Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

In mir sich laß in Demuth zeigen,
Laß mich ein Kind der Liebe seyn;
Der alten Schlange Kopf zerbrich
In mir und dann erkenne dich.

Wo ist o Liebe deine Tiefe,
Der Urgrund deiner Wunderkraft;
Seel, komm ein einzig Tröpflein prüfe
Von dieser Wirkungseigenschaft.
O wer in diesem tiefen Meer
Gleich einem Tröpflein sich verlör!
8. Erziehung durch Erkenntniß.
O finstre Nacht, wann wirst du doch vergehen,
Wann bricht mein Lebenslicht herfür;
Wann werd ich doch von Sünden auferstehen,
Und leben nur allein in dir.
Wann werd ich in Gerechtigkeit
Dein Antlitz sehen allezeit?
Wann werd ich satt und froh mit Lachen,
O Herr nach deinem Bild erwachen.
Darum mein Geist sey wacker, wach und streite,
Fahr immer in der Heilgung fort;
Vergiß, was rückwärts ist, die grosse Beute
Steht noch an ihrem Orte dort.
Streck dich darnach, eil nach ihr zu,
Du findest sonsten doch nicht Ruh;
Bis du hast diese Kron erstritten,
Und mit dem Herrn den Tod erlitten.

In mir ſich laß in Demuth zeigen,
Laß mich ein Kind der Liebe ſeyn;
Der alten Schlange Kopf zerbrich
In mir und dann erkenne dich.

Wo iſt o Liebe deine Tiefe,
Der Urgrund deiner Wunderkraft;
Seel, komm ein einzig Troͤpflein pruͤfe
Von dieſer Wirkungseigenſchaft.
O wer in dieſem tiefen Meer
Gleich einem Troͤpflein ſich verloͤr!
8. Erziehung durch Erkenntniß.
O finſtre Nacht, wann wirſt du doch vergehen,
Wann bricht mein Lebenslicht herfuͤr;
Wann werd ich doch von Suͤnden auferſtehen,
Und leben nur allein in dir.
Wann werd ich in Gerechtigkeit
Dein Antlitz ſehen allezeit?
Wann werd ich ſatt und froh mit Lachen,
O Herr nach deinem Bild erwachen.
Darum mein Geiſt ſey wacker, wach und ſtreite,
Fahr immer in der Heilgung fort;
Vergiß, was ruͤckwaͤrts iſt, die groſſe Beute
Steht noch an ihrem Orte dort.
Streck dich darnach, eil nach ihr zu,
Du findeſt ſonſten doch nicht Ruh;
Bis du haſt dieſe Kron erſtritten,
Und mit dem Herrn den Tod erlitten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="5">
              <pb facs="#f0225" n="215"/>
              <l>In mir &#x017F;ich laß in Demuth zeigen,</l><lb/>
              <l>Laß mich ein Kind der Liebe &#x017F;eyn;</l><lb/>
              <l>Der alten Schlange Kopf zerbrich</l><lb/>
              <l>In mir und dann erkenne dich.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Wo i&#x017F;t o Liebe deine Tiefe,</l><lb/>
              <l>Der Urgrund deiner Wunderkraft;</l><lb/>
              <l>Seel, komm ein einzig Tro&#x0364;pflein pru&#x0364;fe</l><lb/>
              <l>Von die&#x017F;er Wirkungseigen&#x017F;chaft.</l><lb/>
              <l>O wer in die&#x017F;em tiefen Meer</l><lb/>
              <l>Gleich einem Tro&#x0364;pflein &#x017F;ich verlo&#x0364;r!</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>8. <hi rendition="#g">Erziehung durch Erkenntniß</hi>.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">O</hi> fin&#x017F;tre Nacht, wann wir&#x017F;t du doch vergehen,</l><lb/>
              <l>Wann bricht mein Lebenslicht herfu&#x0364;r;</l><lb/>
              <l>Wann werd ich doch von Su&#x0364;nden aufer&#x017F;tehen,</l><lb/>
              <l>Und leben nur allein in dir.</l><lb/>
              <l>Wann werd ich in Gerechtigkeit</l><lb/>
              <l>Dein Antlitz &#x017F;ehen allezeit?</l><lb/>
              <l>Wann werd ich &#x017F;att und froh mit Lachen,</l><lb/>
              <l>O Herr nach deinem Bild erwachen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Darum mein Gei&#x017F;t &#x017F;ey wacker, wach und &#x017F;treite,</l><lb/>
              <l>Fahr immer in der Heilgung fort;</l><lb/>
              <l>Vergiß, was ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts i&#x017F;t, die gro&#x017F;&#x017F;e Beute</l><lb/>
              <l>Steht noch an ihrem Orte dort.</l><lb/>
              <l>Streck dich darnach, eil nach ihr zu,</l><lb/>
              <l>Du finde&#x017F;t &#x017F;on&#x017F;ten doch nicht Ruh;</l><lb/>
              <l>Bis du ha&#x017F;t die&#x017F;e Kron er&#x017F;tritten,</l><lb/>
              <l>Und mit dem Herrn den Tod erlitten.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0225] In mir ſich laß in Demuth zeigen, Laß mich ein Kind der Liebe ſeyn; Der alten Schlange Kopf zerbrich In mir und dann erkenne dich. Wo iſt o Liebe deine Tiefe, Der Urgrund deiner Wunderkraft; Seel, komm ein einzig Troͤpflein pruͤfe Von dieſer Wirkungseigenſchaft. O wer in dieſem tiefen Meer Gleich einem Troͤpflein ſich verloͤr! 8. Erziehung durch Erkenntniß. O finſtre Nacht, wann wirſt du doch vergehen, Wann bricht mein Lebenslicht herfuͤr; Wann werd ich doch von Suͤnden auferſtehen, Und leben nur allein in dir. Wann werd ich in Gerechtigkeit Dein Antlitz ſehen allezeit? Wann werd ich ſatt und froh mit Lachen, O Herr nach deinem Bild erwachen. Darum mein Geiſt ſey wacker, wach und ſtreite, Fahr immer in der Heilgung fort; Vergiß, was ruͤckwaͤrts iſt, die groſſe Beute Steht noch an ihrem Orte dort. Streck dich darnach, eil nach ihr zu, Du findeſt ſonſten doch nicht Ruh; Bis du haſt dieſe Kron erſtritten, Und mit dem Herrn den Tod erlitten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/225
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/225>, abgerufen am 28.03.2024.