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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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mir schöneres wiederfahren? -- Du warst ernsthaft und
sehr geschäftig, und sagtest: ich solle Dich nicht stören.
Das machte mich traurig, da drücktest Du sehr freund-
lich meine Hand auf mein Herz und sagtest: Sei nur
ruhig, ich kenne Dich und weiß alles, da wachte ich
auf; dein Ring, den ich im Schlaf an mich gedrückt
hatte, war auf meiner Brust abgebildet, ich paßte ihn
wieder in die Abbildung und drückte ihn noch fester an,
weil ich Dich nicht an mich drücken konnte. Ist denn
ein Traum nichts? -- mir ist er alles; ich will gern die
Geschäfte des Tages aufgeben, wenn ich Nachts mit
Dir sein und sprechen kann. O sei's, gern im Traum,
mein Glück, Du!


Auch hier hab ich der Musik ein Lustlager aufzu-
schlagen gewußt, ich habe mir eine Kapelle von sechs
bis acht Sängern errichtet, ein alter geistlicher Herr, Eix-
dorfer (behalte seinen Namen, ich werde Dir noch mehr
von ihm erzählen), ein tüchtiger Bärenjäger und noch
kühnerer Generalbaßspieler, ist Capellmeister. An Re-
gentagen werden in meinem kleinen Zimmer die Psal-
men von Marcello aufgeführt, ich will Dir gern die

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mir ſchöneres wiederfahren? — Du warſt ernſthaft und
ſehr geſchäftig, und ſagteſt: ich ſolle Dich nicht ſtören.
Das machte mich traurig, da drückteſt Du ſehr freund-
lich meine Hand auf mein Herz und ſagteſt: Sei nur
ruhig, ich kenne Dich und weiß alles, da wachte ich
auf; dein Ring, den ich im Schlaf an mich gedrückt
hatte, war auf meiner Bruſt abgebildet, ich paßte ihn
wieder in die Abbildung und drückte ihn noch feſter an,
weil ich Dich nicht an mich drücken konnte. Iſt denn
ein Traum nichts? — mir iſt er alles; ich will gern die
Geſchäfte des Tages aufgeben, wenn ich Nachts mit
Dir ſein und ſprechen kann. O ſei's, gern im Traum,
mein Glück, Du!


Auch hier hab ich der Muſik ein Luſtlager aufzu-
ſchlagen gewußt, ich habe mir eine Kapelle von ſechs
bis acht Sängern errichtet, ein alter geiſtlicher Herr, Eix-
dorfer (behalte ſeinen Namen, ich werde Dir noch mehr
von ihm erzählen), ein tüchtiger Bärenjäger und noch
kühnerer Generalbaßſpieler, iſt Capellmeiſter. An Re-
gentagen werden in meinem kleinen Zimmer die Pſal-
men von Marcello aufgeführt, ich will Dir gern die

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[123/0133] mir ſchöneres wiederfahren? — Du warſt ernſthaft und ſehr geſchäftig, und ſagteſt: ich ſolle Dich nicht ſtören. Das machte mich traurig, da drückteſt Du ſehr freund- lich meine Hand auf mein Herz und ſagteſt: Sei nur ruhig, ich kenne Dich und weiß alles, da wachte ich auf; dein Ring, den ich im Schlaf an mich gedrückt hatte, war auf meiner Bruſt abgebildet, ich paßte ihn wieder in die Abbildung und drückte ihn noch feſter an, weil ich Dich nicht an mich drücken konnte. Iſt denn ein Traum nichts? — mir iſt er alles; ich will gern die Geſchäfte des Tages aufgeben, wenn ich Nachts mit Dir ſein und ſprechen kann. O ſei's, gern im Traum, mein Glück, Du! Am 19. October. Auch hier hab ich der Muſik ein Luſtlager aufzu- ſchlagen gewußt, ich habe mir eine Kapelle von ſechs bis acht Sängern errichtet, ein alter geiſtlicher Herr, Eix- dorfer (behalte ſeinen Namen, ich werde Dir noch mehr von ihm erzählen), ein tüchtiger Bärenjäger und noch kühnerer Generalbaßſpieler, iſt Capellmeiſter. An Re- gentagen werden in meinem kleinen Zimmer die Pſal- men von Marcello aufgeführt, ich will Dir gern die 6 *

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/133>, abgerufen am 28.03.2024.