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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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Dir sagen daß Du ihm schreibst. Schreib' ihm aber
ordentlich, Du wirst Dir sonst das ganze Spiel ver-
derben.

Am Freitag war ich im Conzert, da wurde Vio-
loncell gespielt, da dacht' ich an Dich, es klang so recht
wie Deine braune Augen. Adieu Mädchen, Du fehlst
überall Deiner Frau Rath.

Frau Rath!

Ich will Ihr gern den Gefallen thun und einmal
einen recht langen deutlichen Brief schreiben, meinen
ganzen Lebensaufenthalt in Winckel.

Erst ein ganzes Haus voll Frauen, kein einziger
Mann, nicht einmal ein Bedienter. Alle Läden im
Haus' sind zu, damit uns die Sonne nicht wie unreife
Weinstöcke behandelt und garkocht. Das Stockwerk in
dem wir wohnen besteht aus einem großen Saal,
an das lauter kleine Kabinette stoßen die auf den
Rhein sehen, in deren jedem ein Pärchen von unserer
Gesellschaft wohnt. Die liebe Marie mit den blonden
Haaren ist Hausfrau und läßt für uns backen und
sieden. Morgens kommen wir alle aus unseren Ge-

Dir ſagen daß Du ihm ſchreibſt. Schreib' ihm aber
ordentlich, Du wirſt Dir ſonſt das ganze Spiel ver-
derben.

Am Freitag war ich im Conzert, da wurde Vio-
loncell geſpielt, da dacht' ich an Dich, es klang ſo recht
wie Deine braune Augen. Adieu Mädchen, Du fehlſt
überall Deiner Frau Rath.

Frau Rath!

Ich will Ihr gern den Gefallen thun und einmal
einen recht langen deutlichen Brief ſchreiben, meinen
ganzen Lebensaufenthalt in Winckel.

Erſt ein ganzes Haus voll Frauen, kein einziger
Mann, nicht einmal ein Bedienter. Alle Läden im
Hauſ' ſind zu, damit uns die Sonne nicht wie unreife
Weinſtöcke behandelt und garkocht. Das Stockwerk in
dem wir wohnen beſteht aus einem großen Saal,
an das lauter kleine Kabinette ſtoßen die auf den
Rhein ſehen, in deren jedem ein Pärchen von unſerer
Geſellſchaft wohnt. Die liebe Marie mit den blonden
Haaren iſt Hausfrau und läßt für uns backen und
ſieden. Morgens kommen wir alle aus unſeren Ge-

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[28/0060] Dir ſagen daß Du ihm ſchreibſt. Schreib' ihm aber ordentlich, Du wirſt Dir ſonſt das ganze Spiel ver- derben. Am Freitag war ich im Conzert, da wurde Vio- loncell geſpielt, da dacht' ich an Dich, es klang ſo recht wie Deine braune Augen. Adieu Mädchen, Du fehlſt überall Deiner Frau Rath. Frau Rath! Ich will Ihr gern den Gefallen thun und einmal einen recht langen deutlichen Brief ſchreiben, meinen ganzen Lebensaufenthalt in Winckel. Erſt ein ganzes Haus voll Frauen, kein einziger Mann, nicht einmal ein Bedienter. Alle Läden im Hauſ' ſind zu, damit uns die Sonne nicht wie unreife Weinſtöcke behandelt und garkocht. Das Stockwerk in dem wir wohnen beſteht aus einem großen Saal, an das lauter kleine Kabinette ſtoßen die auf den Rhein ſehen, in deren jedem ein Pärchen von unſerer Geſellſchaft wohnt. Die liebe Marie mit den blonden Haaren iſt Hausfrau und läßt für uns backen und ſieden. Morgens kommen wir alle aus unſeren Ge-

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/60>, abgerufen am 18.04.2024.