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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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Unser Kutscher wird Ihr eine Schachtel mit Pfirsich
bringen, verderb' Sie sich nicht den Magen, denn der
ist nicht göttlich und läßt sich leicht verführen.

Wir waren am letzten Donnerstag mit den beiden
Schlossers bis Lorch. Man fuhr auf dem Wasser,
Christian Schlosser glaubte die Wasserfahrt nicht ver-
tragen zu können, und ging den Weg zu Fuß; ich
ging mit ihm, um die Zeit ihm zu vertreiben, aber ich
hab's bereut. Zum ersten Mal hab' ich über den Wolf-
gang mit einem andern gesprochen wie mit Ihr, und
das war eine Sünde. Alles kann ich wohl vertragen
von ihm zu hören, aber kein Lob und keine Liebe; Sie
hat Ihren Sohn lieb, und hat ihn geboren, das ist
keine Sünde, und ich lasse mir's gefallen: aber mehr
nicht; die andern sollen nur keine weitere Prätensio-
nen machen. Sie frägt zwar, ob ich ihn allein ge-
pacht habe? -- ja, Fr. Rath, darauf kann ich Ihr
antworten. Ich glaub' daß es eine Art und Weise
giebt, Jemand zu besitzen, die Niemand streitig machen
kann; diese üb' ich an Wolfgang, keiner hat es vor
mir gekonnt, das weiß ich, trotz allen seinen Liebschaften,
von denen sie mir erzählt. -- Vor ihm thu' ich zwar
sehr demüthig, aber hinter seinem Rücken halte ich ihn
fest, und da müßte er stark zapplen, wenn er los will.


Unſer Kutſcher wird Ihr eine Schachtel mit Pfirſich
bringen, verderb' Sie ſich nicht den Magen, denn der
iſt nicht göttlich und läßt ſich leicht verführen.

Wir waren am letzten Donnerstag mit den beiden
Schloſſers bis Lorch. Man fuhr auf dem Waſſer,
Chriſtian Schloſſer glaubte die Waſſerfahrt nicht ver-
tragen zu können, und ging den Weg zu Fuß; ich
ging mit ihm, um die Zeit ihm zu vertreiben, aber ich
hab's bereut. Zum erſten Mal hab' ich über den Wolf-
gang mit einem andern geſprochen wie mit Ihr, und
das war eine Sünde. Alles kann ich wohl vertragen
von ihm zu hören, aber kein Lob und keine Liebe; Sie
hat Ihren Sohn lieb, und hat ihn geboren, das iſt
keine Sünde, und ich laſſe mir's gefallen: aber mehr
nicht; die andern ſollen nur keine weitere Prätenſio-
nen machen. Sie frägt zwar, ob ich ihn allein ge-
pacht habe? — ja, Fr. Rath, darauf kann ich Ihr
antworten. Ich glaub' daß es eine Art und Weiſe
giebt, Jemand zu beſitzen, die Niemand ſtreitig machen
kann; dieſe üb' ich an Wolfgang, keiner hat es vor
mir gekonnt, das weiß ich, trotz allen ſeinen Liebſchaften,
von denen ſie mir erzählt. — Vor ihm thu' ich zwar
ſehr demüthig, aber hinter ſeinem Rücken halte ich ihn
feſt, und da müßte er ſtark zapplen, wenn er los will.


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[22/0054] Unſer Kutſcher wird Ihr eine Schachtel mit Pfirſich bringen, verderb' Sie ſich nicht den Magen, denn der iſt nicht göttlich und läßt ſich leicht verführen. Wir waren am letzten Donnerstag mit den beiden Schloſſers bis Lorch. Man fuhr auf dem Waſſer, Chriſtian Schloſſer glaubte die Waſſerfahrt nicht ver- tragen zu können, und ging den Weg zu Fuß; ich ging mit ihm, um die Zeit ihm zu vertreiben, aber ich hab's bereut. Zum erſten Mal hab' ich über den Wolf- gang mit einem andern geſprochen wie mit Ihr, und das war eine Sünde. Alles kann ich wohl vertragen von ihm zu hören, aber kein Lob und keine Liebe; Sie hat Ihren Sohn lieb, und hat ihn geboren, das iſt keine Sünde, und ich laſſe mir's gefallen: aber mehr nicht; die andern ſollen nur keine weitere Prätenſio- nen machen. Sie frägt zwar, ob ich ihn allein ge- pacht habe? — ja, Fr. Rath, darauf kann ich Ihr antworten. Ich glaub' daß es eine Art und Weiſe giebt, Jemand zu beſitzen, die Niemand ſtreitig machen kann; dieſe üb' ich an Wolfgang, keiner hat es vor mir gekonnt, das weiß ich, trotz allen ſeinen Liebſchaften, von denen ſie mir erzählt. — Vor ihm thu' ich zwar ſehr demüthig, aber hinter ſeinem Rücken halte ich ihn feſt, und da müßte er ſtark zapplen, wenn er los will.

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/54>, abgerufen am 28.03.2024.