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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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Da ich nun heute bis zum Amen Deiner reichen
inhaltsvollen Blätter gekommen bin, so möchte ich Dir
schließlich nur mit einem Wort den Genuß ausdrücken,
der mir daraus erwächst und Dich bitten, daß Du mir
ja das Thema über Musik nicht fallen läßt, sondern viel-
mehr nach allen Seiten hin und auf alle Weise variirst.
Und so sage ich Dir ein herzliches Lebewohl; bleibe
mir gut, bis günstige Sterne uns zu einander führen.

G.
An Goethe.


Fünf Tage waren wir unterwegs, und seitdem hat
es unaufhörlich geregnet. Das ganze Haus voll Gäste,
kein Eckchen wo man sich der Einsamkeit hätte freuen
können, um Dir zu schreiben.

So lang' ich Dir noch zu sagen habe, so lang'
glaub' ich auch fest, daß dein Geist auf mich gerichtet
ist, wie auf so manche Räthsel der Natur; wie ich denn
glaube, daß jeder Mensch ein solches Räthsel ist, und
daß es die Aufgabe der Liebe ist zwischen Freunden,
das Räthsel aufzulösen; so daß ein jeder seine tiefere
Natur durch und in dem Freund kennen lerne. Ja

Da ich nun heute bis zum Amen Deiner reichen
inhaltsvollen Blätter gekommen bin, ſo möchte ich Dir
ſchließlich nur mit einem Wort den Genuß ausdrücken,
der mir daraus erwächſt und Dich bitten, daß Du mir
ja das Thema über Muſik nicht fallen läßt, ſondern viel-
mehr nach allen Seiten hin und auf alle Weiſe variirſt.
Und ſo ſage ich Dir ein herzliches Lebewohl; bleibe
mir gut, bis günſtige Sterne uns zu einander führen.

G.
An Goethe.


Fünf Tage waren wir unterwegs, und ſeitdem hat
es unaufhörlich geregnet. Das ganze Haus voll Gäſte,
kein Eckchen wo man ſich der Einſamkeit hätte freuen
können, um Dir zu ſchreiben.

So lang' ich Dir noch zu ſagen habe, ſo lang'
glaub' ich auch feſt, daß dein Geiſt auf mich gerichtet
iſt, wie auf ſo manche Räthſel der Natur; wie ich denn
glaube, daß jeder Menſch ein ſolches Räthſel iſt, und
daß es die Aufgabe der Liebe iſt zwiſchen Freunden,
das Räthſel aufzulöſen; ſo daß ein jeder ſeine tiefere
Natur durch und in dem Freund kennen lerne. Ja

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[279/0311] Da ich nun heute bis zum Amen Deiner reichen inhaltsvollen Blätter gekommen bin, ſo möchte ich Dir ſchließlich nur mit einem Wort den Genuß ausdrücken, der mir daraus erwächſt und Dich bitten, daß Du mir ja das Thema über Muſik nicht fallen läßt, ſondern viel- mehr nach allen Seiten hin und auf alle Weiſe variirſt. Und ſo ſage ich Dir ein herzliches Lebewohl; bleibe mir gut, bis günſtige Sterne uns zu einander führen. G. An Goethe. Rochusberg. Fünf Tage waren wir unterwegs, und ſeitdem hat es unaufhörlich geregnet. Das ganze Haus voll Gäſte, kein Eckchen wo man ſich der Einſamkeit hätte freuen können, um Dir zu ſchreiben. So lang' ich Dir noch zu ſagen habe, ſo lang' glaub' ich auch feſt, daß dein Geiſt auf mich gerichtet iſt, wie auf ſo manche Räthſel der Natur; wie ich denn glaube, daß jeder Menſch ein ſolches Räthſel iſt, und daß es die Aufgabe der Liebe iſt zwiſchen Freunden, das Räthſel aufzulöſen; ſo daß ein jeder ſeine tiefere Natur durch und in dem Freund kennen lerne. Ja

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/311>, abgerufen am 29.03.2024.