Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

so hast Du das größte Verdienst um mich. Da ist mir
durch die Mutter eine Schachtel voll der schönsten Lie-
besäpfel zugekommen, an goldnen Ketten zierlich auf-
gereiht; schier wären sie in meinem Kreise zu Zankäpfeln
geworden. Ich sehe unter diesem Geschenk und der An-
weisung dabei eine Spiegelfechterei verborgen, die ich
nicht umhin kann zu rügen, denn da Du listig genug
bist, mich mitten im heißen Sommer aufs Eis zu füh-
ren, so möchte ich Dir auch meinen Witz zeigen, wie ich
auch unvorbereitet und unverhofft mit Geschicklichkeit
diese Winterfreuden zu bestehen wage; ich werde
Dir nicht sagen, daß ich keinen lieber schmücken möchte
wie Dich, denn schmucklos hast Du mich überrascht, und
schmucklos wirst Du mich ewig ergötzen. Ich hing die
Perlenreihe chinesischer Früchte zwischen den geöffneten
Fensterflügeln auf, und da eben die Sonne drauf schien,
so hatte ich Gelegenheit, ihre Wirkung an diesen bal-
samartigen Gewächsen zu beachten. Das brennende
Roth verwandelte sich da, wo die Strahlen auflagen,
bald in dunklen Purpur, in Grün und entschiedenes
Blau; alles von dem echten Gold des Lichtes gehöht;
kein anmuthigeres Spiel der Farben habe ich lange beob-
achtet, und wer weiß, zu welchen Umwegen mich das
alles verführen wird; zum wenigsten würde der Schwa-

ſo haſt Du das größte Verdienſt um mich. Da iſt mir
durch die Mutter eine Schachtel voll der ſchönſten Lie-
besäpfel zugekommen, an goldnen Ketten zierlich auf-
gereiht; ſchier wären ſie in meinem Kreiſe zu Zankäpfeln
geworden. Ich ſehe unter dieſem Geſchenk und der An-
weiſung dabei eine Spiegelfechterei verborgen, die ich
nicht umhin kann zu rügen, denn da Du liſtig genug
biſt, mich mitten im heißen Sommer aufs Eis zu füh-
ren, ſo möchte ich Dir auch meinen Witz zeigen, wie ich
auch unvorbereitet und unverhofft mit Geſchicklichkeit
dieſe Winterfreuden zu beſtehen wage; ich werde
Dir nicht ſagen, daß ich keinen lieber ſchmücken möchte
wie Dich, denn ſchmucklos haſt Du mich überraſcht, und
ſchmucklos wirſt Du mich ewig ergötzen. Ich hing die
Perlenreihe chineſiſcher Früchte zwiſchen den geöffneten
Fenſterflügeln auf, und da eben die Sonne drauf ſchien,
ſo hatte ich Gelegenheit, ihre Wirkung an dieſen bal-
ſamartigen Gewächſen zu beachten. Das brennende
Roth verwandelte ſich da, wo die Strahlen auflagen,
bald in dunklen Purpur, in Grün und entſchiedenes
Blau; alles von dem echten Gold des Lichtes gehöht;
kein anmuthigeres Spiel der Farben habe ich lange beob-
achtet, und wer weiß, zu welchen Umwegen mich das
alles verführen wird; zum wenigſten würde der Schwa-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0337" n="305"/>
&#x017F;o ha&#x017F;t Du das größte Verdien&#x017F;t um mich. Da i&#x017F;t mir<lb/>
durch die Mutter eine Schachtel voll der &#x017F;chön&#x017F;ten Lie-<lb/>
besäpfel zugekommen, an goldnen Ketten zierlich auf-<lb/>
gereiht; &#x017F;chier wären &#x017F;ie in meinem Krei&#x017F;e zu Zankäpfeln<lb/>
geworden. Ich &#x017F;ehe unter die&#x017F;em <choice><sic>Gefchenk</sic><corr>Ge&#x017F;chenk</corr></choice> und der An-<lb/>
wei&#x017F;ung dabei eine Spiegelfechterei verborgen, die ich<lb/>
nicht umhin kann zu rügen, denn da Du li&#x017F;tig genug<lb/>
bi&#x017F;t, mich mitten im heißen Sommer aufs Eis zu füh-<lb/>
ren, &#x017F;o möchte ich Dir auch meinen Witz zeigen, wie ich<lb/>
auch <choice><sic>uuvorbereitet</sic><corr>unvorbereitet</corr></choice> und unverhofft mit Ge&#x017F;chicklichkeit<lb/>
die&#x017F;e <hi rendition="#g">Winterfreuden</hi> zu be&#x017F;tehen wage; ich werde<lb/>
Dir nicht &#x017F;agen, daß ich keinen lieber &#x017F;chmücken möchte<lb/>
wie Dich, denn &#x017F;chmucklos ha&#x017F;t Du mich überra&#x017F;cht, und<lb/>
&#x017F;chmucklos wir&#x017F;t Du mich ewig ergötzen. Ich hing die<lb/>
Perlenreihe chine&#x017F;i&#x017F;cher Früchte zwi&#x017F;chen den geöffneten<lb/>
Fen&#x017F;terflügeln auf, und da eben die Sonne drauf &#x017F;chien,<lb/>
&#x017F;o hatte ich Gelegenheit, ihre Wirkung an die&#x017F;en bal-<lb/>
&#x017F;amartigen Gewäch&#x017F;en zu beachten. Das brennende<lb/>
Roth verwandelte &#x017F;ich da, wo die Strahlen auflagen,<lb/>
bald in dunklen Purpur, in Grün und ent&#x017F;chiedenes<lb/>
Blau; alles von dem echten Gold des Lichtes gehöht;<lb/>
kein anmuthigeres Spiel der Farben habe ich lange beob-<lb/>
achtet, und wer weiß, zu welchen Umwegen mich das<lb/>
alles verführen wird; zum wenig&#x017F;ten würde der Schwa-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0337] ſo haſt Du das größte Verdienſt um mich. Da iſt mir durch die Mutter eine Schachtel voll der ſchönſten Lie- besäpfel zugekommen, an goldnen Ketten zierlich auf- gereiht; ſchier wären ſie in meinem Kreiſe zu Zankäpfeln geworden. Ich ſehe unter dieſem Geſchenk und der An- weiſung dabei eine Spiegelfechterei verborgen, die ich nicht umhin kann zu rügen, denn da Du liſtig genug biſt, mich mitten im heißen Sommer aufs Eis zu füh- ren, ſo möchte ich Dir auch meinen Witz zeigen, wie ich auch unvorbereitet und unverhofft mit Geſchicklichkeit dieſe Winterfreuden zu beſtehen wage; ich werde Dir nicht ſagen, daß ich keinen lieber ſchmücken möchte wie Dich, denn ſchmucklos haſt Du mich überraſcht, und ſchmucklos wirſt Du mich ewig ergötzen. Ich hing die Perlenreihe chineſiſcher Früchte zwiſchen den geöffneten Fenſterflügeln auf, und da eben die Sonne drauf ſchien, ſo hatte ich Gelegenheit, ihre Wirkung an dieſen bal- ſamartigen Gewächſen zu beachten. Das brennende Roth verwandelte ſich da, wo die Strahlen auflagen, bald in dunklen Purpur, in Grün und entſchiedenes Blau; alles von dem echten Gold des Lichtes gehöht; kein anmuthigeres Spiel der Farben habe ich lange beob- achtet, und wer weiß, zu welchen Umwegen mich das alles verführen wird; zum wenigſten würde der Schwa-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/337
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/337>, abgerufen am 25.04.2024.