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Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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darauf noch Antwort schuldig, ob Sie zur Kindtaufe kommen wollen, vorausgesetzt, wenn zuvor Hochzeit gewesen?

Der Freiherr verneigte sich: Wenn zuvor Hochzeit gewesen.

Er saß wieder im Reisewagen, seine ausgefertigten untersiegelten Papiere in der Tasche, die Kalesche eines Gerichtsbeamten folgte ihm langsam im sandigen Wege. -- Sacken hatte seine Zukunft in den Augen des Herzogs gelesen, er wußte, was ihm bevorstand: -- eine Reise nach Sibirien. Vielleicht hätte er noch entfliehen mögen. Weßhalb? -- Ist Sibirien schlechter als Europa? -- Auch die Tyrannei sucht nach Gründen, um die Handlungen ihrer Willkür zu bemänteln. Den geringen Spielraum, bis diese Gründe gefunden, nutzte er als ein kluger Mann, seinen Einspruch gültig zu machen. Biron sollte nicht seinen Willen haben.

Er ließ den Wagen in dem kleinen Birkenbusch vor dem Landhause halten und schlich sich in dessen Umfriedigung. Alles, im Garten, Hofe, Flur, war Vorbereitung zum morgenden Feste. Gerüste, Festons, Blumenpyramiden; die Domestiken probirten die buntpapiernen Laternen, die den Garten am Abend zu einem Feenpalast verwandeln sollten. In den dunkler werdenden Gängen wandelten die Gäste auf und ab; man besprach Scherze, die am heutigen Polterabend die Lust des Brautpaars erhöhen sollten. Welche Lustigkeit, welcher Uebermuth. Alles auf Kosten seines Beutels, seiner

darauf noch Antwort schuldig, ob Sie zur Kindtaufe kommen wollen, vorausgesetzt, wenn zuvor Hochzeit gewesen?

Der Freiherr verneigte sich: Wenn zuvor Hochzeit gewesen.

Er saß wieder im Reisewagen, seine ausgefertigten untersiegelten Papiere in der Tasche, die Kalesche eines Gerichtsbeamten folgte ihm langsam im sandigen Wege. — Sacken hatte seine Zukunft in den Augen des Herzogs gelesen, er wußte, was ihm bevorstand: — eine Reise nach Sibirien. Vielleicht hätte er noch entfliehen mögen. Weßhalb? — Ist Sibirien schlechter als Europa? — Auch die Tyrannei sucht nach Gründen, um die Handlungen ihrer Willkür zu bemänteln. Den geringen Spielraum, bis diese Gründe gefunden, nutzte er als ein kluger Mann, seinen Einspruch gültig zu machen. Biron sollte nicht seinen Willen haben.

Er ließ den Wagen in dem kleinen Birkenbusch vor dem Landhause halten und schlich sich in dessen Umfriedigung. Alles, im Garten, Hofe, Flur, war Vorbereitung zum morgenden Feste. Gerüste, Festons, Blumenpyramiden; die Domestiken probirten die buntpapiernen Laternen, die den Garten am Abend zu einem Feenpalast verwandeln sollten. In den dunkler werdenden Gängen wandelten die Gäste auf und ab; man besprach Scherze, die am heutigen Polterabend die Lust des Brautpaars erhöhen sollten. Welche Lustigkeit, welcher Uebermuth. Alles auf Kosten seines Beutels, seiner

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/84>, abgerufen am 29.03.2024.