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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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Blitz durch mich fährt. -- Nun ja! -- das sei mir ge-
gönnt: daß ich dann mich an einen Freund schließe, --
er sei noch so fern, -- daß Er mir freundlich die
Hand aufs klopfende Herz lege und sich seiner Jugend
erinnere. -- O wohl mir, daß ich Dich gesehen hab'!
jetzt weiß ich doch, wenn ich suche und kein Platz
mir genügt zum Ausruhen, wo ich zu Haus bin und
wem ich angehöre.

Etwas weißt Du noch nicht, was mir eine liebe
Erinnerung ist, obschon sie seltsam scheint. -- Als ich
Dich noch nie gesehen hatte, und mich die Sehnsucht
zu Deiner Mutter trieb, um alles von Dir zu erfor-
schen, -- Gott, wie oft hab' ich auf meinem Schemel
hinter ihr auf die Brust geschlagen, um meine Ungeduld
zu dämpfen. -- Nun: -- wenn ich da nach Hause kam,
so sank ich oft mitten im Spielen von Scherz und Witz
zusammen; sah mein Bild vor dem Deinen stehen, sah
Dich mir nah kommen, und wie Du freundlich warst
auf verschiedene Weise, und gütig, bis mir die Augen
vor freudigem Schmerz übergingen.

So hab' ich Dich durchgefühlt, daß mich das stille
Bewußtsein einer innerlichen Glückseligkeit vielleicht
manche stürmische Zeit meines Gemüths über den Wellen
erhalten hat. -- Damals weckte mich oft dieses Bewuß[t]-

Blitz durch mich fährt. — Nun ja! — das ſei mir ge-
gönnt: daß ich dann mich an einen Freund ſchließe, —
er ſei noch ſo fern, — daß Er mir freundlich die
Hand aufs klopfende Herz lege und ſich ſeiner Jugend
erinnere. — O wohl mir, daß ich Dich geſehen hab'!
jetzt weiß ich doch, wenn ich ſuche und kein Platz
mir genügt zum Ausruhen, wo ich zu Haus bin und
wem ich angehöre.

Etwas weißt Du noch nicht, was mir eine liebe
Erinnerung iſt, obſchon ſie ſeltſam ſcheint. — Als ich
Dich noch nie geſehen hatte, und mich die Sehnſucht
zu Deiner Mutter trieb, um alles von Dir zu erfor-
ſchen, — Gott, wie oft hab' ich auf meinem Schemel
hinter ihr auf die Bruſt geſchlagen, um meine Ungeduld
zu dämpfen. — Nun: — wenn ich da nach Hauſe kam,
ſo ſank ich oft mitten im Spielen von Scherz und Witz
zuſammen; ſah mein Bild vor dem Deinen ſtehen, ſah
Dich mir nah kommen, und wie Du freundlich warſt
auf verſchiedene Weiſe, und gütig, bis mir die Augen
vor freudigem Schmerz übergingen.

So hab' ich Dich durchgefühlt, daß mich das ſtille
Bewußtſein einer innerlichen Glückſeligkeit vielleicht
manche ſtürmiſche Zeit meines Gemüths über den Wellen
erhalten hat. — Damals weckte mich oft dieſes Bewuß[t]-

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[343/0375] Blitz durch mich fährt. — Nun ja! — das ſei mir ge- gönnt: daß ich dann mich an einen Freund ſchließe, — er ſei noch ſo fern, — daß Er mir freundlich die Hand aufs klopfende Herz lege und ſich ſeiner Jugend erinnere. — O wohl mir, daß ich Dich geſehen hab'! jetzt weiß ich doch, wenn ich ſuche und kein Platz mir genügt zum Ausruhen, wo ich zu Haus bin und wem ich angehöre. Etwas weißt Du noch nicht, was mir eine liebe Erinnerung iſt, obſchon ſie ſeltſam ſcheint. — Als ich Dich noch nie geſehen hatte, und mich die Sehnſucht zu Deiner Mutter trieb, um alles von Dir zu erfor- ſchen, — Gott, wie oft hab' ich auf meinem Schemel hinter ihr auf die Bruſt geſchlagen, um meine Ungeduld zu dämpfen. — Nun: — wenn ich da nach Hauſe kam, ſo ſank ich oft mitten im Spielen von Scherz und Witz zuſammen; ſah mein Bild vor dem Deinen ſtehen, ſah Dich mir nah kommen, und wie Du freundlich warſt auf verſchiedene Weiſe, und gütig, bis mir die Augen vor freudigem Schmerz übergingen. So hab' ich Dich durchgefühlt, daß mich das ſtille Bewußtſein einer innerlichen Glückſeligkeit vielleicht manche ſtürmiſche Zeit meines Gemüths über den Wellen erhalten hat. — Damals weckte mich oft dieſes Bewußt-

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/375>, abgerufen am 24.04.2024.