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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.

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Abendsegen.

(Mündlich.)

Der Tag hat seinen Schmuck auf heute weggethan,
Es ziehet nun die Nacht die braunen Kleider an;
Und deckt die Welt in angenehmer Ruh
Mit ihren Schatten zu.
Wohlan ich suche nun auch meine Lagerstadt,
Worauf der müde Leib sich zu erquicken hat;
Und wo der Geist geruhig und vergnügt
In süßer Stille liegt.
Ein gut Gewissen wird mein Abendsegen seyn,
Die Unschuld machet mich von aller Falschheit rein,
Mein Herz ist treu, wer anders von mir spricht,
Der kennet mich noch nicht.
So kleide dich nun aus, mein ungebundner Sinn,
Durch dich leg ich vergnügt die Sorgenkleider hin;
Die Brust ist frey, die Kummer und Verdruß
Bei andern quälen muß.
Ein froh Gemüthe soll mein saubres Nachtzeug seyn,
In solchen schlaf ich sanft und ohne Schwermuth ein;
Und machte mir auch was Melancholey,
So schwebt sie doch vorbey.
Der Himmel wacht bei mir, sein Auge das mich
kennt,
Muß mir die Lampe seyn, die mir zum Troste brennt;
Und weil das Oel der Gnade nie gebricht,
Ach so verlöscht sie nicht.

Abendſegen.

(Muͤndlich.)

Der Tag hat ſeinen Schmuck auf heute weggethan,
Es ziehet nun die Nacht die braunen Kleider an;
Und deckt die Welt in angenehmer Ruh
Mit ihren Schatten zu.
Wohlan ich ſuche nun auch meine Lagerſtadt,
Worauf der muͤde Leib ſich zu erquicken hat;
Und wo der Geiſt geruhig und vergnuͤgt
In ſuͤßer Stille liegt.
Ein gut Gewiſſen wird mein Abendſegen ſeyn,
Die Unſchuld machet mich von aller Falſchheit rein,
Mein Herz iſt treu, wer anders von mir ſpricht,
Der kennet mich noch nicht.
So kleide dich nun aus, mein ungebundner Sinn,
Durch dich leg ich vergnuͤgt die Sorgenkleider hin;
Die Bruſt iſt frey, die Kummer und Verdruß
Bei andern quaͤlen muß.
Ein froh Gemuͤthe ſoll mein ſaubres Nachtzeug ſeyn,
In ſolchen ſchlaf ich ſanft und ohne Schwermuth ein;
Und machte mir auch was Melancholey,
So ſchwebt ſie doch vorbey.
Der Himmel wacht bei mir, ſein Auge das mich
kennt,
Muß mir die Lampe ſeyn, die mir zum Troſte brennt;
Und weil das Oel der Gnade nie gebricht,
Ach ſo verloͤſcht ſie nicht.

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[80/0090] Abendſegen. (Muͤndlich.) Der Tag hat ſeinen Schmuck auf heute weggethan, Es ziehet nun die Nacht die braunen Kleider an; Und deckt die Welt in angenehmer Ruh Mit ihren Schatten zu. Wohlan ich ſuche nun auch meine Lagerſtadt, Worauf der muͤde Leib ſich zu erquicken hat; Und wo der Geiſt geruhig und vergnuͤgt In ſuͤßer Stille liegt. Ein gut Gewiſſen wird mein Abendſegen ſeyn, Die Unſchuld machet mich von aller Falſchheit rein, Mein Herz iſt treu, wer anders von mir ſpricht, Der kennet mich noch nicht. So kleide dich nun aus, mein ungebundner Sinn, Durch dich leg ich vergnuͤgt die Sorgenkleider hin; Die Bruſt iſt frey, die Kummer und Verdruß Bei andern quaͤlen muß. Ein froh Gemuͤthe ſoll mein ſaubres Nachtzeug ſeyn, In ſolchen ſchlaf ich ſanft und ohne Schwermuth ein; Und machte mir auch was Melancholey, So ſchwebt ſie doch vorbey. Der Himmel wacht bei mir, ſein Auge das mich kennt, Muß mir die Lampe ſeyn, die mir zum Troſte brennt; Und weil das Oel der Gnade nie gebricht, Ach ſo verloͤſcht ſie nicht.

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/90>, abgerufen am 29.03.2024.