Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Albertinus, Aegidius: Der Landtstörtzer: Gusman von Alfarche oder Picaro genannt. Bd. 1. München, 1615.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Landtstörtzer.
meinem lieben Vatter nit so hoch für vbel ha-
ben sollen.

Ferrner hielt man meinen lieben Vatter
für einen Heuchler: Wann nun ich sihe/
daß ein Priester oder religios mitten in der
Nacht an einem verdächtigen Ort durch das
Fenster steigt/ vnd ein Wöhr an der Seyten
hat/ alsdann kan ich je nit sagen/ daß derselb
im willen habe/ jemande mit den heiligen Sa-
cramenten zuuersehen: Wann aber einer
vil bettet/ offt beichtet/ communiciret, vnd
täglich Meß höret/ vnnd wann man jhn deß-
wegen für einen Heuchler vnd Gleißner hal-
ten wolte/ das were je ein vnbillicher handel
vnd ein grosse Boßheit: Mein lieber Vatter
pflegte allzeit einen grossen Rosenkrantz oder
pater noster bey sich zutragen/ alle Morgen
hörte er seine drey Messen mit gebognen Knyen
vnd gen Himmel auffgehebten Händen/ dar-
neben gab er auch vtl Almusen. Das legten
jhm nun seine Mißgönner zu einer Gleißne-
rey auß: Die vrsach dessen war/ allweil er
sich einsmals schier ein gantzes Jahrlang ab-
sentirte,
vnsichtbar machte/ vnnd seinem

Mitge-
A 4

Der Landtſtoͤrtzer.
meinem lieben Vatter nit ſo hoch fuͤr vbel ha-
ben ſollen.

Ferꝛner hielt man meinen lieben Vatter
fuͤr einen Heuchler: Wann nun ich ſihe/
daß ein Prieſter oder religios mitten in der
Nacht an einem verdaͤchtigen Ort durch das
Fenſter ſteigt/ vnd ein Woͤhr an der Seyten
hat/ alsdann kan ich je nit ſagen/ daß derſelb
im willen habe/ jemande mit den heiligen Sa-
cramenten zuuerſehen: Wann aber einer
vil bettet/ offt beichtet/ communiciret, vnd
taͤglich Meß hoͤret/ vnnd wann man jhn deß-
wegen fuͤr einen Heuchler vnd Gleißner hal-
ten wolte/ das were je ein vnbillicher handel
vnd ein groſſe Boßheit: Mein lieber Vatter
pflegte allzeit einen groſſen Roſenkrantz oder
pater noſter bey ſich zutragen/ alle Morgen
hoͤrte er ſeine dꝛey Meſſen mit gebognẽ Knyen
vnd gen Himmel auffgehebten Haͤnden/ dar-
neben gab er auch vtl Almuſen. Das legten
jhm nun ſeine Mißgoͤnner zu einer Gleißne-
rey auß: Die vrſach deſſen war/ allweil er
ſich einsmals ſchier ein gantzes Jahrlang ab-
ſentirte,
vnſichtbar machte/ vnnd ſeinem

Mitge-
A 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0029" n="7"/><fw place="top" type="header">Der Landt&#x017F;to&#x0364;rtzer.</fw><lb/>
meinem lieben Vatter nit &#x017F;o hoch fu&#x0364;r vbel ha-<lb/>
ben &#x017F;ollen.</p><lb/>
          <p>Fer&#xA75B;ner hielt man meinen lieben Vatter<lb/>
fu&#x0364;r einen Heuchler: Wann nun ich &#x017F;ihe/<lb/>
daß ein Prie&#x017F;ter oder <hi rendition="#aq">religios</hi> mitten in der<lb/>
Nacht an einem verda&#x0364;chtigen Ort durch das<lb/>
Fen&#x017F;ter &#x017F;teigt/ vnd ein Wo&#x0364;hr an der Seyten<lb/>
hat/ alsdann kan ich je nit &#x017F;agen/ daß der&#x017F;elb<lb/>
im willen habe/ jemande mit den heiligen Sa-<lb/>
cramenten zuuer&#x017F;ehen: Wann aber einer<lb/>
vil bettet/ offt beichtet/ <hi rendition="#aq">communiciret,</hi> vnd<lb/>
ta&#x0364;glich Meß ho&#x0364;ret/ vnnd wann man jhn deß-<lb/>
wegen fu&#x0364;r einen Heuchler vnd Gleißner hal-<lb/>
ten wolte/ das were je ein vnbillicher handel<lb/>
vnd ein gro&#x017F;&#x017F;e Boßheit: Mein lieber Vatter<lb/>
pflegte allzeit einen gro&#x017F;&#x017F;en Ro&#x017F;enkrantz oder<lb/><hi rendition="#aq">pater no&#x017F;ter</hi> bey &#x017F;ich zutragen/ alle Morgen<lb/>
ho&#x0364;rte er &#x017F;eine d&#xA75B;ey Me&#x017F;&#x017F;en mit gebogne&#x0303; Knyen<lb/>
vnd gen Himmel auffgehebten Ha&#x0364;nden/ dar-<lb/>
neben gab er auch vtl Almu&#x017F;en. Das legten<lb/>
jhm nun &#x017F;eine Mißgo&#x0364;nner zu einer Gleißne-<lb/>
rey auß: Die vr&#x017F;ach de&#x017F;&#x017F;en war/ allweil er<lb/>
&#x017F;ich einsmals &#x017F;chier ein gantzes Jahrlang <hi rendition="#aq">ab-<lb/>
&#x017F;entirte,</hi> vn&#x017F;ichtbar machte/ vnnd &#x017F;einem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Mitge-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0029] Der Landtſtoͤrtzer. meinem lieben Vatter nit ſo hoch fuͤr vbel ha- ben ſollen. Ferꝛner hielt man meinen lieben Vatter fuͤr einen Heuchler: Wann nun ich ſihe/ daß ein Prieſter oder religios mitten in der Nacht an einem verdaͤchtigen Ort durch das Fenſter ſteigt/ vnd ein Woͤhr an der Seyten hat/ alsdann kan ich je nit ſagen/ daß derſelb im willen habe/ jemande mit den heiligen Sa- cramenten zuuerſehen: Wann aber einer vil bettet/ offt beichtet/ communiciret, vnd taͤglich Meß hoͤret/ vnnd wann man jhn deß- wegen fuͤr einen Heuchler vnd Gleißner hal- ten wolte/ das were je ein vnbillicher handel vnd ein groſſe Boßheit: Mein lieber Vatter pflegte allzeit einen groſſen Roſenkrantz oder pater noſter bey ſich zutragen/ alle Morgen hoͤrte er ſeine dꝛey Meſſen mit gebognẽ Knyen vnd gen Himmel auffgehebten Haͤnden/ dar- neben gab er auch vtl Almuſen. Das legten jhm nun ſeine Mißgoͤnner zu einer Gleißne- rey auß: Die vrſach deſſen war/ allweil er ſich einsmals ſchier ein gantzes Jahrlang ab- ſentirte, vnſichtbar machte/ vnnd ſeinem Mitge- A 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/albertinus_landtstoertzer01_1615
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/albertinus_landtstoertzer01_1615/29
Zitationshilfe: Albertinus, Aegidius: Der Landtstörtzer: Gusman von Alfarche oder Picaro genannt. Bd. 1. München, 1615, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/albertinus_landtstoertzer01_1615/29>, abgerufen am 29.03.2024.