Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Warum den incommodiren!" sagte eine Stimme
dicht hinter ihr. Ein Fremder in seinen Mantel ge¬
schlungen, der vom Regen triefte, stand auf der Stufe
neben ihr. Sie hatte ihn nicht bemerkt, als er vom
Hofe die Treppe heraufkam. Auch erlaubten ihr die
hereinbrechende Dunkelheit und der Mantelkragen nicht,
das Gesicht zu sehen, als er im Vorbeigehen den
Hut lüftete. Es lag etwas Unheimliches für sie in
der Begegnung. Wer läßt sich gern in seinen Ge¬
danken belauschen.

"Wenn nur keine schädliche Substanz in dem
Gefäß war," setzte der Fremde hinzu.

"Wie meinen Sie das?"

"Der Muthwille der Kinder könnte unschuldige
Personen in Verdacht bringen."

"Das einzige Unglück wäre doch nur, daß er
heut Abend eine versalzene Suppe auf den Tisch
bekommt," bemerkte die Geheimeräthin, die, schnell
zu sich gekommen, ihre Unruhe nicht merken ließ.

"So treffe ich den Geheimerath zu Hause, was
mir sehr angenehm ist," entgegnete der Fremde, noch
einmal den Hut anfassend um die Treppe hinaufzusteigen.

"Dies ist nicht der eigentliche Weg zu ihm,
konnte die Geheimeräthin sich nicht enthalten zu be¬
merken. Auf der Vordertreppe begegnen Sie der
Bedienung, um sich melden zu lassen."

"Meine Botschaft kommt wohl gelegener über
die Hintertreppe."

"Auch, wenn er zu Hause wäre, zweifle ich, daß

„Warum den incommodiren!“ ſagte eine Stimme
dicht hinter ihr. Ein Fremder in ſeinen Mantel ge¬
ſchlungen, der vom Regen triefte, ſtand auf der Stufe
neben ihr. Sie hatte ihn nicht bemerkt, als er vom
Hofe die Treppe heraufkam. Auch erlaubten ihr die
hereinbrechende Dunkelheit und der Mantelkragen nicht,
das Geſicht zu ſehen, als er im Vorbeigehen den
Hut lüftete. Es lag etwas Unheimliches für ſie in
der Begegnung. Wer läßt ſich gern in ſeinen Ge¬
danken belauſchen.

„Wenn nur keine ſchädliche Subſtanz in dem
Gefäß war,“ ſetzte der Fremde hinzu.

„Wie meinen Sie das?“

„Der Muthwille der Kinder könnte unſchuldige
Perſonen in Verdacht bringen.“

„Das einzige Unglück wäre doch nur, daß er
heut Abend eine verſalzene Suppe auf den Tiſch
bekommt,“ bemerkte die Geheimeräthin, die, ſchnell
zu ſich gekommen, ihre Unruhe nicht merken ließ.

„So treffe ich den Geheimerath zu Hauſe, was
mir ſehr angenehm iſt,“ entgegnete der Fremde, noch
einmal den Hut anfaſſend um die Treppe hinaufzuſteigen.

„Dies iſt nicht der eigentliche Weg zu ihm,
konnte die Geheimeräthin ſich nicht enthalten zu be¬
merken. Auf der Vordertreppe begegnen Sie der
Bedienung, um ſich melden zu laſſen.“

