Mein liebes Kind! ich klage mich an, daß ich Dir nicht früher ein Zeichen gegeben, wie genußreich und erquickend es mir ist, das reiche Leben deines Herzens überschauen zu dürfen. Wenn es auch ein Mangel in mir ist, daß ich Dir nur wenig sagen kann, so ist es Mangel an Fassung über alles was Du mir giebst.
Ich schreibe Dir diesen Augenblick im Flug', denn ich fürchte da zu verweilen, wo so viel überströmendes mich ergreift. Fahre fort, deine Heimath bei der Mut- ter zu befestigen; es ist ihr zu viel dadurch geworden, als daß sie dich entbehren könnte, und rechne Du auf meine Liebe und meinen Dank.
G.
Goethe an Bettine.
18ten Juni.
Mein liebes Kind! ich klage mich an, daß ich Dir nicht früher ein Zeichen gegeben, wie genußreich und erquickend es mir iſt, das reiche Leben deines Herzens überſchauen zu dürfen. Wenn es auch ein Mangel in mir iſt, daß ich Dir nur wenig ſagen kann, ſo iſt es Mangel an Faſſung über alles was Du mir giebſt.
Ich ſchreibe Dir dieſen Augenblick im Flug', denn ich fürchte da zu verweilen, wo ſo viel überſtrömendes mich ergreift. Fahre fort, deine Heimath bei der Mut- ter zu befeſtigen; es iſt ihr zu viel dadurch geworden, als daß ſie dich entbehren könnte, und rechne Du auf meine Liebe und meinen Dank.
G.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0168"n="136"/><divn="2"><opener><salute>Goethe an Bettine.</salute><lb/><dateline><hirendition="#et">18ten Juni.</hi></dateline></opener><lb/><p>Mein liebes Kind! ich klage mich an, daß ich Dir<lb/>
nicht früher ein Zeichen gegeben, wie genußreich und<lb/>
erquickend es mir iſt, das reiche Leben deines Herzens<lb/>
überſchauen zu dürfen. Wenn es auch ein Mangel in<lb/>
mir iſt, daß ich Dir nur wenig ſagen kann, ſo iſt es<lb/>
Mangel an Faſſung über alles was Du mir giebſt.</p><lb/><p>Ich ſchreibe Dir dieſen Augenblick im Flug', denn<lb/>
ich fürchte da zu verweilen, wo ſo viel überſtrömendes<lb/>
mich ergreift. Fahre fort, deine Heimath bei der Mut-<lb/>
ter zu befeſtigen; es iſt ihr zu viel dadurch geworden,<lb/>
als daß ſie dich entbehren könnte, und rechne Du auf<lb/>
meine Liebe und meinen Dank.</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">G.</hi></salute></closer></div><lb/></div></body></text></TEI>
[136/0168]
Goethe an Bettine.
18ten Juni.
Mein liebes Kind! ich klage mich an, daß ich Dir
nicht früher ein Zeichen gegeben, wie genußreich und
erquickend es mir iſt, das reiche Leben deines Herzens
überſchauen zu dürfen. Wenn es auch ein Mangel in
mir iſt, daß ich Dir nur wenig ſagen kann, ſo iſt es
Mangel an Faſſung über alles was Du mir giebſt.
Ich ſchreibe Dir dieſen Augenblick im Flug', denn
ich fürchte da zu verweilen, wo ſo viel überſtrömendes
mich ergreift. Fahre fort, deine Heimath bei der Mut-
ter zu befeſtigen; es iſt ihr zu viel dadurch geworden,
als daß ſie dich entbehren könnte, und rechne Du auf
meine Liebe und meinen Dank.
G.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/168>, abgerufen am 28.03.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.