Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

sie empfinde, die sie und ihre Leiden verstehe, ihr
Herz auszuschütten.

Die Fürstin wollte sich mit sich selbst beschäftigen,
und die Leiden der Baronin waren ihr unter allen
Dingen, mit denen sie sich beschäftigt, in dem Augen¬
blick die allergleichgültigsten. Das schien wenigstens
der Seufzer anzudeuten, der aus ihrer Brust sich
Luft machte, aber sie drückte die Freundin mit sanfter
Innigkeit an diese selbe Brust:

"Ach, glauben Sie mir, Leiden schickt der Him¬
mel denen, die er liebt."

"Aber nicht solche, rief die Schluchzende, wie
mir! Ach mein Gott, ich weiß ja nun alles, 's ist
mir alles so klar wie was!"

"Was ist Ihnen klar, Liebe?"

"Nichts, sage ich Ihnen, wie ich Ihnen immer
gesagt, als ein Mißverständniß. Mein Mops ist mir
jetzt ordentlich zuwider; ich könnte ihn vergiften. Aber
wer trennt sich gleich von solchem Thier! Er hat
nun mal seinen Platz. 's ist die Gewohnheit, sagt
mein Mann. Fanchon hat wohl recht, wenn sie
singt --"

"Ich verstehe Sie nicht." Die Fürstin verstand
sie wirklich nicht.

"Ich weiß es, ich rede confus, ich verstehe mich
ja selbst zuweilen nicht. Aber das mit dem Mops
war so gewiß ein Irrthum, er konnte nicht davor,
er wußte nicht, daß er meiner war. Es sind boshafte
Menschen dazwischen, die haben ihm das arme Thier

ſie empfinde, die ſie und ihre Leiden verſtehe, ihr
Herz auszuſchütten.

Die Fürſtin wollte ſich mit ſich ſelbſt beſchäftigen,
und die Leiden der Baronin waren ihr unter allen
Dingen, mit denen ſie ſich beſchäftigt, in dem Augen¬
blick die allergleichgültigſten. Das ſchien wenigſtens
der Seufzer anzudeuten, der aus ihrer Bruſt ſich
Luft machte, aber ſie drückte die Freundin mit ſanfter
Innigkeit an dieſe ſelbe Bruſt:

„Ach, glauben Sie mir, Leiden ſchickt der Him¬
mel denen, die er liebt.“

„Aber nicht ſolche, rief die Schluchzende, wie
mir! Ach mein Gott, ich weiß ja nun alles, 's iſt
mir alles ſo klar wie was!“

„Was iſt Ihnen klar, Liebe?“

„Nichts, ſage ich Ihnen, wie ich Ihnen immer
geſagt, als ein Mißverſtändniß. Mein Mops iſt mir
jetzt ordentlich zuwider; ich könnte ihn vergiften. Aber
wer trennt ſich gleich von ſolchem Thier! Er hat
nun mal ſeinen Platz. 's iſt die Gewohnheit, ſagt
mein Mann. Fanchon hat wohl recht, wenn ſie
ſingt —“

„Ich verſtehe Sie nicht.“ Die Fürſtin verſtand
ſie wirklich nicht.

„Ich weiß es, ich rede confus, ich verſtehe mich
ja ſelbſt zuweilen nicht. Aber das mit dem Mops
war ſo gewiß ein Irrthum, er konnte nicht davor,
er wußte nicht, daß er meiner war. Es ſind boshafte
Menſchen dazwiſchen, die haben ihm das arme Thier

