Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Immer noch hab' ich Dir was zu erzählen; den
letzten Abend am Rhein ging ich noch spät in's nächste
Dorf mit Begleitung; als ich am Rhein hinschlenderte,
sah ich von Ferne etwas Flammendes heranschwimmen;
es war ein großes Schiff mit Fackeln, die zuweilen das
Ufer grell erleuchteten; oft verschwanden die Flammen;
Minuten lang war alles dunkel; es gab dem Fluß eine
magische Wirkung, die sich mir tief einprägte als Ab-
schluß von allem, was ich dort erlebt habe.

Es war Mitternacht, -- der Mond stieg trüb' auf;
das Schiff, dessen Schatten in dem erleuchteten Rhein
wie ein Ungeheuer mitsegelte, warf ein grelles Feuer auf
die waldige Ingelheimer Aue, an der sie hinsteuerten,
hinter welcher sich der Mond so mild bescheiden her-
vortrug, und allmählig sich in die dünne Nebelwolke
wie in einen Schleier einwickelte. -- Wenn man der
Natur ruhig und mit Bedacht zusieht, greift sie immer
in's Herz. Was hätte Gott meine Sinne inniger zu-
wenden können? -- was mich leichter von dem Unbe-
deutenden, was mich drückt, lösen können? -- Ich
schäme mich nicht, Dir zu bekennen, daß dein Bild da-
bei heftig in meiner Seele aufflammte. Wahr ist's:


Immer noch hab' ich Dir was zu erzählen; den
letzten Abend am Rhein ging ich noch ſpät in's nächſte
Dorf mit Begleitung; als ich am Rhein hinſchlenderte,
ſah ich von Ferne etwas Flammendes heranſchwimmen;
es war ein großes Schiff mit Fackeln, die zuweilen das
Ufer grell erleuchteten; oft verſchwanden die Flammen;
Minuten lang war alles dunkel; es gab dem Fluß eine
magiſche Wirkung, die ſich mir tief einprägte als Ab-
ſchluß von allem, was ich dort erlebt habe.

Es war Mitternacht, — der Mond ſtieg trüb' auf;
das Schiff, deſſen Schatten in dem erleuchteten Rhein
wie ein Ungeheuer mitſegelte, warf ein grelles Feuer auf
die waldige Ingelheimer Aue, an der ſie hinſteuerten,
hinter welcher ſich der Mond ſo mild beſcheiden her-
vortrug, und allmählig ſich in die dünne Nebelwolke
wie in einen Schleier einwickelte. — Wenn man der
Natur ruhig und mit Bedacht zuſieht, greift ſie immer
in's Herz. Was hätte Gott meine Sinne inniger zu-
wenden können? — was mich leichter von dem Unbe-
deutenden, was mich drückt, löſen können? — Ich
ſchäme mich nicht, Dir zu bekennen, daß dein Bild da-
bei heftig in meiner Seele aufflammte. Wahr iſt's:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0382" n="350"/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#et">Am 24. Augu&#x017F;t.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Immer noch hab' ich Dir was zu erzählen; den<lb/>
letzten Abend am Rhein ging ich noch &#x017F;pät in's näch&#x017F;te<lb/>
Dorf mit Begleitung; als ich am Rhein hin&#x017F;chlenderte,<lb/>
&#x017F;ah ich von Ferne etwas Flammendes heran&#x017F;chwimmen;<lb/>
es war ein großes Schiff mit Fackeln, die zuweilen das<lb/>
Ufer grell erleuchteten; oft ver&#x017F;chwanden die Flammen;<lb/>
Minuten lang war alles dunkel; es gab dem Fluß eine<lb/>
magi&#x017F;che Wirkung, die &#x017F;ich mir tief einprägte als Ab-<lb/>
&#x017F;chluß von allem, was ich dort erlebt habe.</p><lb/>
          <p>Es war Mitternacht, &#x2014; der Mond &#x017F;tieg trüb' auf;<lb/>
das Schiff, de&#x017F;&#x017F;en Schatten in dem erleuchteten Rhein<lb/>
wie ein Ungeheuer mit&#x017F;egelte, warf ein grelles Feuer auf<lb/>
die waldige Ingelheimer Aue, an der &#x017F;ie hin&#x017F;teuerten,<lb/>
hinter welcher &#x017F;ich der Mond &#x017F;o mild be&#x017F;cheiden her-<lb/>
vortrug, und allmählig &#x017F;ich in die dünne Nebelwolke<lb/>
wie in einen Schleier einwickelte. &#x2014; Wenn man der<lb/>
Natur ruhig und mit Bedacht zu&#x017F;ieht, greift &#x017F;ie immer<lb/>
in's Herz. Was hätte Gott meine Sinne inniger zu-<lb/>
wenden können? &#x2014; was mich leichter von dem Unbe-<lb/>
deutenden, was mich drückt, lö&#x017F;en können? &#x2014; Ich<lb/>
&#x017F;chäme mich nicht, Dir zu bekennen, daß dein Bild da-<lb/>
bei heftig in meiner Seele aufflammte. Wahr i&#x017F;t's:<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[350/0382] Am 24. Auguſt. Immer noch hab' ich Dir was zu erzählen; den letzten Abend am Rhein ging ich noch ſpät in's nächſte Dorf mit Begleitung; als ich am Rhein hinſchlenderte, ſah ich von Ferne etwas Flammendes heranſchwimmen; es war ein großes Schiff mit Fackeln, die zuweilen das Ufer grell erleuchteten; oft verſchwanden die Flammen; Minuten lang war alles dunkel; es gab dem Fluß eine magiſche Wirkung, die ſich mir tief einprägte als Ab- ſchluß von allem, was ich dort erlebt habe. Es war Mitternacht, — der Mond ſtieg trüb' auf; das Schiff, deſſen Schatten in dem erleuchteten Rhein wie ein Ungeheuer mitſegelte, warf ein grelles Feuer auf die waldige Ingelheimer Aue, an der ſie hinſteuerten, hinter welcher ſich der Mond ſo mild beſcheiden her- vortrug, und allmählig ſich in die dünne Nebelwolke wie in einen Schleier einwickelte. — Wenn man der Natur ruhig und mit Bedacht zuſieht, greift ſie immer in's Herz. Was hätte Gott meine Sinne inniger zu- wenden können? — was mich leichter von dem Unbe- deutenden, was mich drückt, löſen können? — Ich ſchäme mich nicht, Dir zu bekennen, daß dein Bild da- bei heftig in meiner Seele aufflammte. Wahr iſt's:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/382
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/382>, abgerufen am 28.03.2024.