Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

Bild:
<< vorherige Seite

Julius Hart.

Wallt zwischen dir und uns,
Daß höhnische Lippen murren:
Es ist kein Gott!

Denn alle Liebe, die du erschaust
Unter den Menschenkindern,
Ist Gemeinheit, Ekel,
Des Weibes, des Mannes Gluth
Verlöschen im Schlamm der Lüste,
Und keine Freude ist,
Die nicht in Thränen geboren,
In Thränen erstirbt.
Ich aber erkannte dich
In dunkler Thränennacht,
Als Sehnsucht in mir schwoll,
Und mild wie ein Thautropfen
In dürres Laub,
Fiel in meine Seele
Dein Erkennen.
Ich bin entbrannt in Liebe zu dir,
Ich lodre wie die Sonne,
Ich glühe wie ein Schwert
In sausenden Feuern.
Empor, empor durch den Dampf,
Der Lüfte finstern Graus!
Flügel! Flügel!
Der du dein schönes heiliges Antlitz
Verbirgst uns schmerzbeladenen,
Mühsal-Leidenden
Unseligen Menschen,
Willst Du in Qualen uns lassen,
Ewig verschließen für uns dein Herz,
Nur allein trinken
Vom Borne deiner Liebe,
Wie eine kalte schöne Geliebte
Dich berauschen an dir selber?

Julius Hart.

Wallt zwiſchen dir und uns,
Daß höhniſche Lippen murren:
Es iſt kein Gott!

Denn alle Liebe, die du erſchauſt
Unter den Menſchenkindern,
Iſt Gemeinheit, Ekel,
Des Weibes, des Mannes Gluth
Verlöſchen im Schlamm der Lüſte,
Und keine Freude iſt,
Die nicht in Thränen geboren,
In Thränen erſtirbt.
Ich aber erkannte dich
In dunkler Thränennacht,
Als Sehnſucht in mir ſchwoll,
Und mild wie ein Thautropfen
In dürres Laub,
Fiel in meine Seele
Dein Erkennen.
Ich bin entbrannt in Liebe zu dir,
Ich lodre wie die Sonne,
Ich glühe wie ein Schwert
In ſauſenden Feuern.
Empor, empor durch den Dampf,
Der Lüfte finſtern Graus!
Flügel! Flügel!
Der du dein ſchönes heiliges Antlitz
Verbirgſt uns ſchmerzbeladenen,
Mühſal-Leidenden
Unſeligen Menſchen,
Willſt Du in Qualen uns laſſen,
Ewig verſchließen für uns dein Herz,
Nur allein trinken
Vom Borne deiner Liebe,
Wie eine kalte ſchöne Geliebte
Dich berauſchen an dir ſelber?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="2">
              <pb facs="#f0082" n="64"/>
              <fw place="top" type="header">Julius Hart.</fw><lb/>
              <l>Wallt zwi&#x017F;chen dir und uns,</l><lb/>
              <l>Daß höhni&#x017F;che Lippen murren:</l><lb/>
              <l>Es i&#x017F;t kein Gott!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Denn alle Liebe, die du er&#x017F;chau&#x017F;t</l><lb/>
              <l>Unter den Men&#x017F;chenkindern,</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t Gemeinheit, Ekel,</l><lb/>
              <l>Des Weibes, des Mannes Gluth</l><lb/>
              <l>Verlö&#x017F;chen im Schlamm der Lü&#x017F;te,</l><lb/>
              <l>Und keine Freude i&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Die nicht in Thränen geboren,</l><lb/>
              <l>In Thränen er&#x017F;tirbt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Ich aber erkannte dich</l><lb/>
              <l>In dunkler Thränennacht,</l><lb/>
              <l>Als Sehn&#x017F;ucht in mir &#x017F;chwoll,</l><lb/>
              <l>Und mild wie ein Thautropfen</l><lb/>
              <l>In dürres Laub,</l><lb/>
              <l>Fiel in meine Seele</l><lb/>
              <l>Dein Erkennen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Ich bin entbrannt in Liebe zu dir,</l><lb/>
              <l>Ich lodre wie die Sonne,</l><lb/>
              <l>Ich glühe wie ein Schwert</l><lb/>
              <l>In &#x017F;au&#x017F;enden Feuern.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Empor, empor durch den Dampf,</l><lb/>
              <l>Der Lüfte fin&#x017F;tern Graus!</l><lb/>
              <l>Flügel! Flügel!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Der du dein &#x017F;chönes heiliges Antlitz</l><lb/>
              <l>Verbirg&#x017F;t uns &#x017F;chmerzbeladenen,</l><lb/>
              <l>Müh&#x017F;al-Leidenden</l><lb/>
              <l>Un&#x017F;eligen Men&#x017F;chen,</l><lb/>
              <l>Will&#x017F;t Du in Qualen uns la&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Ewig ver&#x017F;chließen für uns dein Herz,</l><lb/>
              <l>Nur allein trinken</l><lb/>
              <l>Vom Borne deiner Liebe,</l><lb/>
              <l>Wie eine kalte &#x017F;chöne Geliebte</l><lb/>
              <l>Dich berau&#x017F;chen an dir &#x017F;elber?</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0082] Julius Hart. Wallt zwiſchen dir und uns, Daß höhniſche Lippen murren: Es iſt kein Gott! Denn alle Liebe, die du erſchauſt Unter den Menſchenkindern, Iſt Gemeinheit, Ekel, Des Weibes, des Mannes Gluth Verlöſchen im Schlamm der Lüſte, Und keine Freude iſt, Die nicht in Thränen geboren, In Thränen erſtirbt. Ich aber erkannte dich In dunkler Thränennacht, Als Sehnſucht in mir ſchwoll, Und mild wie ein Thautropfen In dürres Laub, Fiel in meine Seele Dein Erkennen. Ich bin entbrannt in Liebe zu dir, Ich lodre wie die Sonne, Ich glühe wie ein Schwert In ſauſenden Feuern. Empor, empor durch den Dampf, Der Lüfte finſtern Graus! Flügel! Flügel! Der du dein ſchönes heiliges Antlitz Verbirgſt uns ſchmerzbeladenen, Mühſal-Leidenden Unſeligen Menſchen, Willſt Du in Qualen uns laſſen, Ewig verſchließen für uns dein Herz, Nur allein trinken Vom Borne deiner Liebe, Wie eine kalte ſchöne Geliebte Dich berauſchen an dir ſelber?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/82
Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/82>, abgerufen am 16.04.2024.