Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

mich nicht wieder sähest, als ich Dir sagte, ich könne
Dich nie lieben, es war schon eine Lüge. Ich preßte
das Feuer mit aller Gewalt in die Brust zurück.
Ich log mir vor, daß es nur Mitleid sei, daß ich
Dich verabscheue, und ich log weiter. Es war die
Angst vor Dir, vor mir selbst, ich wollte mich retten
aus dem Strudel, aus dem Hause, Selbstsucht war's,
als ich an Walters Brust bekannte; ja es war Liebe,
aber nicht ihr Sonnenschein, ein süßes Mondenlicht,
die Liebe der Achtung, der Dankbarkeit, der Be¬
wunderung. Jahre sind über diese Lüge hingegangen,
sie machte mich bitter, unzufrieden, ich mußte mich
selbst verachten, und -- ist das keine entsetzliche Schuld,
daß ich zwei Jahr das Lebensglück des edelsten
Mannes erschüttern mußte. -- Schuld gegen Schuld,
Geliebter, wir haben beide zu büßen und gut zu
machen. Einer muß sich am Andern stützen, auf¬
richten, -- Einer dem Andern Muth zusprechen.
Das Leben hinter uns begraben wir und fangen
beide ein neues an."

mich nicht wieder ſäheſt, als ich Dir ſagte, ich könne
Dich nie lieben, es war ſchon eine Lüge. Ich preßte
das Feuer mit aller Gewalt in die Bruſt zurück.
Ich log mir vor, daß es nur Mitleid ſei, daß ich
Dich verabſcheue, und ich log weiter. Es war die
Angſt vor Dir, vor mir ſelbſt, ich wollte mich retten
aus dem Strudel, aus dem Hauſe, Selbſtſucht war's,
als ich an Walters Bruſt bekannte; ja es war Liebe,
aber nicht ihr Sonnenſchein, ein ſüßes Mondenlicht,
die Liebe der Achtung, der Dankbarkeit, der Be¬
wunderung. Jahre ſind über dieſe Lüge hingegangen,
ſie machte mich bitter, unzufrieden, ich mußte mich
ſelbſt verachten, und — iſt das keine entſetzliche Schuld,
daß ich zwei Jahr das Lebensglück des edelſten
Mannes erſchüttern mußte. — Schuld gegen Schuld,
Geliebter, wir haben beide zu büßen und gut zu
machen. Einer muß ſich am Andern ſtützen, auf¬
richten, — Einer dem Andern Muth zuſprechen.
Das Leben hinter uns begraben wir und fangen
beide ein neues an.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0295" n="285"/>
mich nicht wieder &#x017F;ähe&#x017F;t, als ich Dir &#x017F;agte, ich könne<lb/>
Dich nie lieben, es war &#x017F;chon eine Lüge. Ich preßte<lb/>
das Feuer mit aller Gewalt in die Bru&#x017F;t zurück.<lb/>
Ich log mir vor, daß es nur Mitleid &#x017F;ei, daß ich<lb/>
Dich verab&#x017F;cheue, und ich log weiter. Es war die<lb/>
Ang&#x017F;t vor Dir, vor mir &#x017F;elb&#x017F;t, ich wollte mich retten<lb/>
aus dem Strudel, aus dem Hau&#x017F;e, Selb&#x017F;t&#x017F;ucht war's,<lb/>
als ich an Walters Bru&#x017F;t bekannte; ja es war Liebe,<lb/>
aber nicht ihr Sonnen&#x017F;chein, ein &#x017F;üßes Mondenlicht,<lb/>
die Liebe der Achtung, der Dankbarkeit, der Be¬<lb/>
wunderung. Jahre &#x017F;ind über die&#x017F;e Lüge hingegangen,<lb/>
&#x017F;ie machte mich bitter, unzufrieden, ich mußte mich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t verachten, und &#x2014; i&#x017F;t das keine ent&#x017F;etzliche Schuld,<lb/>
daß ich zwei Jahr das Lebensglück des edel&#x017F;ten<lb/>
Mannes er&#x017F;chüttern mußte. &#x2014; Schuld gegen Schuld,<lb/>
Geliebter, wir haben beide zu büßen und gut zu<lb/>
machen. Einer muß &#x017F;ich am Andern &#x017F;tützen, auf¬<lb/>
richten, &#x2014; Einer dem Andern Muth zu&#x017F;prechen.<lb/>
Das Leben hinter uns begraben wir und fangen<lb/>
beide ein neues an.&#x201C;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0295] mich nicht wieder ſäheſt, als ich Dir ſagte, ich könne Dich nie lieben, es war ſchon eine Lüge. Ich preßte das Feuer mit aller Gewalt in die Bruſt zurück. Ich log mir vor, daß es nur Mitleid ſei, daß ich Dich verabſcheue, und ich log weiter. Es war die Angſt vor Dir, vor mir ſelbſt, ich wollte mich retten aus dem Strudel, aus dem Hauſe, Selbſtſucht war's, als ich an Walters Bruſt bekannte; ja es war Liebe, aber nicht ihr Sonnenſchein, ein ſüßes Mondenlicht, die Liebe der Achtung, der Dankbarkeit, der Be¬ wunderung. Jahre ſind über dieſe Lüge hingegangen, ſie machte mich bitter, unzufrieden, ich mußte mich ſelbſt verachten, und — iſt das keine entſetzliche Schuld, daß ich zwei Jahr das Lebensglück des edelſten Mannes erſchüttern mußte. — Schuld gegen Schuld, Geliebter, wir haben beide zu büßen und gut zu machen. Einer muß ſich am Andern ſtützen, auf¬ richten, — Einer dem Andern Muth zuſprechen. Das Leben hinter uns begraben wir und fangen beide ein neues an.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/295
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/295>, abgerufen am 19.04.2024.