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Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

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Julius Hart.
Und dennoch ist's von deinem Fleisch und dennoch lebt's von deinem Blut,
Und dennoch sieht's dein Auge nie, das treu und zärtlich auf ihm ruht.
Nur Thränen fühlt es, fallend schwer, Glühtropfen, auf sein Angesicht,
Nur Seufzer hört's und leisen Schlag des Herzens, das im Tode bricht.
Und eh's gebor'n, ertönt ihm schon des Vaters und der Mutter Fluch;
Wär'st du doch todt, mein Kind, mein Kind, und lägst du stumm im
Leichentuch! . . . .
Wir waren lang zusammen nun, Heinrich! ich glaub, 's ist schon ein Jahr
Da küßtest du zum ersten Mal verstohlen mein lichtblondes Haar.
Nun lacht heimlich Maimorgenwind und raunt im grünenden Spalier,
Und wenn der Abend niederfällt, dann bist du, Heinrich nicht mehr hier.
Und bist du fern, ich will ja nicht, daß Thränen du um mich vergieß'st,
Doch denk daran, wie heiß um dich aus meinem Aug' die Thräne fließt ...
O denk' zuweilen, wie mich Noth und Unglück packt so rauh und hart,
Vergiß es nicht, daß ich aus Liebe zu dir so sehr unglücklich ward!
Und führst du einst ein Fräulein dir zur Hochzeit und zur Kirch' hinab,
Zum letzten Male denke dann, wie der Wind geht über ein fernes Grab.
Doch sage nie, küßt du voll Gluth den Mund und ihrer Augen Schein,
Sag' nicht, daß du von mir gegangen, weil ich so schlecht und so gemein.
Und spotte du am Schenktisch nie, wie man am Schenktisch sonst wohl thut
Der armen Dirne aus dem Volk, die dich so liebte, dir so gut.
Denn thätest du's, denn thätest du's, dann wollt ich sprengen wohl mein Grab,
Und schmetterte Krankheit und Wahnsinn auf dein verfluchtes Haupt herab ...
Dann würf ich Blut und Flammengluth wohl auf das Liebste, was du hast,
Dann send' ich in das Herz und Hirn die ganze Hölle dir zu Gast ...
O Süßer, Liebster zürne du, o zürn' nicht über solch ein Wort, --
Die Sonne steigt, die Stunde naht, und du gehst ewig von mir fort.

Julius Hart.
Und dennoch iſt’s von deinem Fleiſch und dennoch lebt’s von deinem Blut,
Und dennoch ſieht’s dein Auge nie, das treu und zärtlich auf ihm ruht.
Nur Thränen fühlt es, fallend ſchwer, Glühtropfen, auf ſein Angeſicht,
Nur Seufzer hört’s und leiſen Schlag des Herzens, das im Tode bricht.
Und eh’s gebor’n, ertönt ihm ſchon des Vaters und der Mutter Fluch;
Wär’ſt du doch todt, mein Kind, mein Kind, und lägſt du ſtumm im
Leichentuch! . . . .
Wir waren lang zuſammen nun, Heinrich! ich glaub, ’s iſt ſchon ein Jahr
Da küßteſt du zum erſten Mal verſtohlen mein lichtblondes Haar.
Nun lacht heimlich Maimorgenwind und raunt im grünenden Spalier,
Und wenn der Abend niederfällt, dann biſt du, Heinrich nicht mehr hier.
Und biſt du fern, ich will ja nicht, daß Thränen du um mich vergieß’ſt,
Doch denk daran, wie heiß um dich aus meinem Aug’ die Thräne fließt …
O denk’ zuweilen, wie mich Noth und Unglück packt ſo rauh und hart,
Vergiß es nicht, daß ich aus Liebe zu dir ſo ſehr unglücklich ward!
Und führſt du einſt ein Fräulein dir zur Hochzeit und zur Kirch’ hinab,
Zum letzten Male denke dann, wie der Wind geht über ein fernes Grab.
Doch ſage nie, küßt du voll Gluth den Mund und ihrer Augen Schein,
Sag’ nicht, daß du von mir gegangen, weil ich ſo ſchlecht und ſo gemein.
Und ſpotte du am Schenktiſch nie, wie man am Schenktiſch ſonſt wohl thut
Der armen Dirne aus dem Volk, die dich ſo liebte, dir ſo gut.
Denn thäteſt du’s, denn thäteſt du’s, dann wollt ich ſprengen wohl mein Grab,
Und ſchmetterte Krankheit und Wahnſinn auf dein verfluchtes Haupt herab …
Dann würf ich Blut und Flammengluth wohl auf das Liebſte, was du haſt,
Dann ſend’ ich in das Herz und Hirn die ganze Hölle dir zu Gaſt …
O Süßer, Liebſter zürne du, o zürn’ nicht über ſolch ein Wort, —
Die Sonne ſteigt, die Stunde naht, und du gehſt ewig von mir fort.

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[70/0088] Julius Hart. Und dennoch iſt’s von deinem Fleiſch und dennoch lebt’s von deinem Blut, Und dennoch ſieht’s dein Auge nie, das treu und zärtlich auf ihm ruht. Nur Thränen fühlt es, fallend ſchwer, Glühtropfen, auf ſein Angeſicht, Nur Seufzer hört’s und leiſen Schlag des Herzens, das im Tode bricht. Und eh’s gebor’n, ertönt ihm ſchon des Vaters und der Mutter Fluch; Wär’ſt du doch todt, mein Kind, mein Kind, und lägſt du ſtumm im Leichentuch! . . . . Wir waren lang zuſammen nun, Heinrich! ich glaub, ’s iſt ſchon ein Jahr Da küßteſt du zum erſten Mal verſtohlen mein lichtblondes Haar. Nun lacht heimlich Maimorgenwind und raunt im grünenden Spalier, Und wenn der Abend niederfällt, dann biſt du, Heinrich nicht mehr hier. Und biſt du fern, ich will ja nicht, daß Thränen du um mich vergieß’ſt, Doch denk daran, wie heiß um dich aus meinem Aug’ die Thräne fließt … O denk’ zuweilen, wie mich Noth und Unglück packt ſo rauh und hart, Vergiß es nicht, daß ich aus Liebe zu dir ſo ſehr unglücklich ward! Und führſt du einſt ein Fräulein dir zur Hochzeit und zur Kirch’ hinab, Zum letzten Male denke dann, wie der Wind geht über ein fernes Grab. Doch ſage nie, küßt du voll Gluth den Mund und ihrer Augen Schein, Sag’ nicht, daß du von mir gegangen, weil ich ſo ſchlecht und ſo gemein. Und ſpotte du am Schenktiſch nie, wie man am Schenktiſch ſonſt wohl thut Der armen Dirne aus dem Volk, die dich ſo liebte, dir ſo gut. Denn thäteſt du’s, denn thäteſt du’s, dann wollt ich ſprengen wohl mein Grab, Und ſchmetterte Krankheit und Wahnſinn auf dein verfluchtes Haupt herab … Dann würf ich Blut und Flammengluth wohl auf das Liebſte, was du haſt, Dann ſend’ ich in das Herz und Hirn die ganze Hölle dir zu Gaſt … O Süßer, Liebſter zürne du, o zürn’ nicht über ſolch ein Wort, — Die Sonne ſteigt, die Stunde naht, und du gehſt ewig von mir fort.

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Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/88>, abgerufen am 23.04.2024.