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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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durch das dichte Laub der blühenden Linden funkelten;
die Terrassen, welche an dem Berg hinauf gebaut sind,
an dessen Fuß die großen Badehäuser liegen (die einzi-
gen im engen Thal), haben etwas sehr festliches und ru-
higes durch die Regelmäßigkeit ihrer Hecken, die auf je-
der Terrasse ein Bosquet von Linden und Nußbäumen
umgeben; die vielen Quellen und Brunnen, die man
unter sich rauschen hört, machen es nun gar reizend.
Alle Fenster waren erleuchtet, die Häuser sahen wun-
derbar belebt unter dem dunklen einsamen Wald des
übersteigenden Gebirges hervor. -- Die junge Fürstin
von Baaden saß mit der Gesellschaft auf der untersten
Terrasse und trank den Thee; bald hörten wir Wald-
hörner aus der Ferne; wir glaubten's kaum, so leise, --
gleich antwortet es in der Nähe; dann schmetterte es
über uns im Gipfel; sie schienen sich gegenseitig zu lok-
ken, rückten zusammen und in milder Entfernung ent-
falteten sie die Schwingen als wollten sie himmelwärts
steigen, und immer senkten sie sich wieder auf die liebe
Erde herab; -- das Geplauder der Franzosen ver-
stummte, ein paarmal hörte ich neben mir ausrufen:
delicieux! -- Ich wendete mich nach dieser Stimme:
ein schöner Mann, edle Gestalt und Gesicht, geistreicher
Ausdruck, nicht mehr jung, bebändert und besternt; --

durch das dichte Laub der blühenden Linden funkelten;
die Terraſſen, welche an dem Berg hinauf gebaut ſind,
an deſſen Fuß die großen Badehäuſer liegen (die einzi-
gen im engen Thal), haben etwas ſehr feſtliches und ru-
higes durch die Regelmäßigkeit ihrer Hecken, die auf je-
der Terraſſe ein Bosquet von Linden und Nußbäumen
umgeben; die vielen Quellen und Brunnen, die man
unter ſich rauſchen hört, machen es nun gar reizend.
Alle Fenſter waren erleuchtet, die Häuſer ſahen wun-
derbar belebt unter dem dunklen einſamen Wald des
überſteigenden Gebirges hervor. — Die junge Fürſtin
von Baaden ſaß mit der Geſellſchaft auf der unterſten
Terraſſe und trank den Thee; bald hörten wir Wald-
hörner aus der Ferne; wir glaubten's kaum, ſo leiſe, —
gleich antwortet es in der Nähe; dann ſchmetterte es
über uns im Gipfel; ſie ſchienen ſich gegenſeitig zu lok-
ken, rückten zuſammen und in milder Entfernung ent-
falteten ſie die Schwingen als wollten ſie himmelwärts
ſteigen, und immer ſenkten ſie ſich wieder auf die liebe
Erde herab; — das Geplauder der Franzoſen ver-
ſtummte, ein paarmal hörte ich neben mir ausrufen:
délicieux! — Ich wendete mich nach dieſer Stimme:
ein ſchöner Mann, edle Geſtalt und Geſicht, geiſtreicher
Ausdruck, nicht mehr jung, bebändert und beſternt; —

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[347/0379] durch das dichte Laub der blühenden Linden funkelten; die Terraſſen, welche an dem Berg hinauf gebaut ſind, an deſſen Fuß die großen Badehäuſer liegen (die einzi- gen im engen Thal), haben etwas ſehr feſtliches und ru- higes durch die Regelmäßigkeit ihrer Hecken, die auf je- der Terraſſe ein Bosquet von Linden und Nußbäumen umgeben; die vielen Quellen und Brunnen, die man unter ſich rauſchen hört, machen es nun gar reizend. Alle Fenſter waren erleuchtet, die Häuſer ſahen wun- derbar belebt unter dem dunklen einſamen Wald des überſteigenden Gebirges hervor. — Die junge Fürſtin von Baaden ſaß mit der Geſellſchaft auf der unterſten Terraſſe und trank den Thee; bald hörten wir Wald- hörner aus der Ferne; wir glaubten's kaum, ſo leiſe, — gleich antwortet es in der Nähe; dann ſchmetterte es über uns im Gipfel; ſie ſchienen ſich gegenſeitig zu lok- ken, rückten zuſammen und in milder Entfernung ent- falteten ſie die Schwingen als wollten ſie himmelwärts ſteigen, und immer ſenkten ſie ſich wieder auf die liebe Erde herab; — das Geplauder der Franzoſen ver- ſtummte, ein paarmal hörte ich neben mir ausrufen: délicieux! — Ich wendete mich nach dieſer Stimme: ein ſchöner Mann, edle Geſtalt und Geſicht, geiſtreicher Ausdruck, nicht mehr jung, bebändert und beſternt; —

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/379>, abgerufen am 16.04.2024.