Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Achenwall, Gottfried: Abriß der neuesten Staatswissenschaft der vornehmsten Europäischen Reiche und Republicken. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite
Staatswißenschaft.
* Die Lateiner nennen es notitiam reipublicae
singularis,
und sondern es also von der allgemeinen
Staatswissenschaft
ab. Es ist solches wohl zu mer-
cken. Die letztere erweiset, wie eine bürgerliche Ge-
sellschaft überhaupt eingerichtet soll: die erstere aber
erzehlet, wie einesolche einzelne grosse Gesellschaft in
ihrer ganzen Verfassung würcklich eingerichtet ist.
§. 6.

Jhr Umfang bleibt also noch allemal sehr
weitläuftig, und weitläuftiger, als daß man
solchen nebst allen seinen Theilen gleichsam mit
einem Maaßstaabe völlig ausmessen könnte.
Deswegen nenne ich nur dasjenige merckwürdig,
was das Wohl eines Reichs in einem merck-
lichen Grade
angehet, und setze also zur Haupt-
regel: je mehr etwas die Wohlfahrt eines gan-
zen Reichs betrifft: je nothwendiger wird des-
sen Erläuterung in der Staatswissenschaft.

§. 7.

Man muß also aus den unendlichen Merck-
würdigkeiten die nothwendigsten heraus neh-
men, ohne welche die wahre Beschaffenheit der
Wohlfahrt einer Nation nicht begriffen werden
kann. Diese setze man zu seiner Betrachtung
aus, und stecke ihre Grenzen ab: so läßt sich
der ganze Bezirk endlich übersehen und durch-
wandern, und es kommt nur darauf an, daß
man denjenigen Weg erwählt, welchen uns die

Natur
A 3
Staatswißenſchaft.
* Die Lateiner nennen es notitiam reipublicae
ſingularis,
und ſondern es alſo von der allgemeinen
Staatswiſſenſchaft
ab. Es iſt ſolches wohl zu mer-
cken. Die letztere erweiſet, wie eine buͤrgerliche Ge-
ſellſchaft uͤberhaupt eingerichtet ſoll: die erſtere aber
erzehlet, wie eineſolche einzelne groſſe Geſellſchaft in
ihrer ganzen Verfaſſung wuͤrcklich eingerichtet iſt.
§. 6.

Jhr Umfang bleibt alſo noch allemal ſehr
weitlaͤuftig, und weitlaͤuftiger, als daß man
ſolchen nebſt allen ſeinen Theilen gleichſam mit
einem Maaßſtaabe voͤllig ausmeſſen koͤnnte.
Deswegen nenne ich nur dasjenige merckwuͤrdig,
was das Wohl eines Reichs in einem merck-
lichen Grade
angehet, und ſetze alſo zur Haupt-
regel: je mehr etwas die Wohlfahrt eines gan-
zen Reichs betrifft: je nothwendiger wird deſ-
ſen Erlaͤuterung in der Staatswiſſenſchaft.

§. 7.

Man muß alſo aus den unendlichen Merck-
wuͤrdigkeiten die nothwendigſten heraus neh-
men, ohne welche die wahre Beſchaffenheit der
Wohlfahrt einer Nation nicht begriffen werden
kann. Dieſe ſetze man zu ſeiner Betrachtung
aus, und ſtecke ihre Grenzen ab: ſo laͤßt ſich
der ganze Bezirk endlich uͤberſehen und durch-
wandern, und es kommt nur darauf an, daß
man denjenigen Weg erwaͤhlt, welchen uns die

