Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite
Siebentes Kapitel.
Was sagen Sie zu meiner Frau?

Das war dem glänzenden Gesellschaftsabend vor¬
angegangen.

Der Abendstern, der heute glänzen sollte, sag¬
ten wir schon, erschien aber wie ein erlöschendes Licht.
Die Töne, welche im Souterrain das Ohr zerrissen,
waren nicht zu Adelheid gedrungen, und wenn einer,
so ahnte sie nicht den Grund; es war für sie nur
in der Luft das dumpfe Accompagnement ihrer eige¬
nen zerrissenen Gedanken. Nie war ihr eine Toilette
schwieriger geworden. Sie dachte, so müsse einem
Verurtheilten zu Muthe sein, wenn er sich zum letz¬
ten Gange ankleidet.

Zum Glück war die Aufmerksamkeit heute nicht
auf die blasse Adelheid concentrirt; sie richtete sich
vielmehr auf eine andere Erscheinung, von der man
sagen durfte, daß sie in voller Blüthenpracht war.

Aus einiger Entfernung sah die junge Dame
an der Thürecke wie ein liebliches junges Mädchen
aus, dem die Scham die Wangen röthet, die Augen

Siebentes Kapitel.
Was ſagen Sie zu meiner Frau?

Das war dem glänzenden Geſellſchaftsabend vor¬
angegangen.

Der Abendſtern, der heute glänzen ſollte, ſag¬
ten wir ſchon, erſchien aber wie ein erlöſchendes Licht.
Die Töne, welche im Souterrain das Ohr zerriſſen,
waren nicht zu Adelheid gedrungen, und wenn einer,
ſo ahnte ſie nicht den Grund; es war für ſie nur
in der Luft das dumpfe Accompagnement ihrer eige¬
nen zerriſſenen Gedanken. Nie war ihr eine Toilette
ſchwieriger geworden. Sie dachte, ſo müſſe einem
Verurtheilten zu Muthe ſein, wenn er ſich zum letz¬
ten Gange ankleidet.

Zum Glück war die Aufmerkſamkeit heute nicht
auf die blaſſe Adelheid concentrirt; ſie richtete ſich
vielmehr auf eine andere Erſcheinung, von der man
ſagen durfte, daß ſie in voller Blüthenpracht war.

Aus einiger Entfernung ſah die junge Dame
an der Thürecke wie ein liebliches junges Mädchen
aus, dem die Scham die Wangen röthet, die Augen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0113" n="[103]"/>
      <div n="1">
        <head>Siebentes Kapitel.<lb/><hi rendition="#b">Was &#x017F;agen Sie zu meiner Frau?</hi><lb/></head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Das war dem glänzenden Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftsabend vor¬<lb/>
angegangen.</p><lb/>
        <p>Der Abend&#x017F;tern, der heute glänzen &#x017F;ollte, &#x017F;ag¬<lb/>
ten wir &#x017F;chon, er&#x017F;chien aber wie ein erlö&#x017F;chendes Licht.<lb/>
Die Töne, welche im Souterrain das Ohr zerri&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
waren nicht zu Adelheid gedrungen, und wenn einer,<lb/>
&#x017F;o ahnte &#x017F;ie nicht den Grund; es war für &#x017F;ie nur<lb/>
in der Luft das dumpfe Accompagnement ihrer eige¬<lb/>
nen zerri&#x017F;&#x017F;enen Gedanken. Nie war ihr eine Toilette<lb/>
&#x017F;chwieriger geworden. Sie dachte, &#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;e einem<lb/>
Verurtheilten zu Muthe &#x017F;ein, wenn er &#x017F;ich zum letz¬<lb/>
ten Gange ankleidet.</p><lb/>
        <p>Zum Glück war die Aufmerk&#x017F;amkeit heute nicht<lb/>
auf die bla&#x017F;&#x017F;e Adelheid concentrirt; &#x017F;ie richtete &#x017F;ich<lb/>
vielmehr auf eine andere Er&#x017F;cheinung, von der man<lb/>
&#x017F;agen durfte, daß &#x017F;ie in voller Blüthenpracht war.</p><lb/>
        <p>Aus einiger Entfernung &#x017F;ah die junge Dame<lb/>
an der Thürecke wie ein liebliches junges Mädchen<lb/>
aus, dem die Scham die Wangen röthet, die Augen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[103]/0113] Siebentes Kapitel. Was ſagen Sie zu meiner Frau? Das war dem glänzenden Geſellſchaftsabend vor¬ angegangen. Der Abendſtern, der heute glänzen ſollte, ſag¬ ten wir ſchon, erſchien aber wie ein erlöſchendes Licht. Die Töne, welche im Souterrain das Ohr zerriſſen, waren nicht zu Adelheid gedrungen, und wenn einer, ſo ahnte ſie nicht den Grund; es war für ſie nur in der Luft das dumpfe Accompagnement ihrer eige¬ nen zerriſſenen Gedanken. Nie war ihr eine Toilette ſchwieriger geworden. Sie dachte, ſo müſſe einem Verurtheilten zu Muthe ſein, wenn er ſich zum letz¬ ten Gange ankleidet. Zum Glück war die Aufmerkſamkeit heute nicht auf die blaſſe Adelheid concentrirt; ſie richtete ſich vielmehr auf eine andere Erſcheinung, von der man ſagen durfte, daß ſie in voller Blüthenpracht war. Aus einiger Entfernung ſah die junge Dame an der Thürecke wie ein liebliches junges Mädchen aus, dem die Scham die Wangen röthet, die Augen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/113
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. [103]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/113>, abgerufen am 20.04.2024.