Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

der Blumen Farben und vermählst sie dem Licht; deine
Leyer findest Du immer gestimmt, und wenn sie Dir
auch frischgekränzt entgegen prangte, würdest Du fra-
gen: Wer hat mir diesen schönen Kranz gewunden? --
Dein Gesang würde diese Blumen bald versengen; sie
würden ihre Häupter senken, sie würden ihre Farbe ver-
lieren, und bald würden sie unbeachtet am Boden
schleifen.

Alle Gedanken, die die Liebe mir eingiebt, alles
heiße Sehnen und Wollen, kann ich nur solchen Feld-
blumen vergleichen; -- sie thun unbewußt über dem
grünen Rasen ihre goldnen Augen auf, sie lachen eine
Weile in den blauen Himmel, dann leuchten tausend
Sterne über ihnen und umtanzen den Mond, und ver-
hüllen die zitternden, Thränen-belasteten Blumen in
Nacht und betäubenden Schlummer. So bist Du Poete
ein vom Sternenreigen seiner Eingebungen umtanzter
Mond; meine Gedanken aber liegen im Thal, wie die
Feldblumen, und sinken in Nacht vor Dir, und meine
Begeisterung ermattet vor Dir, und alle Gedanken schla-
fen unter deinem Firmament.

Bettine.

der Blumen Farben und vermählſt ſie dem Licht; deine
Leyer findeſt Du immer geſtimmt, und wenn ſie Dir
auch friſchgekränzt entgegen prangte, würdeſt Du fra-
gen: Wer hat mir dieſen ſchönen Kranz gewunden? —
Dein Geſang würde dieſe Blumen bald verſengen; ſie
würden ihre Häupter ſenken, ſie würden ihre Farbe ver-
lieren, und bald würden ſie unbeachtet am Boden
ſchleifen.

Alle Gedanken, die die Liebe mir eingiebt, alles
heiße Sehnen und Wollen, kann ich nur ſolchen Feld-
blumen vergleichen; — ſie thun unbewußt über dem
grünen Raſen ihre goldnen Augen auf, ſie lachen eine
Weile in den blauen Himmel, dann leuchten tauſend
Sterne über ihnen und umtanzen den Mond, und ver-
hüllen die zitternden, Thränen-belaſteten Blumen in
Nacht und betäubenden Schlummer. So biſt Du Poete
ein vom Sternenreigen ſeiner Eingebungen umtanzter
Mond; meine Gedanken aber liegen im Thal, wie die
Feldblumen, und ſinken in Nacht vor Dir, und meine
Begeiſterung ermattet vor Dir, und alle Gedanken ſchla-
fen unter deinem Firmament.

Bettine.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0167" n="135"/>
der Blumen Farben und vermähl&#x017F;t &#x017F;ie dem Licht; deine<lb/>
Leyer finde&#x017F;t Du immer ge&#x017F;timmt, und wenn &#x017F;ie Dir<lb/>
auch fri&#x017F;chgekränzt entgegen prangte, würde&#x017F;t Du fra-<lb/>
gen: Wer hat mir die&#x017F;en &#x017F;chönen Kranz gewunden? &#x2014;<lb/>
Dein Ge&#x017F;ang würde die&#x017F;e Blumen bald ver&#x017F;engen; &#x017F;ie<lb/>
würden ihre Häupter &#x017F;enken, &#x017F;ie würden ihre Farbe ver-<lb/>
lieren, und bald würden &#x017F;ie unbeachtet am Boden<lb/>
&#x017F;chleifen.</p><lb/>
          <p>Alle Gedanken, die die Liebe mir eingiebt, alles<lb/>
heiße Sehnen und Wollen, kann ich nur &#x017F;olchen Feld-<lb/>
blumen vergleichen; &#x2014; &#x017F;ie thun unbewußt über dem<lb/>
grünen Ra&#x017F;en ihre goldnen Augen auf, &#x017F;ie lachen eine<lb/>
Weile in den blauen Himmel, dann leuchten tau&#x017F;end<lb/>
Sterne über ihnen und umtanzen den Mond, und ver-<lb/>
hüllen die zitternden, Thränen-bela&#x017F;teten Blumen in<lb/>
Nacht und betäubenden Schlummer. So bi&#x017F;t Du Poete<lb/>
ein vom Sternenreigen &#x017F;einer Eingebungen umtanzter<lb/>
Mond; meine Gedanken aber liegen im Thal, wie die<lb/>
Feldblumen, und &#x017F;inken in Nacht vor Dir, und meine<lb/>
Begei&#x017F;terung ermattet vor Dir, und alle Gedanken &#x017F;chla-<lb/>
fen unter deinem Firmament.</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Bettine.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0167] der Blumen Farben und vermählſt ſie dem Licht; deine Leyer findeſt Du immer geſtimmt, und wenn ſie Dir auch friſchgekränzt entgegen prangte, würdeſt Du fra- gen: Wer hat mir dieſen ſchönen Kranz gewunden? — Dein Geſang würde dieſe Blumen bald verſengen; ſie würden ihre Häupter ſenken, ſie würden ihre Farbe ver- lieren, und bald würden ſie unbeachtet am Boden ſchleifen. Alle Gedanken, die die Liebe mir eingiebt, alles heiße Sehnen und Wollen, kann ich nur ſolchen Feld- blumen vergleichen; — ſie thun unbewußt über dem grünen Raſen ihre goldnen Augen auf, ſie lachen eine Weile in den blauen Himmel, dann leuchten tauſend Sterne über ihnen und umtanzen den Mond, und ver- hüllen die zitternden, Thränen-belaſteten Blumen in Nacht und betäubenden Schlummer. So biſt Du Poete ein vom Sternenreigen ſeiner Eingebungen umtanzter Mond; meine Gedanken aber liegen im Thal, wie die Feldblumen, und ſinken in Nacht vor Dir, und meine Begeiſterung ermattet vor Dir, und alle Gedanken ſchla- fen unter deinem Firmament. Bettine.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/167
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/167>, abgerufen am 25.04.2024.