Natur
A 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0019" n="5"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Staatswißen&#x017F;chaft.</hi> </fw><lb/>
          <note place="end" n="*">Die Lateiner nennen es <hi rendition="#aq">notitiam reipublicae<lb/>
&#x017F;ingularis,</hi> und &#x017F;ondern es al&#x017F;o von der <hi rendition="#fr">allgemeinen<lb/>
Staatswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft</hi> ab. Es i&#x017F;t &#x017F;olches wohl zu mer-<lb/>
cken. Die letztere erwei&#x017F;et, wie eine bu&#x0364;rgerliche Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft <hi rendition="#fr">u&#x0364;berhaupt</hi> eingerichtet <hi rendition="#fr">&#x017F;oll</hi>: die er&#x017F;tere aber<lb/>
erzehlet, wie eine&#x017F;olche <hi rendition="#fr">einzelne</hi> gro&#x017F;&#x017F;e Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft in<lb/>
ihrer ganzen Verfa&#x017F;&#x017F;ung <hi rendition="#fr">wu&#x0364;rcklich</hi> eingerichtet i&#x017F;t.</note>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 6.</head><lb/>
          <p>Jhr Umfang bleibt al&#x017F;o noch allemal &#x017F;ehr<lb/>
weitla&#x0364;uftig, und weitla&#x0364;uftiger, als daß man<lb/>
&#x017F;olchen neb&#x017F;t allen &#x017F;einen Theilen gleich&#x017F;am mit<lb/>
einem Maaß&#x017F;taabe vo&#x0364;llig ausme&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnte.<lb/>
Deswegen nenne ich nur dasjenige merckwu&#x0364;rdig,<lb/>
was das Wohl eines Reichs in einem <hi rendition="#fr">merck-<lb/>
lichen Grade</hi> angehet, und &#x017F;etze al&#x017F;o zur Haupt-<lb/>
regel: je mehr etwas die Wohlfahrt eines gan-<lb/>
zen Reichs betrifft: je nothwendiger wird de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Erla&#x0364;uterung in der Staatswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 7.</head><lb/>
          <p>Man muß al&#x017F;o aus den unendlichen Merck-<lb/>
wu&#x0364;rdigkeiten die <hi rendition="#fr">nothwendig&#x017F;ten</hi> heraus neh-<lb/>
men, ohne welche die wahre Be&#x017F;chaffenheit der<lb/>
Wohlfahrt einer Nation nicht begriffen werden<lb/>
kann. Die&#x017F;e &#x017F;etze man zu &#x017F;einer Betrachtung<lb/>
aus, und &#x017F;tecke ihre Grenzen ab: &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich<lb/>
der ganze Bezirk endlich u&#x0364;ber&#x017F;ehen und durch-<lb/>
wandern, und es kommt nur darauf an, daß<lb/>
man denjenigen Weg erwa&#x0364;hlt, welchen uns die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Natur</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0019] Staatswißenſchaft. * Die Lateiner nennen es notitiam reipublicae ſingularis, und ſondern es alſo von der allgemeinen Staatswiſſenſchaft ab. Es iſt ſolches wohl zu mer- cken. Die letztere erweiſet, wie eine buͤrgerliche Ge- ſellſchaft uͤberhaupt eingerichtet ſoll: die erſtere aber erzehlet, wie eineſolche einzelne groſſe Geſellſchaft in ihrer ganzen Verfaſſung wuͤrcklich eingerichtet iſt. §. 6. Jhr Umfang bleibt alſo noch allemal ſehr weitlaͤuftig, und weitlaͤuftiger, als daß man ſolchen nebſt allen ſeinen Theilen gleichſam mit einem Maaßſtaabe voͤllig ausmeſſen koͤnnte. Deswegen nenne ich nur dasjenige merckwuͤrdig, was das Wohl eines Reichs in einem merck- lichen Grade angehet, und ſetze alſo zur Haupt- regel: je mehr etwas die Wohlfahrt eines gan- zen Reichs betrifft: je nothwendiger wird deſ- ſen Erlaͤuterung in der Staatswiſſenſchaft. §. 7. Man muß alſo aus den unendlichen Merck- wuͤrdigkeiten die nothwendigſten heraus neh- men, ohne welche die wahre Beſchaffenheit der Wohlfahrt einer Nation nicht begriffen werden kann. Dieſe ſetze man zu ſeiner Betrachtung aus, und ſtecke ihre Grenzen ab: ſo laͤßt ſich der ganze Bezirk endlich uͤberſehen und durch- wandern, und es kommt nur darauf an, daß man denjenigen Weg erwaͤhlt, welchen uns die Natur A 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/achenwall_staatswissenschaft_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/achenwall_staatswissenschaft_1749/19
Zitationshilfe: Achenwall, Gottfried: Abriß der neuesten Staatswissenschaft der vornehmsten Europäischen Reiche und Republicken. Göttingen, 1749, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/achenwall_staatswissenschaft_1749/19>, abgerufen am 16.04.2024.