„Meine Botſchaft kommt wohl gelegener über
die Hintertreppe.“

„Auch, wenn er zu Hauſe wäre, zweifle ich, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0045" n="31"/>
        <p>&#x201E;Warum den incommodiren!&#x201C; &#x017F;agte eine Stimme<lb/>
dicht hinter ihr. Ein Fremder in &#x017F;einen Mantel ge¬<lb/>
&#x017F;chlungen, der vom Regen triefte, &#x017F;tand auf der Stufe<lb/>
neben ihr. Sie hatte ihn nicht bemerkt, als er vom<lb/>
Hofe die Treppe heraufkam. Auch erlaubten ihr die<lb/>
hereinbrechende Dunkelheit und der Mantelkragen nicht,<lb/>
das Ge&#x017F;icht zu &#x017F;ehen, als er im Vorbeigehen den<lb/>
Hut lüftete. Es lag etwas Unheimliches für &#x017F;ie in<lb/>
der Begegnung. Wer läßt &#x017F;ich gern in &#x017F;einen Ge¬<lb/>
danken belau&#x017F;chen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn nur keine &#x017F;chädliche Sub&#x017F;tanz in dem<lb/>
Gefäß war,&#x201C; &#x017F;etzte der Fremde hinzu.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie meinen Sie das?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Muthwille der Kinder könnte un&#x017F;chuldige<lb/>
Per&#x017F;onen in Verdacht bringen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das einzige Unglück wäre doch nur, daß er<lb/>
heut Abend eine ver&#x017F;alzene Suppe auf den Ti&#x017F;ch<lb/>
bekommt,&#x201C; bemerkte die Geheimeräthin, die, &#x017F;chnell<lb/>
zu &#x017F;ich gekommen, ihre Unruhe nicht merken ließ.</p><lb/>
        <p>&#x201E;So treffe ich den Geheimerath zu Hau&#x017F;e, was<lb/>
mir &#x017F;ehr angenehm i&#x017F;t,&#x201C; entgegnete der Fremde, noch<lb/>
einmal den Hut anfa&#x017F;&#x017F;end um die Treppe hinaufzu&#x017F;teigen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dies i&#x017F;t nicht der eigentliche Weg zu ihm,<lb/>
konnte die Geheimeräthin &#x017F;ich nicht enthalten zu be¬<lb/>
merken. Auf der Vordertreppe begegnen Sie der<lb/>
Bedienung, um &#x017F;ich melden zu la&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Meine Bot&#x017F;chaft kommt wohl gelegener über<lb/>
die Hintertreppe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Auch, wenn er zu Hau&#x017F;e wäre, zweifle ich, daß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0045] „Warum den incommodiren!“ ſagte eine Stimme dicht hinter ihr. Ein Fremder in ſeinen Mantel ge¬ ſchlungen, der vom Regen triefte, ſtand auf der Stufe neben ihr. Sie hatte ihn nicht bemerkt, als er vom Hofe die Treppe heraufkam. Auch erlaubten ihr die hereinbrechende Dunkelheit und der Mantelkragen nicht, das Geſicht zu ſehen, als er im Vorbeigehen den Hut lüftete. Es lag etwas Unheimliches für ſie in der Begegnung. Wer läßt ſich gern in ſeinen Ge¬ danken belauſchen. „Wenn nur keine ſchädliche Subſtanz in dem Gefäß war,“ ſetzte der Fremde hinzu. „Wie meinen Sie das?“ „Der Muthwille der Kinder könnte unſchuldige Perſonen in Verdacht bringen.“ „Das einzige Unglück wäre doch nur, daß er heut Abend eine verſalzene Suppe auf den Tiſch bekommt,“ bemerkte die Geheimeräthin, die, ſchnell zu ſich gekommen, ihre Unruhe nicht merken ließ. „So treffe ich den Geheimerath zu Hauſe, was mir ſehr angenehm iſt,“ entgegnete der Fremde, noch einmal den Hut anfaſſend um die Treppe hinaufzuſteigen. „Dies iſt nicht der eigentliche Weg zu ihm, konnte die Geheimeräthin ſich nicht enthalten zu be¬ merken. Auf der Vordertreppe begegnen Sie der Bedienung, um ſich melden zu laſſen.“ „Meine Botſchaft kommt wohl gelegener über die Hintertreppe.“ „Auch, wenn er zu Hauſe wäre, zweifle ich, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/45
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/45>, abgerufen am 20.04.2024.