sagen?
Antworte mir hierauff/ sonst muß ich weiter fragen.
D. Ach/ Silvio/ du fährst der treuesten Dorinde
Wohl unbarmhertzig mit. Wer solte glauben künnen/
Daß ein so zarter Leib so Eisen harter Sinnen
Behältniß könte seyn/ wenn ich es nicht empfünde?
Du suchst ein flüchtig Wild/ durchkrichst die öden Wälder/
Steigst über Felß und Berg/ durchrennst die weiten Felder/
Lauffst einem Hunde nach/ verbrennest dein Gesichte/
Und machest vor der Zeit der Glieder Zier zu nichte.
Ich lieb/ ich suche dich/ alleine gantz umsunst/
Du lauffest von mir weg und spottest meiner Brunst.
Ach suche/ liebes Kind/ nicht weiter flüchtig Wild/
Erwähle dir davor ein zahmes Jungfern-Bild/
Ein Reh/ daß sich läst ungejagt in deinen Armen fangen.
S. Ich bin/ O Schäfferin/ dem Hunde nachgegangen/
Nicht daß ich hier bey dir die Zeit verlieren soll.
Dorinde fahre wohl.
D. Bleib
treuer Schaͤffer.
Biß du geruffen wirſt.
L. Es ſoll geſchehn.
S. Wo ſoll ich weiter hin die muͤden Fuͤſſe wenden/
Da ich/ mein liebſter Hund/ dich wieder finden kan?
Ich habe dich geſucht an ſo viel Enden/
Und habe Berg und Thal durchlauffen/
Bin voller Schweiß/ und kan vor Muͤdigkeit kaum ſchnauf-
fen.
Verfluchet ſey das Wild/ das du getroffen an.
Doch/ jene Schaͤfferin hat ihn vielleicht geſehn.
Muß mich das Ungluͤck denn zu dieſer eben fuͤhren/
Von der ich allezeit ſo viel Verdruß muß ſpuͤhren?
Es muß vor dieſesmahl ſchon uͤberſtanden ſeyn.
Mein ſchoͤnes Schaͤffer-Kind/ iſt dir
Nicht mein Melampo kommen fuͤr/
Der von mir angehetzt
Hat einem Rehe nachgeſetzt?
D. Heiſt du mich ſchoͤnes Kind? was koͤmmt dir ein?
Was haſtu/ Grauſamer/ vor Freude/ ſchoͤn zu nennen/
Was deine Augen nicht vor ſchoͤn erkennen.
S. Schoͤn oder greulich/ wie du wilt: Weiſt du mir nicht den
Hund zu ſagen?
Antworte mir hierauff/ ſonſt muß ich weiter fragen.
D. Ach/ Silvio/ du faͤhrſt der treueſten Dorinde
Wohl unbarmhertzig mit. Wer ſolte glauben kuͤnnen/
Daß ein ſo zarter Leib ſo Eiſen harter Sinnen
Behaͤltniß koͤnte ſeyn/ wenn ich es nicht empfuͤnde?
Du ſuchſt ein fluͤchtig Wild/ durchkrichſt die oͤden Waͤlder/
Steigſt uͤber Felß und Berg/ durchrennſt die weiten Felder/
Lauffſt einem Hunde nach/ verbrenneſt dein Geſichte/
Und macheſt vor der Zeit der Glieder Zier zu nichte.
Ich lieb/ ich ſuche dich/ alleine gantz umſunſt/
Du lauffeſt von mir weg und ſpotteſt meiner Brunſt.
Ach ſuche/ liebes Kind/ nicht weiter fluͤchtig Wild/
Erwaͤhle dir davor ein zahmes Jungfern-Bild/
Ein Reh/ daß ſich laͤſt ungejagt in deinen Armen fangen.
S. Ich bin/ O Schaͤfferin/ dem Hunde nachgegangen/
Nicht daß ich hier bey dir die Zeit verlieren ſoll.
Dorinde fahre wohl.
D. Bleib
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[47/0147] treuer Schaͤffer. Biß du geruffen wirſt. L. Es ſoll geſchehn. S. Wo ſoll ich weiter hin die muͤden Fuͤſſe wenden/ Da ich/ mein liebſter Hund/ dich wieder finden kan? Ich habe dich geſucht an ſo viel Enden/ Und habe Berg und Thal durchlauffen/ Bin voller Schweiß/ und kan vor Muͤdigkeit kaum ſchnauf- fen. Verfluchet ſey das Wild/ das du getroffen an. Doch/ jene Schaͤfferin hat ihn vielleicht geſehn. Muß mich das Ungluͤck denn zu dieſer eben fuͤhren/ Von der ich allezeit ſo viel Verdruß muß ſpuͤhren? Es muß vor dieſesmahl ſchon uͤberſtanden ſeyn. Mein ſchoͤnes Schaͤffer-Kind/ iſt dir Nicht mein Melampo kommen fuͤr/ Der von mir angehetzt Hat einem Rehe nachgeſetzt? D. Heiſt du mich ſchoͤnes Kind? was koͤmmt dir ein? Was haſtu/ Grauſamer/ vor Freude/ ſchoͤn zu nennen/ Was deine Augen nicht vor ſchoͤn erkennen. S. Schoͤn oder greulich/ wie du wilt: Weiſt du mir nicht den Hund zu ſagen? Antworte mir hierauff/ ſonſt muß ich weiter fragen. D. Ach/ Silvio/ du faͤhrſt der treueſten Dorinde Wohl unbarmhertzig mit. Wer ſolte glauben kuͤnnen/ Daß ein ſo zarter Leib ſo Eiſen harter Sinnen Behaͤltniß koͤnte ſeyn/ wenn ich es nicht empfuͤnde? Du ſuchſt ein fluͤchtig Wild/ durchkrichſt die oͤden Waͤlder/ Steigſt uͤber Felß und Berg/ durchrennſt die weiten Felder/ Lauffſt einem Hunde nach/ verbrenneſt dein Geſichte/ Und macheſt vor der Zeit der Glieder Zier zu nichte. Ich lieb/ ich ſuche dich/ alleine gantz umſunſt/ Du lauffeſt von mir weg und ſpotteſt meiner Brunſt. Ach ſuche/ liebes Kind/ nicht weiter fluͤchtig Wild/ Erwaͤhle dir davor ein zahmes Jungfern-Bild/ Ein Reh/ daß ſich laͤſt ungejagt in deinen Armen fangen. S. Ich bin/ O Schaͤfferin/ dem Hunde nachgegangen/ Nicht daß ich hier bey dir die Zeit verlieren ſoll. Dorinde fahre wohl. D. Bleib

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Zitationshilfe: Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/147>, abgerufen am 29.03.2024.