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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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Deine Nähe verändert alles äußerlich und innerlich,
daß der Athem, den Du aushauchst, sich mit der Luft
mische die auch meine Brust trinkt, das macht sie zum
Element einer höheren Welt; so die Wände, die Dich
umfassen sind magnetisch; der Spiegel, der Dein Bild
aufnimmt, die Lichtstrahlen, die an Dir hinstreifen, Dein
Sitz, alles hat eine Magie; Du bist weg, aber diese
bleibt und vertritt Deine Stelle, ich lege mich an die
Erde wo Deine Füße standen, an diesem Fleck und an
keinem andern ist mir wohl. -- Ist das Einbildung? --
Thränen fühl' ich in der Brust Deiner so zu denken,
wie ich jetzt denke und diese Wehmuth ist mir Wollust,
ich fühle mich in ihr erhoben über's ganze Erdenleben,
und das ist meine Religion. -- Gewiß! der Geliebte ist
das Element meines zukünftigen Lebens aus dem es sich
erzeugt und in dem es lebt und sich nährt. -- O hätte
ich Geist! -- hätt' ich den, was für Geheimnisse wollt'
ich Dir mittheilen!

Offenbarung ist das einzige Bedürfniß des Geistes,
denn das höchste ist allemal das einzigste Bedürfniß.

Geist kann nur durch Offenbarung berührt werden,
oder vielmehr: alles wird zur Offenbarung an ihm.

So muß sich der Geist sein Paradies begründen. --
Nichts außer dem Geist. -- Himmel und Seeligkeit in

Deine Nähe verändert alles äußerlich und innerlich,
daß der Athem, den Du aushauchſt, ſich mit der Luft
miſche die auch meine Bruſt trinkt, das macht ſie zum
Element einer höheren Welt; ſo die Wände, die Dich
umfaſſen ſind magnetiſch; der Spiegel, der Dein Bild
aufnimmt, die Lichtſtrahlen, die an Dir hinſtreifen, Dein
Sitz, alles hat eine Magie; Du biſt weg, aber dieſe
bleibt und vertritt Deine Stelle, ich lege mich an die
Erde wo Deine Füße ſtanden, an dieſem Fleck und an
keinem andern iſt mir wohl. — Iſt das Einbildung? —
Thränen fühl' ich in der Bruſt Deiner ſo zu denken,
wie ich jetzt denke und dieſe Wehmuth iſt mir Wolluſt,
ich fühle mich in ihr erhoben über's ganze Erdenleben,
und das iſt meine Religion. — Gewiß! der Geliebte iſt
das Element meines zukünftigen Lebens aus dem es ſich
erzeugt und in dem es lebt und ſich nährt. — O hätte
ich Geiſt! — hätt' ich den, was für Geheimniſſe wollt'
ich Dir mittheilen!

Offenbarung iſt das einzige Bedürfniß des Geiſtes,
denn das höchſte iſt allemal das einzigſte Bedürfniß.

Geiſt kann nur durch Offenbarung berührt werden,
oder vielmehr: alles wird zur Offenbarung an ihm.

So muß ſich der Geiſt ſein Paradies begründen. —
Nichts außer dem Geiſt. — Himmel und Seeligkeit in

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[173/0183] Deine Nähe verändert alles äußerlich und innerlich, daß der Athem, den Du aushauchſt, ſich mit der Luft miſche die auch meine Bruſt trinkt, das macht ſie zum Element einer höheren Welt; ſo die Wände, die Dich umfaſſen ſind magnetiſch; der Spiegel, der Dein Bild aufnimmt, die Lichtſtrahlen, die an Dir hinſtreifen, Dein Sitz, alles hat eine Magie; Du biſt weg, aber dieſe bleibt und vertritt Deine Stelle, ich lege mich an die Erde wo Deine Füße ſtanden, an dieſem Fleck und an keinem andern iſt mir wohl. — Iſt das Einbildung? — Thränen fühl' ich in der Bruſt Deiner ſo zu denken, wie ich jetzt denke und dieſe Wehmuth iſt mir Wolluſt, ich fühle mich in ihr erhoben über's ganze Erdenleben, und das iſt meine Religion. — Gewiß! der Geliebte iſt das Element meines zukünftigen Lebens aus dem es ſich erzeugt und in dem es lebt und ſich nährt. — O hätte ich Geiſt! — hätt' ich den, was für Geheimniſſe wollt' ich Dir mittheilen! Offenbarung iſt das einzige Bedürfniß des Geiſtes, denn das höchſte iſt allemal das einzigſte Bedürfniß. Geiſt kann nur durch Offenbarung berührt werden, oder vielmehr: alles wird zur Offenbarung an ihm. So muß ſich der Geiſt ſein Paradies begründen. — Nichts außer dem Geiſt. — Himmel und Seeligkeit in

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/183>, abgerufen am 19.04.2024.