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Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

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Dorfhunde und das Donnerrollen eines nahen Gewitters, all
dies zusammen machte den Eindruck, als komme der jüngste Tag.
Aehnliches mochte der arme Sünder gedacht haben, als er mit
zitternden Knieen sich dem Fenster näherte. Kaum hatte man
seine Gestalt gewahrt, als das Brüllen und Juhschreien noch
ärger ward, und einer rief dazwischen: "Heraus, heraus aus
deinem Haus, du Krokodill, und halt' dich still und hör' jetzt an,
was du gethan!"

Es blieb dem Jakob nichts übrig, er mußte sich vor seine
Hausthüre stellen.

Nun trat ein Sprecher, der in ein Bärenfell gehüllt und
kohlschwarz von Gesicht war, mit Bockshörnern und Fuchsschwanz
angethan, -- eine gräuliche Erscheinung! -- auf einen Dreifuß
und verlas zuerst ein fingirtes Verzeichniß der Anwesenden: --
lauter Namen von Personen, welche unmöglich da sein konnten.
-- Dann wurden alle Vergehen des Sünders in derben Spott-
versen mit fürchterlicher Stimme abgelesen, und Ermahnungen
und Warnungen beigefügt. Das Ganze aber war in drei Akte
getheilt und in den Pausen erhob sich jedesmal der Höllenlärm
in verstärkter Auflage, und den Schluß bildete die haarsträubende
Beschreibung der letzten Schandthat: das Schlagen mit dem
Steinkrug auf den Kopf der Ehefrau. Hierauf erreichte das
Toben und Brüllen einen Höhegrad, daß man es wohl stunden-
weit hören konnte, und dann brauste die ganze Schaar zum Dorf
hinaus. Einige, die sich so viel wie möglich den Vorposten ge-
naht hatten, wollten sogar bemerkt haben, daß etliche fünfzig der
Haberfeldtreiber auf Pferden, die im Wald bereit standen, gleich
einer wilden Jagd nach allen Enden im Galopp davon ritten. --
Der Racheakt war vorüber, und der Kugler, welcher wieder ein-
mal gründlich nüchtern geworden war, wankte lautlos in sein
Bett. Sein Weib aber betete still einen Rosenkranz für ihn,
denn sie hatte trotz Allem ihren Jakob doch immer noch recht lieb.

15. Jm Thal und auf der Alm.

Wochen waren nun seit dem Hochzeitsspiel schon vergangen.
Nach allen Kräften hatte Franz gestritten, um jenen Tag und

Dorfhunde und das Donnerrollen eines nahen Gewitters, all
dies zuſammen machte den Eindruck, als komme der jüngſte Tag.
Aehnliches mochte der arme Sünder gedacht haben, als er mit
zitternden Knieen ſich dem Fenſter näherte. Kaum hatte man
ſeine Geſtalt gewahrt, als das Brüllen und Juhſchreien noch
ärger ward, und einer rief dazwiſchen: „Heraus, heraus aus
deinem Haus, du Krokodill, und halt’ dich ſtill und hör’ jetzt an,
was du gethan!“

Es blieb dem Jakob nichts übrig, er mußte ſich vor ſeine
Hausthüre ſtellen.

Nun trat ein Sprecher, der in ein Bärenfell gehüllt und
kohlſchwarz von Geſicht war, mit Bockshörnern und Fuchsſchwanz
angethan, — eine gräuliche Erſcheinung! — auf einen Dreifuß
und verlas zuerſt ein fingirtes Verzeichniß der Anweſenden: —
lauter Namen von Perſonen, welche unmöglich da ſein konnten.
— Dann wurden alle Vergehen des Sünders in derben Spott-
verſen mit fürchterlicher Stimme abgeleſen, und Ermahnungen
und Warnungen beigefügt. Das Ganze aber war in drei Akte
getheilt und in den Pauſen erhob ſich jedesmal der Höllenlärm
in verſtärkter Auflage, und den Schluß bildete die haarſträubende
Beſchreibung der letzten Schandthat: das Schlagen mit dem
Steinkrug auf den Kopf der Ehefrau. Hierauf erreichte das
Toben und Brüllen einen Höhegrad, daß man es wohl ſtunden-
weit hören konnte, und dann brauſte die ganze Schaar zum Dorf
hinaus. Einige, die ſich ſo viel wie möglich den Vorpoſten ge-
naht hatten, wollten ſogar bemerkt haben, daß etliche fünfzig der
Haberfeldtreiber auf Pferden, die im Wald bereit ſtanden, gleich
einer wilden Jagd nach allen Enden im Galopp davon ritten. —
Der Racheakt war vorüber, und der Kugler, welcher wieder ein-
mal gründlich nüchtern geworden war, wankte lautlos in ſein
Bett. Sein Weib aber betete ſtill einen Roſenkranz für ihn,
denn ſie hatte trotz Allem ihren Jakob doch immer noch recht lieb.

15. Jm Thal und auf der Alm.

Wochen waren nun ſeit dem Hochzeitsſpiel ſchon vergangen.
Nach allen Kräften hatte Franz geſtritten, um jenen Tag und

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Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/44>, abgerufen am 28.03.2024.