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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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daß wir ein wenig Komödie mit ihm spielten. Sie er-
zählte mir dabei viel aus ihrer eignen Jugend, aber
nichts von Dir; aber eine Geschichte, die mir ewig wich-
tig bleiben wird, und gewiß das schönste, was sie zu
erzählen vermag.

Du erfreust Dich an der Geschichte des Myrrthen-
baums meiner Frizlarer Nonne, er ist wohl die Ge-
schichte eines jeden feurig liebenden Herzens. Glück ist
nicht immer das, was die Liebe nährt, und ich hab'
mich schon oft gewundert, daß man ihm jedes Opfer
bringt, und nicht der Liebe selbst, wodurch allein sie
blühen könnte, wie jener Myrrthenbaum
. Es
ist besser, daß man Verzicht auf alles thue, aber die
Myrrthe, die einmal eingepflanzt ist, die soll man nicht
entwurzeln -- man soll sie pflegen bis an's
Ende
.

Alles was Du verlangst, hoff' ich Dir noch zu sa-
gen, Du hast recht vermuthet, daß mir die Zerstreuung
hier viel rauben würde, aber dein Wille hat Macht
über mich, und ich hoffe, er soll Feuer aus dem Geist
schlagen. Die Herzogin von Baden ist fort, aber unsre
Familie sammt anhängenden Freunden ist so groß, daß
wir ganz Schlangenbad übervölkern. Adieu, ich schäme

daß wir ein wenig Komödie mit ihm ſpielten. Sie er-
zählte mir dabei viel aus ihrer eignen Jugend, aber
nichts von Dir; aber eine Geſchichte, die mir ewig wich-
tig bleiben wird, und gewiß das ſchönſte, was ſie zu
erzählen vermag.

Du erfreuſt Dich an der Geſchichte des Myrrthen-
baums meiner Frizlarer Nonne, er iſt wohl die Ge-
ſchichte eines jeden feurig liebenden Herzens. Glück iſt
nicht immer das, was die Liebe nährt, und ich hab'
mich ſchon oft gewundert, daß man ihm jedes Opfer
bringt, und nicht der Liebe ſelbſt, wodurch allein ſie
blühen könnte, wie jener Myrrthenbaum
. Es
iſt beſſer, daß man Verzicht auf alles thue, aber die
Myrrthe, die einmal eingepflanzt iſt, die ſoll man nicht
entwurzeln — man ſoll ſie pflegen bis an's
Ende
.

Alles was Du verlangſt, hoff' ich Dir noch zu ſa-
gen, Du haſt recht vermuthet, daß mir die Zerſtreuung
hier viel rauben würde, aber dein Wille hat Macht
über mich, und ich hoffe, er ſoll Feuer aus dem Geiſt
ſchlagen. Die Herzogin von Baden iſt fort, aber unſre
Familie ſammt anhängenden Freunden iſt ſo groß, daß
wir ganz Schlangenbad übervölkern. Adieu, ich ſchäme

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[355/0387] daß wir ein wenig Komödie mit ihm ſpielten. Sie er- zählte mir dabei viel aus ihrer eignen Jugend, aber nichts von Dir; aber eine Geſchichte, die mir ewig wich- tig bleiben wird, und gewiß das ſchönſte, was ſie zu erzählen vermag. Du erfreuſt Dich an der Geſchichte des Myrrthen- baums meiner Frizlarer Nonne, er iſt wohl die Ge- ſchichte eines jeden feurig liebenden Herzens. Glück iſt nicht immer das, was die Liebe nährt, und ich hab' mich ſchon oft gewundert, daß man ihm jedes Opfer bringt, und nicht der Liebe ſelbſt, wodurch allein ſie blühen könnte, wie jener Myrrthenbaum. Es iſt beſſer, daß man Verzicht auf alles thue, aber die Myrrthe, die einmal eingepflanzt iſt, die ſoll man nicht entwurzeln — man ſoll ſie pflegen bis an's Ende. Alles was Du verlangſt, hoff' ich Dir noch zu ſa- gen, Du haſt recht vermuthet, daß mir die Zerſtreuung hier viel rauben würde, aber dein Wille hat Macht über mich, und ich hoffe, er ſoll Feuer aus dem Geiſt ſchlagen. Die Herzogin von Baden iſt fort, aber unſre Familie ſammt anhängenden Freunden iſt ſo groß, daß wir ganz Schlangenbad übervölkern. Adieu, ich ſchäme

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/387>, abgerufen am 24.04.2024.