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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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Geduld; ich will die ander Woch' nach Frankfurt kom-
men, da kann Sie mir alles abfragen.

Ihr Kind
Bettine.

Ich lieg' schon eine Weile im Bett und da treibt
mich's heraus, daß ich Ihr alles schreib' von unserer
Reise. -- Ich hab' Ihr ja geschrieben, daß wir in
männlicher Kleidung durch die Armeen passirten. Gleich
vor'm Thor ließ uns der Schwager aussteigen, er wollte
sehen wie die Kleidung uns stehe. Die Lullu sah sehr
gut aus, denn sie ist prächtig gewachsen und die Klei-
dung war sehr passend gemacht; mir war aber alles
zu weit und zu lang, als ob ich's auf dem Grempel-
markt erkauft hätte. Der Schwager lachte über mich
und sagte, ich sähe aus wie ein Savoyardenbube, ich
könnte gute Dienste leisten. Der Kutscher hatte uns
vom Weg abgefahren durch einen Wald, und wie ein
Kreuzweg kam, da wußt' er nicht wohinaus; obschon
es nur der Anfang war von der ganzen vier Wochen
langen Reise, so hatt' ich doch Angst, wir könnten uns
verirren und kämen dann zu spät nach Weimar; ich
klettert' auf die höchste Tanne und da sah ich bald, wo
die Chaussee lag. Die ganze Reise hab' ich auf dem
Bock gemacht; ich hatte eine Mütze auf von Fuchspelz,

Geduld; ich will die ander Woch' nach Frankfurt kom-
men, da kann Sie mir alles abfragen.

Ihr Kind
Bettine.

Ich lieg' ſchon eine Weile im Bett und da treibt
mich's heraus, daß ich Ihr alles ſchreib' von unſerer
Reiſe. — Ich hab' Ihr ja geſchrieben, daß wir in
männlicher Kleidung durch die Armeen paſſirten. Gleich
vor'm Thor ließ uns der Schwager ausſteigen, er wollte
ſehen wie die Kleidung uns ſtehe. Die Lullu ſah ſehr
gut aus, denn ſie iſt prächtig gewachſen und die Klei-
dung war ſehr paſſend gemacht; mir war aber alles
zu weit und zu lang, als ob ich's auf dem Grempel-
markt erkauft hätte. Der Schwager lachte über mich
und ſagte, ich ſähe aus wie ein Savoyardenbube, ich
könnte gute Dienſte leiſten. Der Kutſcher hatte uns
vom Weg abgefahren durch einen Wald, und wie ein
Kreuzweg kam, da wußt' er nicht wohinaus; obſchon
es nur der Anfang war von der ganzen vier Wochen
langen Reiſe, ſo hatt' ich doch Angſt, wir könnten uns
verirren und kämen dann zu ſpät nach Weimar; ich
klettert' auf die höchſte Tanne und da ſah ich bald, wo
die Chauſſee lag. Die ganze Reiſe hab' ich auf dem
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[4/0036] Geduld; ich will die ander Woch' nach Frankfurt kom- men, da kann Sie mir alles abfragen. Ihr Kind Bettine. Ich lieg' ſchon eine Weile im Bett und da treibt mich's heraus, daß ich Ihr alles ſchreib' von unſerer Reiſe. — Ich hab' Ihr ja geſchrieben, daß wir in männlicher Kleidung durch die Armeen paſſirten. Gleich vor'm Thor ließ uns der Schwager ausſteigen, er wollte ſehen wie die Kleidung uns ſtehe. Die Lullu ſah ſehr gut aus, denn ſie iſt prächtig gewachſen und die Klei- dung war ſehr paſſend gemacht; mir war aber alles zu weit und zu lang, als ob ich's auf dem Grempel- markt erkauft hätte. Der Schwager lachte über mich und ſagte, ich ſähe aus wie ein Savoyardenbube, ich könnte gute Dienſte leiſten. Der Kutſcher hatte uns vom Weg abgefahren durch einen Wald, und wie ein Kreuzweg kam, da wußt' er nicht wohinaus; obſchon es nur der Anfang war von der ganzen vier Wochen langen Reiſe, ſo hatt' ich doch Angſt, wir könnten uns verirren und kämen dann zu ſpät nach Weimar; ich klettert' auf die höchſte Tanne und da ſah ich bald, wo die Chauſſee lag. Die ganze Reiſe hab' ich auf dem Bock gemacht; ich hatte eine Mütze auf von Fuchspelz,

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/36>, abgerufen am 28.03.2024.