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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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an: majestäti[s]ch! triumphirend! obzwar ich allein bin hier
im verlassenen Haus, ohne Einrichtung mich zu empfan-
gen, hier sind noch die Spuren des vergangenen Winters.

Der Geist taucht unter in der Jugend als in einem
Meer. Jugend wird sein Element, in ihm wird der
Geist zur Liebe. Jugend bereitet den Geist vor zur
Ewigkeit, die ewige Jugend ist.

Ich glaub' an Deine Gegenwart in diesem einsa-
men Gemach, ich glaub', daß Du mich hörst, mich empfin-
dest; ich spreche mit Dir. Du fragst, ich antworte Dir.

Jeder strebt nach Jugend, weil das Bedürfniß des
Geistes Entwicklung in der Liebe ist.

Nachdem ich schon ein Weilchen geschlafen habe:

Nichts ist dem Genius neu, alles ist ihm Element.
In der Liebe ist einer dem andern Genius und wird ei-
ner dem andern Element.

Du bist mir Element und ich kann die Flügel re-
gen in Dir, und das ist das einzige Erkennen, das ein-
zige Empfinden, das einzige Haben.

Und Du magst Dich tausendfach aus Dir heraus-
sehnen, nie wirst Du Dich selbst finden als indem Du
Dich in einen andern ergießest; nie wirst Du im Andern
sein, als wenn er in Dir ist.

an: majeſtäti[ſ]ch! triumphirend! obzwar ich allein bin hier
im verlaſſenen Haus, ohne Einrichtung mich zu empfan-
gen, hier ſind noch die Spuren des vergangenen Winters.

Der Geiſt taucht unter in der Jugend als in einem
Meer. Jugend wird ſein Element, in ihm wird der
Geiſt zur Liebe. Jugend bereitet den Geiſt vor zur
Ewigkeit, die ewige Jugend iſt.

Ich glaub' an Deine Gegenwart in dieſem einſa-
men Gemach, ich glaub', daß Du mich hörſt, mich empfin-
deſt; ich ſpreche mit Dir. Du fragſt, ich antworte Dir.

Jeder ſtrebt nach Jugend, weil das Bedürfniß des
Geiſtes Entwicklung in der Liebe iſt.

Nachdem ich ſchon ein Weilchen geſchlafen habe:

Nichts iſt dem Genius neu, alles iſt ihm Element.
In der Liebe iſt einer dem andern Genius und wird ei-
ner dem andern Element.

Du biſt mir Element und ich kann die Flügel re-
gen in Dir, und das iſt das einzige Erkennen, das ein-
zige Empfinden, das einzige Haben.

Und Du magſt Dich tauſendfach aus Dir heraus-
ſehnen, nie wirſt Du Dich ſelbſt finden als indem Du
Dich in einen andern ergießeſt; nie wirſt Du im Andern
ſein, als wenn er in Dir iſt.

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[179/0189] an: majeſtätiſch! triumphirend! obzwar ich allein bin hier im verlaſſenen Haus, ohne Einrichtung mich zu empfan- gen, hier ſind noch die Spuren des vergangenen Winters. Der Geiſt taucht unter in der Jugend als in einem Meer. Jugend wird ſein Element, in ihm wird der Geiſt zur Liebe. Jugend bereitet den Geiſt vor zur Ewigkeit, die ewige Jugend iſt. Ich glaub' an Deine Gegenwart in dieſem einſa- men Gemach, ich glaub', daß Du mich hörſt, mich empfin- deſt; ich ſpreche mit Dir. Du fragſt, ich antworte Dir. Jeder ſtrebt nach Jugend, weil das Bedürfniß des Geiſtes Entwicklung in der Liebe iſt. Nachdem ich ſchon ein Weilchen geſchlafen habe: Nichts iſt dem Genius neu, alles iſt ihm Element. In der Liebe iſt einer dem andern Genius und wird ei- ner dem andern Element. Du biſt mir Element und ich kann die Flügel re- gen in Dir, und das iſt das einzige Erkennen, das ein- zige Empfinden, das einzige Haben. Und Du magſt Dich tauſendfach aus Dir heraus- ſehnen, nie wirſt Du Dich ſelbſt finden als indem Du Dich in einen andern ergießeſt; nie wirſt Du im Andern ſein, als wenn er in Dir iſt.

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/189>, abgerufen am 28.03.2024.