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Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

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18. Aus dem Volksleben.

Erschien dem Franz das Aufsteigen zur Halserspitz' schon
nicht schwer, so kam ihm der Heimweg vollends nur mehr wie
ein Spaß vor, denn er war so fröhlichen Herzens wie noch nie
im Leben, und abwechselnd sang oder pfiff er lustige Weisen. --
Wie erstaunt war aber seine Mutter, als sie ihn wiedersah. Jhr
erzählte er auch sogleich alles, was mit ihm seit gestern vorging,
und sie theilte herzlich seine Freude, sagte aber doch etwas be-
denklich: "Sei auf deiner Hut, Franz! Der Adler soll viel auf
seinen Reichthum halten, darum wird er schwerlich jemals seine
Einwilligung geben". "Das steht bei Gott", erwiderte Franz,
"weiß ich jetzt doch, daß mich die Resl gern hat, und dies allein
schon macht mich überglücklich". -- Als er vor der Heimfahrt
in der Wirthsstube noch etwas essen wollte, fand er diese un-
gewöhnlich voll. An einem der Tische saß mit mehreren Bauern-
burschen der Michel und führte das große Wort. An einem
andern saß in Gesellschaft älterer Männer der Holzwastl; und
weil dort noch ein Platz frei war, so setzte sich Franz dazu,
denn es interessirte ihn zu hören, wie der Wastl eben einen
Kampf zwischen zwei Haagmaierinnen*) zu erzählen begann;
und nun schildert er mit gebirgsländischer Schneid' und leb-
haften Geberden, wie man die ohnehin rauflustigen Haagmaierin-
nen, vom Wirth in der Glashütte und vom Huberbauer, durch
ein hitziges Getränk, das ihnen eingegeben wurde, auf den Kampf
vorbereitet hat, auf dessen Sieg ein Preis von fünfzig Gulden
festgesetzt war. -- Jn einiger Entfernung von einander stellte
man sie auf und ließ sie dann aufeinander los. Wie wüthend
hätten sie gekämpft und lang blieb die Uebermacht unentschieden,
denn bald schien die eine zu weichen und raffte sich wieder auf,
bald die andere, und die Zuschauerschaft wurde immer gespannter

*) Diejenige Kuh aus der Heerde, die sich gleichsam zur Meisterin
im Haag zu machen weiß. Solche Kämpfe zwischen zwei oder auch vielen
Haagmaierinnen sind eigentlich in Tyrol zu Haus.
18. Aus dem Volksleben.

Erſchien dem Franz das Aufſteigen zur Halſerſpitz’ ſchon
nicht ſchwer, ſo kam ihm der Heimweg vollends nur mehr wie
ein Spaß vor, denn er war ſo fröhlichen Herzens wie noch nie
im Leben, und abwechſelnd ſang oder pfiff er luſtige Weiſen. —
Wie erſtaunt war aber ſeine Mutter, als ſie ihn wiederſah. Jhr
erzählte er auch ſogleich alles, was mit ihm ſeit geſtern vorging,
und ſie theilte herzlich ſeine Freude, ſagte aber doch etwas be-
denklich: „Sei auf deiner Hut, Franz! Der Adler ſoll viel auf
ſeinen Reichthum halten, darum wird er ſchwerlich jemals ſeine
Einwilligung geben“. „Das ſteht bei Gott“, erwiderte Franz,
„weiß ich jetzt doch, daß mich die Resl gern hat, und dies allein
ſchon macht mich überglücklich“. — Als er vor der Heimfahrt
in der Wirthsſtube noch etwas eſſen wollte, fand er dieſe un-
gewöhnlich voll. An einem der Tiſche ſaß mit mehreren Bauern-
burſchen der Michel und führte das große Wort. An einem
andern ſaß in Geſellſchaft älterer Männer der Holzwaſtl; und
weil dort noch ein Platz frei war, ſo ſetzte ſich Franz dazu,
denn es intereſſirte ihn zu hören, wie der Waſtl eben einen
Kampf zwiſchen zwei Haagmaierinnen*) zu erzählen begann;
und nun ſchildert er mit gebirgsländiſcher Schneid’ und leb-
haften Geberden, wie man die ohnehin raufluſtigen Haagmaierin-
nen, vom Wirth in der Glashütte und vom Huberbauer, durch
ein hitziges Getränk, das ihnen eingegeben wurde, auf den Kampf
vorbereitet hat, auf deſſen Sieg ein Preis von fünfzig Gulden
feſtgeſetzt war. — Jn einiger Entfernung von einander ſtellte
man ſie auf und ließ ſie dann aufeinander los. Wie wüthend
hätten ſie gekämpft und lang blieb die Uebermacht unentſchieden,
denn bald ſchien die eine zu weichen und raffte ſich wieder auf,
bald die andere, und die Zuſchauerſchaft wurde immer geſpannter

*) Diejenige Kuh aus der Heerde, die ſich gleichſam zur Meiſterin
im Haag zu machen weiß. Solche Kämpfe zwiſchen zwei oder auch vielen
Haagmaierinnen ſind eigentlich in Tyrol zu Haus.
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Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/54>, abgerufen am 16.04.2024.