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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

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"Wo willt du bleiben mit der Zeit,
"Sehr alt sind wir schon alle beyd."

Der edle Herr bald wieder kam,
Da stellte man die Hochzeit an,
Denn alles war voraus bereit,
Die Braut war voller Traurigkeit.
Sie ging in ihren Garten früh,
Da fiel sie nieder auf die Knie,
Sie rief von ganzem Herzen an
Jesum, ihren liebsten Bräutigam.
Sie lag auf ihrem Angesicht,
Viel Seufzer sie zu Jesu schickt.
Der liebste Jesus ihr erschien,
Und sprach: "Schau, meine Braut, vernimm:
"Du sollt jezt und in kurzer Zeit,
"Bey mir seyn in der wahren Freud,
"Und mit den lieben Engelein
"In voller Freud und Wonne seyn."
Er grüßt die Jungfrau wunderschön,
Die Jungfrau thät vor ihme stehn,
Schamhaftig, schlägt die Augen nieder,
Empfing gar schöne Jesum wieder.
Der Jüngling an zu reden fing,
Verehrt ihr einen goldnen Ring;
"Schau da, mein' Braut zum Liebespfand,
"Tragt diesen Ring an Eurer Hand."

„Wo willt du bleiben mit der Zeit,
„Sehr alt ſind wir ſchon alle beyd.“

Der edle Herr bald wieder kam,
Da ſtellte man die Hochzeit an,
Denn alles war voraus bereit,
Die Braut war voller Traurigkeit.
Sie ging in ihren Garten fruͤh,
Da fiel ſie nieder auf die Knie,
Sie rief von ganzem Herzen an
Jeſum, ihren liebſten Braͤutigam.
Sie lag auf ihrem Angeſicht,
Viel Seufzer ſie zu Jeſu ſchickt.
Der liebſte Jeſus ihr erſchien,
Und ſprach: „Schau, meine Braut, vernimm:
„Du ſollt jezt und in kurzer Zeit,
„Bey mir ſeyn in der wahren Freud,
„Und mit den lieben Engelein
„In voller Freud und Wonne ſeyn.“
Er gruͤßt die Jungfrau wunderſchoͤn,
Die Jungfrau thaͤt vor ihme ſtehn,
Schamhaftig, ſchlaͤgt die Augen nieder,
Empfing gar ſchoͤne Jeſum wieder.
Der Juͤngling an zu reden fing,
Verehrt ihr einen goldnen Ring;
„Schau da, mein' Braut zum Liebespfand,
„Tragt dieſen Ring an Eurer Hand.“

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[66/0075] „Wo willt du bleiben mit der Zeit, „Sehr alt ſind wir ſchon alle beyd.“ Der edle Herr bald wieder kam, Da ſtellte man die Hochzeit an, Denn alles war voraus bereit, Die Braut war voller Traurigkeit. Sie ging in ihren Garten fruͤh, Da fiel ſie nieder auf die Knie, Sie rief von ganzem Herzen an Jeſum, ihren liebſten Braͤutigam. Sie lag auf ihrem Angeſicht, Viel Seufzer ſie zu Jeſu ſchickt. Der liebſte Jeſus ihr erſchien, Und ſprach: „Schau, meine Braut, vernimm: „Du ſollt jezt und in kurzer Zeit, „Bey mir ſeyn in der wahren Freud, „Und mit den lieben Engelein „In voller Freud und Wonne ſeyn.“ Er gruͤßt die Jungfrau wunderſchoͤn, Die Jungfrau thaͤt vor ihme ſtehn, Schamhaftig, ſchlaͤgt die Augen nieder, Empfing gar ſchoͤne Jeſum wieder. Der Juͤngling an zu reden fing, Verehrt ihr einen goldnen Ring; „Schau da, mein' Braut zum Liebespfand, „Tragt dieſen Ring an Eurer Hand.“

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/75>, abgerufen am 28.03.2024.