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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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Ich habe keinen Muth und keinen Witz, ach, hätt
ich doch einen Freund, der nächtlich mit mir über die
Berge ging.

Die Tyroler liegen in dieser Kälte mit Weib und
Kind zwischen den Felsen, und ihr begeisterter Athem
durchwärmt die ganze Atmosphäre. Wenn ich den Sta-
dion frage, ob der Herzog Karl sie auch gewiß nicht
verlassen werde, dann faltet er die Hände und sagt: ich
will's nicht erleben.


Das Papier muß herhalten, einziger Vertrauter! --
was doch Amor für tückische Launen hat, daß ich in
dieser Reihe von Liebesbriefen auf einmal mich für Mars
entzünde, mein Theil Liebesschmerzen hab ich schon,
ich müßte mich schämen in diesem Augenblick sie geltend
machen zu wollen; und könnt ich nur etwas thun, und
wollten die Schicksalsmächte mich nicht verschmähen!
das ist das bitterste, wenn man ihnen nichts gilt, wenn
sie einem zu nichts verwenden.

Denk nur, daß ich in dem verdammten München


Ich habe keinen Muth und keinen Witz, ach, hätt
ich doch einen Freund, der nächtlich mit mir über die
Berge ging.

Die Tyroler liegen in dieſer Kälte mit Weib und
Kind zwiſchen den Felſen, und ihr begeiſterter Athem
durchwärmt die ganze Atmoſphäre. Wenn ich den Sta-
dion frage, ob der Herzog Karl ſie auch gewiß nicht
verlaſſen werde, dann faltet er die Hände und ſagt: ich
will's nicht erleben.


Das Papier muß herhalten, einziger Vertrauter! —
was doch Amor für tückiſche Launen hat, daß ich in
dieſer Reihe von Liebesbriefen auf einmal mich für Mars
entzünde, mein Theil Liebesſchmerzen hab ich ſchon,
ich müßte mich ſchämen in dieſem Augenblick ſie geltend
machen zu wollen; und könnt ich nur etwas thun, und
wollten die Schickſalsmächte mich nicht verſchmähen!
das iſt das bitterſte, wenn man ihnen nichts gilt, wenn
ſie einem zu nichts verwenden.

Denk nur, daß ich in dem verdammten München

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[39/0049] 25. März. Ich habe keinen Muth und keinen Witz, ach, hätt ich doch einen Freund, der nächtlich mit mir über die Berge ging. Die Tyroler liegen in dieſer Kälte mit Weib und Kind zwiſchen den Felſen, und ihr begeiſterter Athem durchwärmt die ganze Atmoſphäre. Wenn ich den Sta- dion frage, ob der Herzog Karl ſie auch gewiß nicht verlaſſen werde, dann faltet er die Hände und ſagt: ich will's nicht erleben. 26. März. Das Papier muß herhalten, einziger Vertrauter! — was doch Amor für tückiſche Launen hat, daß ich in dieſer Reihe von Liebesbriefen auf einmal mich für Mars entzünde, mein Theil Liebesſchmerzen hab ich ſchon, ich müßte mich ſchämen in dieſem Augenblick ſie geltend machen zu wollen; und könnt ich nur etwas thun, und wollten die Schickſalsmächte mich nicht verſchmähen! das iſt das bitterſte, wenn man ihnen nichts gilt, wenn ſie einem zu nichts verwenden. Denk nur, daß ich in dem verdammten München

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/49>, abgerufen am 29.03.2024.