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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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so gewaltigen Anlauf, und klirrte an den Fensterschei-
ben und heulte so jammernd, daß ich Mitleid spürte,
und nun riß er so tückisch die schwere Thüre auf, er
wollte mir das Licht auslöschen; ich sprang auf den
Tisch und schützte es, und ich sah durch die offne Thür
nach dem dunklen Gang, um doch gleich bereit zu sein,
wenn Geister eintreten sollten; ich zitterte vor herz-
klopfender Angst; da sah ich was sich bilden, draußen
im Gang; und es war wirklich, als wollten zwei Män-
ner eintreten, die sich bei der Hand hielten; einer weiß
und breitschultrig, und der andre schwarz und freund-
lich; und ich dachte: das ist Goethe! Da sprang ich
vom Tisch Dir entgegen, und lief zur Thür hinaus auf
den dunklen Gang, vor dem ich mich gefürchtet hatte,
und ging bis an's Ende Dir entgegen, und meine ganze
Angst hatte sich in Sehnsucht verwandelt; und ich war
traurig daß die Geister nicht kamen, Du und der Her-
zog. -- Ihr seid ja oft hier gewesen zusammen, Ihr
zwei freundlichen Brüder.

Gute Nacht, ich bin begierig auf morgen früh; da
muß sich's ausweisen, was der Sturm wird angerichtet
haben; das Krachen der Bäume, das Rieseln der Wasser
wird doch was durchgesetzt haben.


ſo gewaltigen Anlauf, und klirrte an den Fenſterſchei-
ben und heulte ſo jammernd, daß ich Mitleid ſpürte,
und nun riß er ſo tückiſch die ſchwere Thüre auf, er
wollte mir das Licht auslöſchen; ich ſprang auf den
Tiſch und ſchützte es, und ich ſah durch die offne Thür
nach dem dunklen Gang, um doch gleich bereit zu ſein,
wenn Geiſter eintreten ſollten; ich zitterte vor herz-
klopfender Angſt; da ſah ich was ſich bilden, draußen
im Gang; und es war wirklich, als wollten zwei Män-
ner eintreten, die ſich bei der Hand hielten; einer weiß
und breitſchultrig, und der andre ſchwarz und freund-
lich; und ich dachte: das iſt Goethe! Da ſprang ich
vom Tiſch Dir entgegen, und lief zur Thür hinaus auf
den dunklen Gang, vor dem ich mich gefürchtet hatte,
und ging bis an's Ende Dir entgegen, und meine ganze
Angſt hatte ſich in Sehnſucht verwandelt; und ich war
traurig daß die Geiſter nicht kamen, Du und der Her-
zog. — Ihr ſeid ja oft hier geweſen zuſammen, Ihr
zwei freundlichen Brüder.

Gute Nacht, ich bin begierig auf morgen früh; da
muß ſich's ausweiſen, was der Sturm wird angerichtet
haben; das Krachen der Bäume, das Rieſeln der Waſſer
wird doch was durchgeſetzt haben.


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[149/0181] ſo gewaltigen Anlauf, und klirrte an den Fenſterſchei- ben und heulte ſo jammernd, daß ich Mitleid ſpürte, und nun riß er ſo tückiſch die ſchwere Thüre auf, er wollte mir das Licht auslöſchen; ich ſprang auf den Tiſch und ſchützte es, und ich ſah durch die offne Thür nach dem dunklen Gang, um doch gleich bereit zu ſein, wenn Geiſter eintreten ſollten; ich zitterte vor herz- klopfender Angſt; da ſah ich was ſich bilden, draußen im Gang; und es war wirklich, als wollten zwei Män- ner eintreten, die ſich bei der Hand hielten; einer weiß und breitſchultrig, und der andre ſchwarz und freund- lich; und ich dachte: das iſt Goethe! Da ſprang ich vom Tiſch Dir entgegen, und lief zur Thür hinaus auf den dunklen Gang, vor dem ich mich gefürchtet hatte, und ging bis an's Ende Dir entgegen, und meine ganze Angſt hatte ſich in Sehnſucht verwandelt; und ich war traurig daß die Geiſter nicht kamen, Du und der Her- zog. — Ihr ſeid ja oft hier geweſen zuſammen, Ihr zwei freundlichen Brüder. Gute Nacht, ich bin begierig auf morgen früh; da muß ſich's ausweiſen, was der Sturm wird angerichtet haben; das Krachen der Bäume, das Rieſeln der Waſſer wird doch was durchgeſetzt haben.

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/181>, abgerufen am 25.04.2024.