Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

suchte sich in den Logen, schüttelte sich die Hände;
aus den Logen ging man ins Parterre, und unver¬
sehens hatten einige Allzeitfertige aus Brettern und
Stühlen eine Art Treppe nach der Bühne gebaut.
Das Stück war ja zu Ende, nur den Vorhang hatte
man herunterzulassen vergessen -- oder auch nicht
vergessen. Während junge Enthusiasten hinaufspran¬
gen, den Schauspielern die Hände zu schütteln, wink¬
ten Andere den Darstellern, herabzukommen. Bald
sah man Iffland in seiner stattlichen Armatur als
Wachtmeister im Kreise der Officiere, seiner Freunde.
Er spielte nicht den Wachtmeister, er war es. Er
war ein Patriot von Herzen, und von Herzen redete
er feierliche Worte von Aufopferung und Treue. Seine
ungen Verehrer drängten sich, ihm in die Hand zu
schlagen, als Gelöbniß, daß sie leben oder sterben
wollten für König und Vaterland.

In der Erhebung des Augenblickes fand Nie¬
mand darin Seltsames, daß der Schauspieler den
Ernst des Lebens repräsentirte; aber auch heitere
Scenen mischten sich in diesen heroisch theatralischen
Ernst. Es hat sich von je an gefügt, seit es Offi¬
ciere gab und Juden, daß beide in gewissen Ver¬
hältnissen zu einander stehen, Verhältnisse, die, in der
Jugend sehr intim, sich oft erst im Alter lösten, zuwei¬
len auch gar nicht. Da sah man einen bekannten jü¬
dischen Handelsmann, welcher später, vielleicht auch
damals schon, den Namen Gans führte und für einen
witzigen Mann galt, an den Armen zweier Lieute¬

17*

ſuchte ſich in den Logen, ſchüttelte ſich die Hände;
aus den Logen ging man ins Parterre, und unver¬
ſehens hatten einige Allzeitfertige aus Brettern und
Stühlen eine Art Treppe nach der Bühne gebaut.
Das Stück war ja zu Ende, nur den Vorhang hatte
man herunterzulaſſen vergeſſen — oder auch nicht
vergeſſen. Während junge Enthuſiaſten hinaufſpran¬
gen, den Schauſpielern die Hände zu ſchütteln, wink¬
ten Andere den Darſtellern, herabzukommen. Bald
ſah man Iffland in ſeiner ſtattlichen Armatur als
Wachtmeiſter im Kreiſe der Officiere, ſeiner Freunde.
Er ſpielte nicht den Wachtmeiſter, er war es. Er
war ein Patriot von Herzen, und von Herzen redete
er feierliche Worte von Aufopferung und Treue. Seine
ungen Verehrer drängten ſich, ihm in die Hand zu
ſchlagen, als Gelöbniß, daß ſie leben oder ſterben
wollten für König und Vaterland.

In der Erhebung des Augenblickes fand Nie¬
mand darin Seltſames, daß der Schauſpieler den
Ernſt des Lebens repräſentirte; aber auch heitere
Scenen miſchten ſich in dieſen heroiſch theatraliſchen
Ernſt. Es hat ſich von je an gefügt, ſeit es Offi¬
ciere gab und Juden, daß beide in gewiſſen Ver¬
hältniſſen zu einander ſtehen, Verhältniſſe, die, in der
Jugend ſehr intim, ſich oft erſt im Alter löſten, zuwei¬
len auch gar nicht. Da ſah man einen bekannten jü¬
diſchen Handelsmann, welcher ſpäter, vielleicht auch
damals ſchon, den Namen Gans führte und für einen
witzigen Mann galt, an den Armen zweier Lieute¬

