Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [163]–201. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Graf Dürande, der gute alte Commandant von Marseille, saß einsam frierend an einem kalt stürmenden Octoberabende bei dem schlecht eingerichteten Kamine seiner prachtvollen Commandantenwohnung und rückte immer näher und näher zum Feuer, während die Kutschen zu einem großen Balle in der Straße vorüber rollten und sein Kammerdiener Basset, der zugleich sein liebster Gesellschafter war, im Vorzimmer heftig schnarchte. Auch im südlichen Frankreich ist es nicht immer warm, dachte der alte Herr und schüttelte mit dem Kopfe, die Menschen bleiben auch da nicht immer jung, aber die lebhafte gesellige Bewegung nimmt so wenig Rücksicht auf das Alter, wie die Baukunst auf den Winter. Was sollte er, der Chef aller Invaliden, die damals (während des siebenjährigen Krieges) die Besatzung von Marseille und seinen Forts ausmachten, mit seinem hölzernen Beine auf dem Balle; nicht einmal die Lieutenants seines Regiments waren zum Tanze zu brauchen. Hier am Kamine schien ihm dagegen sein hölzernes Bein höchst brauchbar, weil er den Basset nicht wecken mochte, um den Vorrath grüner Olivenäste, den er sich zur Seite hatte hinlegen lassen, allmählich in die Flamme zu schieben.

Graf Dürande, der gute alte Commandant von Marseille, saß einsam frierend an einem kalt stürmenden Octoberabende bei dem schlecht eingerichteten Kamine seiner prachtvollen Commandantenwohnung und rückte immer näher und näher zum Feuer, während die Kutschen zu einem großen Balle in der Straße vorüber rollten und sein Kammerdiener Basset, der zugleich sein liebster Gesellschafter war, im Vorzimmer heftig schnarchte. Auch im südlichen Frankreich ist es nicht immer warm, dachte der alte Herr und schüttelte mit dem Kopfe, die Menschen bleiben auch da nicht immer jung, aber die lebhafte gesellige Bewegung nimmt so wenig Rücksicht auf das Alter, wie die Baukunst auf den Winter. Was sollte er, der Chef aller Invaliden, die damals (während des siebenjährigen Krieges) die Besatzung von Marseille und seinen Forts ausmachten, mit seinem hölzernen Beine auf dem Balle; nicht einmal die Lieutenants seines Regiments waren zum Tanze zu brauchen. Hier am Kamine schien ihm dagegen sein hölzernes Bein höchst brauchbar, weil er den Basset nicht wecken mochte, um den Vorrath grüner Olivenäste, den er sich zur Seite hatte hinlegen lassen, allmählich in die Flamme zu schieben.

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <pb facs="#f0011"/>
      </div>
    </front>
    <body>
      <div n="1">
        <p>Graf Dürande, der gute alte Commandant von Marseille, saß einsam frierend an einem                kalt stürmenden Octoberabende bei dem schlecht eingerichteten Kamine seiner                prachtvollen Commandantenwohnung und rückte immer näher und näher zum Feuer, während                die Kutschen zu einem großen Balle in der Straße vorüber rollten und sein                Kammerdiener Basset, der zugleich sein liebster Gesellschafter war, im Vorzimmer                heftig schnarchte. Auch im südlichen Frankreich ist es nicht immer warm, dachte der                alte Herr und schüttelte mit dem Kopfe, die Menschen bleiben auch da nicht immer                jung, aber die lebhafte gesellige Bewegung nimmt so wenig Rücksicht auf das Alter,                wie die Baukunst auf den Winter. Was sollte er, der Chef aller Invaliden, die damals                (während des siebenjährigen Krieges) die Besatzung von Marseille und seinen Forts                ausmachten, mit seinem hölzernen Beine auf dem Balle; nicht einmal die Lieutenants                seines Regiments waren zum Tanze zu brauchen. Hier am Kamine schien ihm dagegen sein                hölzernes Bein höchst brauchbar, weil er den Basset nicht wecken mochte, um den                Vorrath grüner Olivenäste, den er sich zur Seite hatte hinlegen lassen, allmählich in                die Flamme zu schieben.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0011] Graf Dürande, der gute alte Commandant von Marseille, saß einsam frierend an einem kalt stürmenden Octoberabende bei dem schlecht eingerichteten Kamine seiner prachtvollen Commandantenwohnung und rückte immer näher und näher zum Feuer, während die Kutschen zu einem großen Balle in der Straße vorüber rollten und sein Kammerdiener Basset, der zugleich sein liebster Gesellschafter war, im Vorzimmer heftig schnarchte. Auch im südlichen Frankreich ist es nicht immer warm, dachte der alte Herr und schüttelte mit dem Kopfe, die Menschen bleiben auch da nicht immer jung, aber die lebhafte gesellige Bewegung nimmt so wenig Rücksicht auf das Alter, wie die Baukunst auf den Winter. Was sollte er, der Chef aller Invaliden, die damals (während des siebenjährigen Krieges) die Besatzung von Marseille und seinen Forts ausmachten, mit seinem hölzernen Beine auf dem Balle; nicht einmal die Lieutenants seines Regiments waren zum Tanze zu brauchen. Hier am Kamine schien ihm dagegen sein hölzernes Bein höchst brauchbar, weil er den Basset nicht wecken mochte, um den Vorrath grüner Olivenäste, den er sich zur Seite hatte hinlegen lassen, allmählich in die Flamme zu schieben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:48:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:48:52Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_invalide_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_invalide_1910/11
Zitationshilfe: Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [163]–201. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_invalide_1910/11>, abgerufen am 16.04.2024.