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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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Natursinn, da stand mir Ihr Bild wieder klar vor
der Seele."

"Daß es Ihnen nie untergehe, sprach rasch der
junge Mann. Ich irrte mich nicht in ihm. Leben
Sie wohl!"

"Auf Wiedersehen, heute Abend. Ich selbst will
Sie ihm vorstellen."

Der Lehrer sprach einige undeutliche Worte. Die
Geheimräthin stotterte: "Herr van Asten sei wohl heute
behindert, da er von ihrem Manne so lange aufge¬
halten worden."

"Mama, haben Sie ihn nicht eingeladen?"
fragte Adelheid verwundert als sich die Thüre schloß.

"In die Gesellschaft paßt er doch nicht."

"Mein Lehrer, den Sie selbst so schätzen?"

"Es ist nicht deswillen. Aber er ist zu unan¬
sehnlich."

"Unansehnlich!"

"Jean Paul freut sich an schönen Gesichtszügen.
Van Asten ist doch eigentlich häßlich."

"Häßlich!" rief Adelheid mit Zaudern und schien
sich zu besinnen. Das ist mir nie eingefallen, daß
van Asten häßlich sei. Daran habe ich überhaupt nie
gedacht."

"Was auch recht gut ist, liebes Kind, entgegnete
lächelnd die Geheimräthin. Und überdem ist er nichts
in der Gesellschaft."


Naturſinn, da ſtand mir Ihr Bild wieder klar vor
der Seele.“

„Daß es Ihnen nie untergehe, ſprach raſch der
junge Mann. Ich irrte mich nicht in ihm. Leben
Sie wohl!“

„Auf Wiederſehen, heute Abend. Ich ſelbſt will
Sie ihm vorſtellen.“

Der Lehrer ſprach einige undeutliche Worte. Die
Geheimräthin ſtotterte: „Herr van Aſten ſei wohl heute
behindert, da er von ihrem Manne ſo lange aufge¬
halten worden.“

„Mama, haben Sie ihn nicht eingeladen?“
fragte Adelheid verwundert als ſich die Thüre ſchloß.

„In die Geſellſchaft paßt er doch nicht.“

„Mein Lehrer, den Sie ſelbſt ſo ſchätzen?“

„Es iſt nicht deswillen. Aber er iſt zu unan¬
ſehnlich.“

„Unanſehnlich!“

„Jean Paul freut ſich an ſchönen Geſichtszügen.
Van Aſten iſt doch eigentlich häßlich.“

„Häßlich!“ rief Adelheid mit Zaudern und ſchien
ſich zu beſinnen. Das iſt mir nie eingefallen, daß
van Aſten häßlich ſei. Daran habe ich überhaupt nie
gedacht.“

„Was auch recht gut iſt, liebes Kind, entgegnete
lächelnd die Geheimräthin. Und überdem iſt er nichts
in der Geſellſchaft.“


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[41/0051] Naturſinn, da ſtand mir Ihr Bild wieder klar vor der Seele.“ „Daß es Ihnen nie untergehe, ſprach raſch der junge Mann. Ich irrte mich nicht in ihm. Leben Sie wohl!“ „Auf Wiederſehen, heute Abend. Ich ſelbſt will Sie ihm vorſtellen.“ Der Lehrer ſprach einige undeutliche Worte. Die Geheimräthin ſtotterte: „Herr van Aſten ſei wohl heute behindert, da er von ihrem Manne ſo lange aufge¬ halten worden.“ „Mama, haben Sie ihn nicht eingeladen?“ fragte Adelheid verwundert als ſich die Thüre ſchloß. „In die Geſellſchaft paßt er doch nicht.“ „Mein Lehrer, den Sie ſelbſt ſo ſchätzen?“ „Es iſt nicht deswillen. Aber er iſt zu unan¬ ſehnlich.“ „Unanſehnlich!“ „Jean Paul freut ſich an ſchönen Geſichtszügen. Van Aſten iſt doch eigentlich häßlich.“ „Häßlich!“ rief Adelheid mit Zaudern und ſchien ſich zu beſinnen. Das iſt mir nie eingefallen, daß van Aſten häßlich ſei. Daran habe ich überhaupt nie gedacht.“ „Was auch recht gut iſt, liebes Kind, entgegnete lächelnd die Geheimräthin. Und überdem iſt er nichts in der Geſellſchaft.“

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/51>, abgerufen am 29.03.2024.