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0175" n="165"/>
&#x017F;ie empfinde, die &#x017F;ie und ihre Leiden ver&#x017F;tehe, ihr<lb/>
Herz auszu&#x017F;chütten.</p><lb/>
        <p>Die Für&#x017F;tin wollte &#x017F;ich mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;chäftigen,<lb/>
und die Leiden der Baronin waren ihr unter allen<lb/>
Dingen, mit denen &#x017F;ie &#x017F;ich be&#x017F;chäftigt, in dem Augen¬<lb/>
blick die allergleichgültig&#x017F;ten. Das &#x017F;chien wenig&#x017F;tens<lb/>
der Seufzer anzudeuten, der aus ihrer Bru&#x017F;t &#x017F;ich<lb/>
Luft machte, aber &#x017F;ie drückte die Freundin mit &#x017F;anfter<lb/>
Innigkeit an die&#x017F;e &#x017F;elbe Bru&#x017F;t:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach, glauben Sie mir, Leiden &#x017F;chickt der Him¬<lb/>
mel denen, die er liebt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber nicht &#x017F;olche, rief die Schluchzende, wie<lb/>
mir! Ach mein Gott, ich weiß ja nun alles, 's i&#x017F;t<lb/>
mir alles &#x017F;o klar wie was!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was i&#x017F;t Ihnen klar, Liebe?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nichts, &#x017F;age ich Ihnen, wie ich Ihnen immer<lb/>
ge&#x017F;agt, als ein Mißver&#x017F;tändniß. Mein Mops i&#x017F;t mir<lb/>
jetzt ordentlich zuwider; ich könnte ihn vergiften. Aber<lb/>
wer trennt &#x017F;ich gleich von &#x017F;olchem Thier! Er hat<lb/>
nun mal &#x017F;einen Platz. 's i&#x017F;t die Gewohnheit, &#x017F;agt<lb/>
mein Mann. Fanchon hat wohl recht, wenn &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ingt &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich ver&#x017F;tehe Sie nicht.&#x201C; Die Für&#x017F;tin ver&#x017F;tand<lb/>
&#x017F;ie wirklich nicht.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich weiß es, ich rede confus, ich ver&#x017F;tehe mich<lb/>
ja &#x017F;elb&#x017F;t zuweilen nicht. Aber das mit dem Mops<lb/>
war &#x017F;o gewiß ein Irrthum, er konnte nicht davor,<lb/>
er wußte nicht, daß er meiner war. Es &#x017F;ind boshafte<lb/>
Men&#x017F;chen dazwi&#x017F;chen, die haben ihm das arme Thier<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0175] ſie empfinde, die ſie und ihre Leiden verſtehe, ihr Herz auszuſchütten. Die Fürſtin wollte ſich mit ſich ſelbſt beſchäftigen, und die Leiden der Baronin waren ihr unter allen Dingen, mit denen ſie ſich beſchäftigt, in dem Augen¬ blick die allergleichgültigſten. Das ſchien wenigſtens der Seufzer anzudeuten, der aus ihrer Bruſt ſich Luft machte, aber ſie drückte die Freundin mit ſanfter Innigkeit an dieſe ſelbe Bruſt: „Ach, glauben Sie mir, Leiden ſchickt der Him¬ mel denen, die er liebt.“ „Aber nicht ſolche, rief die Schluchzende, wie mir! Ach mein Gott, ich weiß ja nun alles, 's iſt mir alles ſo klar wie was!“ „Was iſt Ihnen klar, Liebe?“ „Nichts, ſage ich Ihnen, wie ich Ihnen immer geſagt, als ein Mißverſtändniß. Mein Mops iſt mir jetzt ordentlich zuwider; ich könnte ihn vergiften. Aber wer trennt ſich gleich von ſolchem Thier! Er hat nun mal ſeinen Platz. 's iſt die Gewohnheit, ſagt mein Mann. Fanchon hat wohl recht, wenn ſie ſingt —“ „Ich verſtehe Sie nicht.“ Die Fürſtin verſtand ſie wirklich nicht. „Ich weiß es, ich rede confus, ich verſtehe mich ja ſelbſt zuweilen nicht. Aber das mit dem Mops war ſo gewiß ein Irrthum, er konnte nicht davor, er wußte nicht, daß er meiner war. Es ſind boshafte Menſchen dazwiſchen, die haben ihm das arme Thier

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/175
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/175>, abgerufen am 28.03.2024.