Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Die geöffneten Flügelthüren einer Reihe Apar¬
tements, die ausgelegten Teppiche und die Wachs¬
kerzen auf den Kronleuchtern, schienen indeß mit dieser
Angabe nicht zu stimmen. Die Lupinus mochte den
beobachtenden Blick des Lehrers bemerkt haben, als
sie hinzusetzte:

"Aber es wird nicht gespielt. Daß diese geist¬
tödtende Unterhaltung im Anfange des neunzehnten
Jahrhunderts sich noch erhalten kann, und in Kreisen,
die durch ihre Bildung hervorstechen! Man wird es
späterhin kaum begreifen."

Van Asten meinte, es wäre wenigstens eine
harmlose Schattenseite. "Der Geistreiche kann doch
nicht immer sprudeln und sich ausgeben, und der
Geistarme findet ein sicheres Versteck. Welt und
Gesellschaft sind nun einmal zusammengewürfelte
Kunststücke von Reichen und Armen. Den bunten
Schleier, der den Unterschied verbirgt, sollte man
nicht muthwillig zerreißen."

Der Geheimräthin mißfiel diese Auslegung nicht:
"Es freut mich, daß Adelheid sich in diesem Kreise
zu gefallen anfängt. Im Anfang war ich besorgt.
Aber sie gewöhnt sich schon --"

"Sie gewöhnt sich!" wiederholte van Asten und
schwieg doch wieder.

"Sie gewöhnt sich an die edlere, feinere Art,
nachdem sie inne wird, daß ihre naiven Antworten
nur ihrer Neuheit wegen gefielen und wirkten. Das
ist der Takt des Kindes, den ich admirire. Daß

Die geöffneten Flügelthüren einer Reihe Apar¬
tements, die ausgelegten Teppiche und die Wachs¬
kerzen auf den Kronleuchtern, ſchienen indeß mit dieſer
Angabe nicht zu ſtimmen. Die Lupinus mochte den
beobachtenden Blick des Lehrers bemerkt haben, als
ſie hinzuſetzte:

„Aber es wird nicht geſpielt. Daß dieſe geiſt¬
tödtende Unterhaltung im Anfange des neunzehnten
Jahrhunderts ſich noch erhalten kann, und in Kreiſen,
die durch ihre Bildung hervorſtechen! Man wird es
ſpäterhin kaum begreifen.“

Van Aſten meinte, es wäre wenigſtens eine
harmloſe Schattenſeite. „Der Geiſtreiche kann doch
nicht immer ſprudeln und ſich ausgeben, und der
Geiſtarme findet ein ſicheres Verſteck. Welt und
Geſellſchaft ſind nun einmal zuſammengewürfelte
Kunſtſtücke von Reichen und Armen. Den bunten
Schleier, der den Unterſchied verbirgt, ſollte man
nicht muthwillig zerreißen.“

Der Geheimräthin mißfiel dieſe Auslegung nicht:
„Es freut mich, daß Adelheid ſich in dieſem Kreiſe
zu gefallen anfängt. Im Anfang war ich beſorgt.
Aber ſie gewöhnt ſich ſchon —“

„Sie gewöhnt ſich!“ wiederholte van Aſten und
ſchwieg doch wieder.

