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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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haben als nur mit mir, daß ich mich so anstrengen
muß es auszuhalten.

Will ich Dir alles schreiben, so verträume ich die
Zeit -- die Zeit, die auf glühenden Sohlen durch's Tyrol
wandert; so bittere Betrübniß hat mich durchdrungen,
daß ich's nicht wage die Papiere, die in jenen Stunden
geschrieben sind, an Dich abzuschicken.


Ich bin hellsehend, Goethe, -- ich seh das vergoßne
Blut der Tyroler triumphirend in den Busen der Gott-
heit zurückströmen. Die hohen gewaltigen Eichen, die
Wohnungen der Menschen, die grünen Matten, die
glücklichen Heerden, der geliebte gepflegte Reichthum
des Heldenvolks, die den Opfertod in den Flammen
fanden, das alles seh ich verklärt mit ihnen gen Him-
mel fahren, bis auf den treuen Hund, der seinen Herrn
beschützend, den Tod verachtet wie er.

Der Hund, der keinen Witz hat, nur Instinkt, und
heiter in jedem Geschick das rechte thut. -- Ach, hätte
der Mensch nur so viel Witz den eignen Instinkt nicht
zu verläugnen.


In all diesen Tagen der Unruh, glaub's Goethe,
vergeht keiner, den ich nicht mit dem Gedanken an Dich

haben als nur mit mir, daß ich mich ſo anſtrengen
muß es auszuhalten.

Will ich Dir alles ſchreiben, ſo verträume ich die
Zeit — die Zeit, die auf glühenden Sohlen durch's Tyrol
wandert; ſo bittere Betrübniß hat mich durchdrungen,
daß ich's nicht wage die Papiere, die in jenen Stunden
geſchrieben ſind, an Dich abzuſchicken.


Ich bin hellſehend, Goethe, — ich ſeh das vergoßne
Blut der Tyroler triumphirend in den Buſen der Gott-
heit zurückſtrömen. Die hohen gewaltigen Eichen, die
Wohnungen der Menſchen, die grünen Matten, die
glücklichen Heerden, der geliebte gepflegte Reichthum
des Heldenvolks, die den Opfertod in den Flammen
fanden, das alles ſeh ich verklärt mit ihnen gen Him-
mel fahren, bis auf den treuen Hund, der ſeinen Herrn
beſchützend, den Tod verachtet wie er.

Der Hund, der keinen Witz hat, nur Inſtinkt, und
heiter in jedem Geſchick das rechte thut. — Ach, hätte
der Menſch nur ſo viel Witz den eignen Inſtinkt nicht
zu verläugnen.


In all dieſen Tagen der Unruh, glaub's Goethe,
vergeht keiner, den ich nicht mit dem Gedanken an Dich

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[43/0053] haben als nur mit mir, daß ich mich ſo anſtrengen muß es auszuhalten. Will ich Dir alles ſchreiben, ſo verträume ich die Zeit — die Zeit, die auf glühenden Sohlen durch's Tyrol wandert; ſo bittere Betrübniß hat mich durchdrungen, daß ich's nicht wage die Papiere, die in jenen Stunden geſchrieben ſind, an Dich abzuſchicken. 19. April. Ich bin hellſehend, Goethe, — ich ſeh das vergoßne Blut der Tyroler triumphirend in den Buſen der Gott- heit zurückſtrömen. Die hohen gewaltigen Eichen, die Wohnungen der Menſchen, die grünen Matten, die glücklichen Heerden, der geliebte gepflegte Reichthum des Heldenvolks, die den Opfertod in den Flammen fanden, das alles ſeh ich verklärt mit ihnen gen Him- mel fahren, bis auf den treuen Hund, der ſeinen Herrn beſchützend, den Tod verachtet wie er. Der Hund, der keinen Witz hat, nur Inſtinkt, und heiter in jedem Geſchick das rechte thut. — Ach, hätte der Menſch nur ſo viel Witz den eignen Inſtinkt nicht zu verläugnen. 20. April. In all dieſen Tagen der Unruh, glaub's Goethe, vergeht keiner, den ich nicht mit dem Gedanken an Dich

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/53>, abgerufen am 19.04.2024.