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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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waren in großer Überlegung, was zu einem angesagten
Fest angezogen werden sollte. Nichts wollte recht passen,
als eben das schöne Kleid ankam, das denn sogleich nicht
geschont wurde.

Da unter allen Seeligkeiten, deren sich meine Frau
vielleicht rühmen möchte, die Schreibseeligkeit die aller
geringste ist: so verzeihe Du, wenn sie nicht selbst die
Freude ausdrückt, die Du ihr gemacht hast. Wie leer
es bei uns aussieht, fällt mir erst recht auf, wenn ich
umherblicke und Dir doch auch einmal etwas Freund-
liches zuschicken möchte. Darüber will ich mir nun also
weiter kein Gewissen machen und auch für die gedruck-
ten Hefte danken, wie für Manches wovon ich noch
jetzt nicht weiß, wie ich mich seiner würdig machen soll.
Das wollen wir denn mit bescheidenem Schweigen über-
gehen, und uns lieber abermals zu den Juden wenden,
die jetzt in einem entscheidenden Moment zwischen Thür
und Angel stecken, und die Flügel schon sperren, noch
ehe ihnen das Thor der Freiheit weit genug geöff-
net ist. --

Es war mir sehr angenehm, zu sehen, daß man
den finanzgeheimeräthlichen, jacobinischen Israelssohn
so tüchtig nach Hause geleuchtet hat. Kannst Du mir
den Verfasser der kleinen Schrift wohl nennen? Es

waren in großer Überlegung, was zu einem angeſagten
Feſt angezogen werden ſollte. Nichts wollte recht paſſen,
als eben das ſchöne Kleid ankam, das denn ſogleich nicht
geſchont wurde.

Da unter allen Seeligkeiten, deren ſich meine Frau
vielleicht rühmen möchte, die Schreibſeeligkeit die aller
geringſte iſt: ſo verzeihe Du, wenn ſie nicht ſelbſt die
Freude ausdrückt, die Du ihr gemacht haſt. Wie leer
es bei uns ausſieht, fällt mir erſt recht auf, wenn ich
umherblicke und Dir doch auch einmal etwas Freund-
liches zuſchicken möchte. Darüber will ich mir nun alſo
weiter kein Gewiſſen machen und auch für die gedruck-
ten Hefte danken, wie für Manches wovon ich noch
jetzt nicht weiß, wie ich mich ſeiner würdig machen ſoll.
Das wollen wir denn mit beſcheidenem Schweigen über-
gehen, und uns lieber abermals zu den Juden wenden,
die jetzt in einem entſcheidenden Moment zwiſchen Thür
und Angel ſtecken, und die Flügel ſchon ſperren, noch
ehe ihnen das Thor der Freiheit weit genug geöff-
net iſt. —

Es war mir ſehr angenehm, zu ſehen, daß man
den finanzgeheimeräthlichen, jacobiniſchen Iſraelsſohn
ſo tüchtig nach Hauſe geleuchtet hat. Kannſt Du mir
den Verfaſſer der kleinen Schrift wohl nennen? Es

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[215/0247] waren in großer Überlegung, was zu einem angeſagten Feſt angezogen werden ſollte. Nichts wollte recht paſſen, als eben das ſchöne Kleid ankam, das denn ſogleich nicht geſchont wurde. Da unter allen Seeligkeiten, deren ſich meine Frau vielleicht rühmen möchte, die Schreibſeeligkeit die aller geringſte iſt: ſo verzeihe Du, wenn ſie nicht ſelbſt die Freude ausdrückt, die Du ihr gemacht haſt. Wie leer es bei uns ausſieht, fällt mir erſt recht auf, wenn ich umherblicke und Dir doch auch einmal etwas Freund- liches zuſchicken möchte. Darüber will ich mir nun alſo weiter kein Gewiſſen machen und auch für die gedruck- ten Hefte danken, wie für Manches wovon ich noch jetzt nicht weiß, wie ich mich ſeiner würdig machen ſoll. Das wollen wir denn mit beſcheidenem Schweigen über- gehen, und uns lieber abermals zu den Juden wenden, die jetzt in einem entſcheidenden Moment zwiſchen Thür und Angel ſtecken, und die Flügel ſchon ſperren, noch ehe ihnen das Thor der Freiheit weit genug geöff- net iſt. — Es war mir ſehr angenehm, zu ſehen, daß man den finanzgeheimeräthlichen, jacobiniſchen Iſraelsſohn ſo tüchtig nach Hauſe geleuchtet hat. Kannſt Du mir den Verfaſſer der kleinen Schrift wohl nennen? Es

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/247>, abgerufen am 25.04.2024.