17*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0269" n="259"/>
&#x017F;uchte &#x017F;ich in den Logen, &#x017F;chüttelte &#x017F;ich die Hände;<lb/>
aus den Logen ging man ins Parterre, und unver¬<lb/>
&#x017F;ehens hatten einige Allzeitfertige aus Brettern und<lb/>
Stühlen eine Art Treppe nach der Bühne gebaut.<lb/>
Das Stück war ja zu Ende, nur den Vorhang hatte<lb/>
man herunterzula&#x017F;&#x017F;en verge&#x017F;&#x017F;en &#x2014; oder auch nicht<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en. Während junge Enthu&#x017F;ia&#x017F;ten hinauf&#x017F;pran¬<lb/>
gen, den Schau&#x017F;pielern die Hände zu &#x017F;chütteln, wink¬<lb/>
ten Andere den Dar&#x017F;tellern, herabzukommen. Bald<lb/>
&#x017F;ah man Iffland in &#x017F;einer &#x017F;tattlichen Armatur als<lb/>
Wachtmei&#x017F;ter im Krei&#x017F;e der Officiere, &#x017F;einer Freunde.<lb/>
Er &#x017F;pielte nicht den Wachtmei&#x017F;ter, er war es. Er<lb/>
war ein Patriot von Herzen, und von Herzen redete<lb/>
er feierliche Worte von Aufopferung und Treue. Seine<lb/>
ungen Verehrer drängten &#x017F;ich, ihm in die Hand zu<lb/>
&#x017F;chlagen, als Gelöbniß, daß &#x017F;ie leben oder &#x017F;terben<lb/>
wollten für König und Vaterland.</p><lb/>
        <p>In der Erhebung des Augenblickes fand Nie¬<lb/>
mand darin Selt&#x017F;ames, daß der Schau&#x017F;pieler den<lb/>
Ern&#x017F;t des Lebens reprä&#x017F;entirte; aber auch heitere<lb/>
Scenen mi&#x017F;chten &#x017F;ich in die&#x017F;en heroi&#x017F;ch theatrali&#x017F;chen<lb/>
Ern&#x017F;t. Es hat &#x017F;ich von je an gefügt, &#x017F;eit es Offi¬<lb/>
ciere gab und Juden, daß beide in gewi&#x017F;&#x017F;en Ver¬<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;en zu einander &#x017F;tehen, Verhältni&#x017F;&#x017F;e, die, in der<lb/>
Jugend &#x017F;ehr intim, &#x017F;ich oft er&#x017F;t im Alter lö&#x017F;ten, zuwei¬<lb/>
len auch gar nicht. Da &#x017F;ah man einen bekannten jü¬<lb/>
di&#x017F;chen Handelsmann, welcher &#x017F;päter, vielleicht auch<lb/>
damals &#x017F;chon, den Namen Gans führte und für einen<lb/>
witzigen Mann galt, an den Armen zweier Lieute¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">17*<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0269] ſuchte ſich in den Logen, ſchüttelte ſich die Hände; aus den Logen ging man ins Parterre, und unver¬ ſehens hatten einige Allzeitfertige aus Brettern und Stühlen eine Art Treppe nach der Bühne gebaut. Das Stück war ja zu Ende, nur den Vorhang hatte man herunterzulaſſen vergeſſen — oder auch nicht vergeſſen. Während junge Enthuſiaſten hinaufſpran¬ gen, den Schauſpielern die Hände zu ſchütteln, wink¬ ten Andere den Darſtellern, herabzukommen. Bald ſah man Iffland in ſeiner ſtattlichen Armatur als Wachtmeiſter im Kreiſe der Officiere, ſeiner Freunde. Er ſpielte nicht den Wachtmeiſter, er war es. Er war ein Patriot von Herzen, und von Herzen redete er feierliche Worte von Aufopferung und Treue. Seine ungen Verehrer drängten ſich, ihm in die Hand zu ſchlagen, als Gelöbniß, daß ſie leben oder ſterben wollten für König und Vaterland. In der Erhebung des Augenblickes fand Nie¬ mand darin Seltſames, daß der Schauſpieler den Ernſt des Lebens repräſentirte; aber auch heitere Scenen miſchten ſich in dieſen heroiſch theatraliſchen Ernſt. Es hat ſich von je an gefügt, ſeit es Offi¬ ciere gab und Juden, daß beide in gewiſſen Ver¬ hältniſſen zu einander ſtehen, Verhältniſſe, die, in der Jugend ſehr intim, ſich oft erſt im Alter löſten, zuwei¬ len auch gar nicht. Da ſah man einen bekannten jü¬ diſchen Handelsmann, welcher ſpäter, vielleicht auch damals ſchon, den Namen Gans führte und für einen witzigen Mann galt, an den Armen zweier Lieute¬ 17*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/269
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/269>, abgerufen am 25.04.2024.