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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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kennen, da du selbst den Plan dazu gemacht und mit
Basset, der jetzt in Amerika wohnt, den Bau besorgtest.
Ich freu' mich gar sehr über seine schönen Verhältnisse,
ich meine, dein Charakter, deine Gestalt und deine Be-
wegungen spiegeln sich in ihnen. Wir fahren beinah
alle Tage hinaus, gestern stieg ich auf's Dach; die
Sonne schien so warm, es war so hell, man konnte so
recht die Berge im Schoos der Thäler liegen sehen.
O Jammer, daß ich nicht fliegen kann! was nützt es
all', daß ich Dich so lieb hab? -- jung und kräftig
und stolz bin ich in Dir; -- ich mag's nicht ausle-
gen, die Welt schiebt doch alles Gefühl in ihr einmal
gemachtes Register, Du bist über alles gut, daß Du
meine Liebe duldest, in der ich überglücklich bin. Wie
das Weltmeer ohne Ufer, ist mein Gemüth, seine Wellen
tragen, was schwimmen kann; Dich aber hab' ich mit
Gewalt in's tiefste Geheimniß meines Lebens gezogen,
und walle Freudebrausend dahin über der Gewißheit
deines Besitzes.

Wenn ich mich sonst im Spiegel betrachtete und
meine Augen sich selbst so feurig anschauten, und ich
fühlte, daß sie in diesem Augenblick hätten durchdringen
müssen, und ich hatte niemand, dem ich einen Blick ge-

kennen, da du ſelbſt den Plan dazu gemacht und mit
Baſſet, der jetzt in Amerika wohnt, den Bau beſorgteſt.
Ich freu' mich gar ſehr über ſeine ſchönen Verhältniſſe,
ich meine, dein Charakter, deine Geſtalt und deine Be-
wegungen ſpiegeln ſich in ihnen. Wir fahren beinah
alle Tage hinaus, geſtern ſtieg ich auf's Dach; die
Sonne ſchien ſo warm, es war ſo hell, man konnte ſo
recht die Berge im Schoos der Thäler liegen ſehen.
O Jammer, daß ich nicht fliegen kann! was nützt es
all', daß ich Dich ſo lieb hab? — jung und kräftig
und ſtolz bin ich in Dir; — ich mag's nicht ausle-
gen, die Welt ſchiebt doch alles Gefühl in ihr einmal
gemachtes Regiſter, Du biſt über alles gut, daß Du
meine Liebe duldeſt, in der ich überglücklich bin. Wie
das Weltmeer ohne Ufer, iſt mein Gemüth, ſeine Wellen
tragen, was ſchwimmen kann; Dich aber hab' ich mit
Gewalt in's tiefſte Geheimniß meines Lebens gezogen,
und walle Freudebrauſend dahin über der Gewißheit
deines Beſitzes.

Wenn ich mich ſonſt im Spiegel betrachtete und
meine Augen ſich ſelbſt ſo feurig anſchauten, und ich
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[203/0235] kennen, da du ſelbſt den Plan dazu gemacht und mit Baſſet, der jetzt in Amerika wohnt, den Bau beſorgteſt. Ich freu' mich gar ſehr über ſeine ſchönen Verhältniſſe, ich meine, dein Charakter, deine Geſtalt und deine Be- wegungen ſpiegeln ſich in ihnen. Wir fahren beinah alle Tage hinaus, geſtern ſtieg ich auf's Dach; die Sonne ſchien ſo warm, es war ſo hell, man konnte ſo recht die Berge im Schoos der Thäler liegen ſehen. O Jammer, daß ich nicht fliegen kann! was nützt es all', daß ich Dich ſo lieb hab? — jung und kräftig und ſtolz bin ich in Dir; — ich mag's nicht ausle- gen, die Welt ſchiebt doch alles Gefühl in ihr einmal gemachtes Regiſter, Du biſt über alles gut, daß Du meine Liebe duldeſt, in der ich überglücklich bin. Wie das Weltmeer ohne Ufer, iſt mein Gemüth, ſeine Wellen tragen, was ſchwimmen kann; Dich aber hab' ich mit Gewalt in's tiefſte Geheimniß meines Lebens gezogen, und walle Freudebrauſend dahin über der Gewißheit deines Beſitzes. Wenn ich mich ſonſt im Spiegel betrachtete und meine Augen ſich ſelbſt ſo feurig anſchauten, und ich fühlte, daß ſie in dieſem Augenblick hätten durchdringen müſſen, und ich hatte niemand, dem ich einen Blick ge-

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/235>, abgerufen am 18.04.2024.