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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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endlich nach der richtigen strategischen Maaßregel, daß
ein Fluß leichter an der Quelle als am Ausströmen
zu forciren ist. Forcirt mußte er aber doch werden;
und man versank nicht allein im Moor und Wasser,
sondern auch im trocknen Sande, da ein Platzregen
in sandigen Gegenden das Eigene hat, daß er nur
die Oberfläche durchnäßt.

Die Sterne schienen wieder auf einen langen
und sauren Weg. Der Kriegsrath ging, Arme und
Stock auf dem Rücken, vorauf, er schien in die Sterne
zu sehen.

Auf dem Berge erwartete er Frau und Magd.
Sie gingen eine Weile neben einander, ohne zu
sprechen; ihre Gedanken schienen sich zu begegnen:
"Wir kennen sie eigentlich nicht." -- "Wenn Du
nur gefragt hättest, wo sie wohnt? sagte nach einer
Pause die Frau. Aber die Adelheid weiß, wo wir
wohnen, und sie ist ja kein Kind mehr."

Eine neue Pause. Sie näherten sich schon dem
Thore: "Wenn wir sie nun nicht zu Hause finden!"

Die Kriegsräthin hatte keine Antwort darauf.
Es preßte sie etwas auf der Brust. Sie strengte
sich an mit ihrem Manne Schritt zu halten. Da
mußte am Thor noch die Schildwacht ihnen Stillstand
gebieten und der Thorschreiber den Korb der Jette
untersuchen. Der Kriegsrath mußte seine Börse ziehen,
um einige Groschen Accise zu zahlen, und die Sohlen
brannten ihnen unter den Füßen. Selbst über den
schönen Stern in der Mitte des Platzes, der seine

endlich nach der richtigen ſtrategiſchen Maaßregel, daß
ein Fluß leichter an der Quelle als am Ausſtrömen
zu forciren iſt. Forcirt mußte er aber doch werden;
und man verſank nicht allein im Moor und Waſſer,
ſondern auch im trocknen Sande, da ein Platzregen
in ſandigen Gegenden das Eigene hat, daß er nur
die Oberfläche durchnäßt.

Die Sterne ſchienen wieder auf einen langen
und ſauren Weg. Der Kriegsrath ging, Arme und
Stock auf dem Rücken, vorauf, er ſchien in die Sterne
zu ſehen.

Auf dem Berge erwartete er Frau und Magd.
Sie gingen eine Weile neben einander, ohne zu
ſprechen; ihre Gedanken ſchienen ſich zu begegnen:
„Wir kennen ſie eigentlich nicht.“ — „Wenn Du
nur gefragt hätteſt, wo ſie wohnt? ſagte nach einer
Pauſe die Frau. Aber die Adelheid weiß, wo wir
wohnen, und ſie iſt ja kein Kind mehr.“

Eine neue Pauſe. Sie näherten ſich ſchon dem
Thore: „Wenn wir ſie nun nicht zu Hauſe finden!“

Die Kriegsräthin hatte keine Antwort darauf.
Es preßte ſie etwas auf der Bruſt. Sie ſtrengte
ſich an mit ihrem Manne Schritt zu halten. Da
mußte am Thor noch die Schildwacht ihnen Stillſtand
gebieten und der Thorſchreiber den Korb der Jette
unterſuchen. Der Kriegsrath mußte ſeine Börſe ziehen,
um einige Groſchen Acciſe zu zahlen, und die Sohlen
brannten ihnen unter den Füßen. Selbſt über den
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[198/0212] endlich nach der richtigen ſtrategiſchen Maaßregel, daß ein Fluß leichter an der Quelle als am Ausſtrömen zu forciren iſt. Forcirt mußte er aber doch werden; und man verſank nicht allein im Moor und Waſſer, ſondern auch im trocknen Sande, da ein Platzregen in ſandigen Gegenden das Eigene hat, daß er nur die Oberfläche durchnäßt. Die Sterne ſchienen wieder auf einen langen und ſauren Weg. Der Kriegsrath ging, Arme und Stock auf dem Rücken, vorauf, er ſchien in die Sterne zu ſehen. Auf dem Berge erwartete er Frau und Magd. Sie gingen eine Weile neben einander, ohne zu ſprechen; ihre Gedanken ſchienen ſich zu begegnen: „Wir kennen ſie eigentlich nicht.“ — „Wenn Du nur gefragt hätteſt, wo ſie wohnt? ſagte nach einer Pauſe die Frau. Aber die Adelheid weiß, wo wir wohnen, und ſie iſt ja kein Kind mehr.“ Eine neue Pauſe. Sie näherten ſich ſchon dem Thore: „Wenn wir ſie nun nicht zu Hauſe finden!“ Die Kriegsräthin hatte keine Antwort darauf. Es preßte ſie etwas auf der Bruſt. Sie ſtrengte ſich an mit ihrem Manne Schritt zu halten. Da mußte am Thor noch die Schildwacht ihnen Stillſtand gebieten und der Thorſchreiber den Korb der Jette unterſuchen. Der Kriegsrath mußte ſeine Börſe ziehen, um einige Groſchen Acciſe zu zahlen, und die Sohlen brannten ihnen unter den Füßen. Selbſt über den ſchönen Stern in der Mitte des Platzes, der ſeine

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/212>, abgerufen am 28.03.2024.