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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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An Goethe.


Wenn die Sonne am heißesten scheint, wird der
blaue Himmel oft trübe; man fürchtet Sturm und Ge-
witter, beklemmende Luft drückt die Brust, aber endlich
siegt die Sonne; ruhig und golden sinkt sie dem Abend
in Schoos.

So war mir's, da ich Ihnen geschrieben hatte; ich
war beklemmt, wie wenn ein Gewitter sich spüren läßt,
und ward oft roth über den Gedanken, daß Sie es un-
recht finden möchten, und endlich ward mein Mißtrauen
nur durch wenig Worte, aber so lieb gelöst. Wenn Sie
wüßten wie schnelle Fortschritte mein Zutrauen in dem-
selben Augenblick machte, da ich erkannte, daß Sie es
gern wollen! -- Gütiger, freundlich gesinnter Mann!
ich bin so unbewandert in Auslegung solcher köstlichen
Worte, daß ich schwankte über ihren Sinn; die Mutter
aber sagte: sei nicht so dumm, er mag geschrieben ha-
ben, was er will, so heißt es, Du sollst ihm schreiben,
so oft Du kannst und was Du willst. -- Ach ich kann
Ihnen nichts anders mittheilen, als blos, was in mei-
nem Herzen vorgeht. O dürft' ich jetzt bei ihm sein,
dacht' ich, so glühend hell sollte meine Freudensonne

ihm
An Goethe.


Wenn die Sonne am heißeſten ſcheint, wird der
blaue Himmel oft trübe; man fürchtet Sturm und Ge-
witter, beklemmende Luft drückt die Bruſt, aber endlich
ſiegt die Sonne; ruhig und golden ſinkt ſie dem Abend
in Schoos.

So war mir's, da ich Ihnen geſchrieben hatte; ich
war beklemmt, wie wenn ein Gewitter ſich ſpüren läßt,
und ward oft roth über den Gedanken, daß Sie es un-
recht finden möchten, und endlich ward mein Mißtrauen
nur durch wenig Worte, aber ſo lieb gelöſt. Wenn Sie
wüßten wie ſchnelle Fortſchritte mein Zutrauen in dem-
ſelben Augenblick machte, da ich erkannte, daß Sie es
gern wollen! — Gütiger, freundlich geſinnter Mann!
ich bin ſo unbewandert in Auslegung ſolcher köſtlichen
Worte, daß ich ſchwankte über ihren Sinn; die Mutter
aber ſagte: ſei nicht ſo dumm, er mag geſchrieben ha-
ben, was er will, ſo heißt es, Du ſollſt ihm ſchreiben,
ſo oft Du kannſt und was Du willſt. — Ach ich kann
Ihnen nichts anders mittheilen, als blos, was in mei-
nem Herzen vorgeht. O dürft' ich jetzt bei ihm ſein,
dacht' ich, ſo glühend hell ſollte meine Freudenſonne

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[120/0152] An Goethe. Am 25. Mai. Wenn die Sonne am heißeſten ſcheint, wird der blaue Himmel oft trübe; man fürchtet Sturm und Ge- witter, beklemmende Luft drückt die Bruſt, aber endlich ſiegt die Sonne; ruhig und golden ſinkt ſie dem Abend in Schoos. So war mir's, da ich Ihnen geſchrieben hatte; ich war beklemmt, wie wenn ein Gewitter ſich ſpüren läßt, und ward oft roth über den Gedanken, daß Sie es un- recht finden möchten, und endlich ward mein Mißtrauen nur durch wenig Worte, aber ſo lieb gelöſt. Wenn Sie wüßten wie ſchnelle Fortſchritte mein Zutrauen in dem- ſelben Augenblick machte, da ich erkannte, daß Sie es gern wollen! — Gütiger, freundlich geſinnter Mann! ich bin ſo unbewandert in Auslegung ſolcher köſtlichen Worte, daß ich ſchwankte über ihren Sinn; die Mutter aber ſagte: ſei nicht ſo dumm, er mag geſchrieben ha- ben, was er will, ſo heißt es, Du ſollſt ihm ſchreiben, ſo oft Du kannſt und was Du willſt. — Ach ich kann Ihnen nichts anders mittheilen, als blos, was in mei- nem Herzen vorgeht. O dürft' ich jetzt bei ihm ſein, dacht' ich, ſo glühend hell ſollte meine Freudenſonne ihm

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/152>, abgerufen am 29.03.2024.