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Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.

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treuer Schäffer.
Weiß nicht geben oder nehmen einen süß- und stillen Kuß/
Ach/ gewiß du wärst gestorben/ vor der Freuden Uber-
fluß!
Was ist Purpur? was sind Rosen gegen ihren schönen
Wangen?
Alle Farbe der Natur bleichet und erstirbt dafür/
Alle Schmincke kluger Kunst weichet ihrer Pracht und
Zier/
Reines Blutt/ und zarte Röthe keuscher Scham hält sie
umfangen.
Dieses ist der glatte Schild/ der sie zu bedecken scheint/
Aber noch zu mehrerm Kampff reizt und anfrischt ihren
Feind!
Sie/ als wolte sie vermeiden
Einen Kuß von ihm zu leiden/
Wendt das Haubt der Seite zu/
Kehrt sich wieder um im Nu/
Daß er keinen Fehlstreich thu/
Und sie unvermerckter kan
Solchen von ihm nehmen an/
Bringet uns den Zweiffel bey/
Ob dergleichen Kuß ein Raub/ oder ein Geschencke sey.
Ihr anmuttigs Böse-scheinen
Sagte nein/ und dacht/ ich will/
Fass- und lassen war sein Ziel.
Ein so freundliches Verneinen
Heischte diß/ was es schlug ab/
Und nichts desto minder gab/
War Verbitten und Gebitten/
Bey dem Furcht und Liebe stritten/
War ein Rauben/ da der Dieb
Endlich selbst bestolen blieb/
War ein Warten/ war ein Fliehn/
Das den Feind nur desto mehr konte nach sich ziehn.
O süsser Kuß! Corisc/ ich kan nicht mehr verziehn;
Ich gehe gleich itzund nach einer Liebsten hin.
Denn solche Wonn und Lust/ die aus der Liebe flissen/
Kan doch niemand/ als wer verliebt ist/ recht genüssen.

C. Hat
treuer Schaͤffer.
Weiß nicht geben oder nehmen einen ſuͤß- und ſtillen Kuß/
Ach/ gewiß du waͤrſt geſtorben/ vor der Freuden Uber-
fluß!
Was iſt Purpur? was ſind Roſen gegen ihren ſchoͤnen
Wangen?
Alle Farbe der Natur bleichet und erſtirbt dafuͤr/
Alle Schmincke kluger Kunſt weichet ihrer Pracht und
Zier/
Reines Blutt/ und zarte Roͤthe keuſcher Scham haͤlt ſie
umfangen.
Dieſes iſt der glatte Schild/ der ſie zu bedecken ſcheint/
Aber noch zu mehrerm Kampff reizt und anfriſcht ihren
Feind!
Sie/ als wolte ſie vermeiden
Einen Kuß von ihm zu leiden/
Wendt das Haubt der Seite zu/
Kehrt ſich wieder um im Nu/
Daß er keinen Fehlſtreich thu/
Und ſie unvermerckter kan
Solchen von ihm nehmen an/
Bringet uns den Zweiffel bey/
Ob dergleichen Kuß ein Raub/ oder ein Geſchencke ſey.
Ihr anmuttigs Boͤſe-ſcheinen
Sagte nein/ und dacht/ ich will/
Faſſ- und laſſen war ſein Ziel.
Ein ſo freundliches Verneinen
Heiſchte diß/ was es ſchlug ab/
Und nichts deſto minder gab/
War Verbitten und Gebitten/
Bey dem Furcht und Liebe ſtritten/
War ein Rauben/ da der Dieb
Endlich ſelbſt beſtolen blieb/
War ein Warten/ war ein Fliehn/
Das den Feind nur deſto mehr konte nach ſich ziehn.
O ſuͤſſer Kuß! Coriſc/ ich kan nicht mehr verziehn;
Ich gehe gleich itzund nach einer Liebſten hin.
Denn ſolche Wonn und Luſt/ die aus der Liebe fliſſen/
Kan doch niemand/ als wer verliebt iſt/ recht genuͤſſen.

C. Hat
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[171/0271] treuer Schaͤffer. Weiß nicht geben oder nehmen einen ſuͤß- und ſtillen Kuß/ Ach/ gewiß du waͤrſt geſtorben/ vor der Freuden Uber- fluß! Was iſt Purpur? was ſind Roſen gegen ihren ſchoͤnen Wangen? Alle Farbe der Natur bleichet und erſtirbt dafuͤr/ Alle Schmincke kluger Kunſt weichet ihrer Pracht und Zier/ Reines Blutt/ und zarte Roͤthe keuſcher Scham haͤlt ſie umfangen. Dieſes iſt der glatte Schild/ der ſie zu bedecken ſcheint/ Aber noch zu mehrerm Kampff reizt und anfriſcht ihren Feind! Sie/ als wolte ſie vermeiden Einen Kuß von ihm zu leiden/ Wendt das Haubt der Seite zu/ Kehrt ſich wieder um im Nu/ Daß er keinen Fehlſtreich thu/ Und ſie unvermerckter kan Solchen von ihm nehmen an/ Bringet uns den Zweiffel bey/ Ob dergleichen Kuß ein Raub/ oder ein Geſchencke ſey. Ihr anmuttigs Boͤſe-ſcheinen Sagte nein/ und dacht/ ich will/ Faſſ- und laſſen war ſein Ziel. Ein ſo freundliches Verneinen Heiſchte diß/ was es ſchlug ab/ Und nichts deſto minder gab/ War Verbitten und Gebitten/ Bey dem Furcht und Liebe ſtritten/ War ein Rauben/ da der Dieb Endlich ſelbſt beſtolen blieb/ War ein Warten/ war ein Fliehn/ Das den Feind nur deſto mehr konte nach ſich ziehn. O ſuͤſſer Kuß! Coriſc/ ich kan nicht mehr verziehn; Ich gehe gleich itzund nach einer Liebſten hin. Denn ſolche Wonn und Luſt/ die aus der Liebe fliſſen/ Kan doch niemand/ als wer verliebt iſt/ recht genuͤſſen. C. Hat

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Zitationshilfe: Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/271>, abgerufen am 29.03.2024.