„Sie gewöhnt ſich an die edlere, feinere Art,
nachdem ſie inne wird, daß ihre naiven Antworten
nur ihrer Neuheit wegen gefielen und wirkten. Das
iſt der Takt des Kindes, den ich admirire. Daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0034" n="24"/>
        <p>Die geöffneten Flügelthüren einer Reihe Apar¬<lb/>
tements, die ausgelegten Teppiche und die Wachs¬<lb/>
kerzen auf den Kronleuchtern, &#x017F;chienen indeß mit die&#x017F;er<lb/>
Angabe nicht zu &#x017F;timmen. Die Lupinus mochte den<lb/>
beobachtenden Blick des Lehrers bemerkt haben, als<lb/>
&#x017F;ie hinzu&#x017F;etzte:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber es wird nicht ge&#x017F;pielt. Daß die&#x017F;e gei&#x017F;<lb/>
tödtende Unterhaltung im Anfange des neunzehnten<lb/>
Jahrhunderts &#x017F;ich noch erhalten kann, und in Krei&#x017F;en,<lb/>
die durch ihre Bildung hervor&#x017F;techen! Man wird es<lb/>
&#x017F;päterhin kaum begreifen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Van A&#x017F;ten meinte, es wäre wenig&#x017F;tens eine<lb/>
harmlo&#x017F;e Schatten&#x017F;eite. &#x201E;Der Gei&#x017F;treiche kann doch<lb/>
nicht immer &#x017F;prudeln und &#x017F;ich ausgeben, und der<lb/>
Gei&#x017F;tarme findet ein &#x017F;icheres Ver&#x017F;teck. Welt und<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;ind nun einmal zu&#x017F;ammengewürfelte<lb/>
Kun&#x017F;t&#x017F;tücke von Reichen und Armen. Den bunten<lb/>
Schleier, der den Unter&#x017F;chied verbirgt, &#x017F;ollte man<lb/>
nicht muthwillig zerreißen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Geheimräthin mißfiel die&#x017F;e Auslegung nicht:<lb/>
&#x201E;Es freut mich, daß Adelheid &#x017F;ich in die&#x017F;em Krei&#x017F;e<lb/>
zu gefallen anfängt. Im Anfang war ich be&#x017F;orgt.<lb/>
Aber &#x017F;ie gewöhnt &#x017F;ich &#x017F;chon &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie gewöhnt &#x017F;ich!&#x201C; wiederholte van A&#x017F;ten und<lb/>
&#x017F;chwieg doch wieder.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie gewöhnt &#x017F;ich an die edlere, feinere Art,<lb/>
nachdem &#x017F;ie inne wird, daß ihre naiven Antworten<lb/>
nur ihrer Neuheit wegen gefielen und wirkten. Das<lb/>
i&#x017F;t der Takt des Kindes, den ich admirire. Daß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0034] Die geöffneten Flügelthüren einer Reihe Apar¬ tements, die ausgelegten Teppiche und die Wachs¬ kerzen auf den Kronleuchtern, ſchienen indeß mit dieſer Angabe nicht zu ſtimmen. Die Lupinus mochte den beobachtenden Blick des Lehrers bemerkt haben, als ſie hinzuſetzte: „Aber es wird nicht geſpielt. Daß dieſe geiſt¬ tödtende Unterhaltung im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts ſich noch erhalten kann, und in Kreiſen, die durch ihre Bildung hervorſtechen! Man wird es ſpäterhin kaum begreifen.“ Van Aſten meinte, es wäre wenigſtens eine harmloſe Schattenſeite. „Der Geiſtreiche kann doch nicht immer ſprudeln und ſich ausgeben, und der Geiſtarme findet ein ſicheres Verſteck. Welt und Geſellſchaft ſind nun einmal zuſammengewürfelte Kunſtſtücke von Reichen und Armen. Den bunten Schleier, der den Unterſchied verbirgt, ſollte man nicht muthwillig zerreißen.“ Der Geheimräthin mißfiel dieſe Auslegung nicht: „Es freut mich, daß Adelheid ſich in dieſem Kreiſe zu gefallen anfängt. Im Anfang war ich beſorgt. Aber ſie gewöhnt ſich ſchon —“ „Sie gewöhnt ſich!“ wiederholte van Aſten und ſchwieg doch wieder. „Sie gewöhnt ſich an die edlere, feinere Art, nachdem ſie inne wird, daß ihre naiven Antworten nur ihrer Neuheit wegen gefielen und wirkten. Das iſt der Takt des Kindes, den ich admirire. Daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/34
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/34>, abgerufen am 24.04.2024.