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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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lassen für den Respekt, das malt mir immer vor wie
vertraut ich mit Dir sein darf; ich glaub wahrhaftig
ich hab's von meiner Mutter geerbt, denn alte Gewohn-
heit scheint's mir, und wie das Ufer den Schlag der
Wellen gewöhnt ist, so mein Herz den wärmeren Schlag
des Blutes, bei deinem Namen, bei allem was mich
daran erinnert, daß Du in dieser sichtbaren Welt lebst.

Deine Mutter erzählte mir, daß wie ich neu gebo-
ren war so habest Du mich zuerst an's Licht getragen
und gesagt das Kind hat braune Augen, und da habe
meine Mutter Sorge getragen Du würdest mich blen-
den, und nun geht ein großer Glanz von Dir aus
über mich.


Es geht hier ein Tag nach dem andern hin, und
bringt nichts das ist mir nicht recht; ich sehne mich wie-
der nach der Angst die mich aus München vertrieben
hat, ich habe Durst nach den Mährchen von Tyrol, ich
will lieber belogen sein als gar nichts hören; so halte
ich doch mit ihnen aus, und leide und bete für sie.

Der Kirchthurm hat hier was wunderliches, so oft
ein Domherr stirbt wird ein Stein am Thurm geweißt,
da ist er nun von oben bis unten weiß geplackt.

II. 6

laſſen für den Reſpekt, das malt mir immer vor wie
vertraut ich mit Dir ſein darf; ich glaub wahrhaftig
ich hab's von meiner Mutter geerbt, denn alte Gewohn-
heit ſcheint's mir, und wie das Ufer den Schlag der
Wellen gewöhnt iſt, ſo mein Herz den wärmeren Schlag
des Blutes, bei deinem Namen, bei allem was mich
daran erinnert, daß Du in dieſer ſichtbaren Welt lebſt.

Deine Mutter erzählte mir, daß wie ich neu gebo-
ren war ſo habeſt Du mich zuerſt an's Licht getragen
und geſagt das Kind hat braune Augen, und da habe
meine Mutter Sorge getragen Du würdeſt mich blen-
den, und nun geht ein großer Glanz von Dir aus
über mich.


Es geht hier ein Tag nach dem andern hin, und
bringt nichts das iſt mir nicht recht; ich ſehne mich wie-
der nach der Angſt die mich aus München vertrieben
hat, ich habe Durſt nach den Mährchen von Tyrol, ich
will lieber belogen ſein als gar nichts hören; ſo halte
ich doch mit ihnen aus, und leide und bete für ſie.

Der Kirchthurm hat hier was wunderliches, ſo oft
ein Domherr ſtirbt wird ein Stein am Thurm geweißt,
da iſt er nun von oben bis unten weiß geplackt.

II. 6
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[121/0131] laſſen für den Reſpekt, das malt mir immer vor wie vertraut ich mit Dir ſein darf; ich glaub wahrhaftig ich hab's von meiner Mutter geerbt, denn alte Gewohn- heit ſcheint's mir, und wie das Ufer den Schlag der Wellen gewöhnt iſt, ſo mein Herz den wärmeren Schlag des Blutes, bei deinem Namen, bei allem was mich daran erinnert, daß Du in dieſer ſichtbaren Welt lebſt. Deine Mutter erzählte mir, daß wie ich neu gebo- ren war ſo habeſt Du mich zuerſt an's Licht getragen und geſagt das Kind hat braune Augen, und da habe meine Mutter Sorge getragen Du würdeſt mich blen- den, und nun geht ein großer Glanz von Dir aus über mich. Am 21. Oktober. Es geht hier ein Tag nach dem andern hin, und bringt nichts das iſt mir nicht recht; ich ſehne mich wie- der nach der Angſt die mich aus München vertrieben hat, ich habe Durſt nach den Mährchen von Tyrol, ich will lieber belogen ſein als gar nichts hören; ſo halte ich doch mit ihnen aus, und leide und bete für ſie. Der Kirchthurm hat hier was wunderliches, ſo oft ein Domherr ſtirbt wird ein Stein am Thurm geweißt, da iſt er nun von oben bis unten weiß geplackt. II. 6

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/131>, abgerufen am 28.03.2024.