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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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die auf keiner empfundenen Wirklichkeit beruhen, nur
als willkührliche Einbildungen gelten und wirken. -- Phi¬
losophie müsse nur durch die Empfindung begriffen wer¬
den, sonst sei es leeres Stroh was man dresche, man
sage zwar Philosophie solle erst noch zur Poesie werden,
da könne man aber lange warten, man könne aus
dürrem getheertem Holz keinen grünen Hain erwarten,
und da möge man Stecken bei Stecken pflanzen, und
den besten Frühlingsregen erbitten, er werde dürr blei¬
ben, während die wahre Philosophie nur als die
jüngste und schönste Tochter der geistigen Kirche aus
der Poesie selbst hervorgehe, dies sagte er dem Mstr.
Haise, der studirter Philosoph ist, der war darüber
so aufgebracht, daß Voigt die Poesie die Religion der
Seele nenne, daß er mit beiden Füßen zugleich in die
Höhe sprang -- und nachher mir allein sagte: ich möge
dem Voigt nicht so sehr trauen, denn seine Weisheit
sei ungesund und könne leicht ein junges Herz verfüh¬
ren, sonst war alles ganz gut, wir tranken Nachmittag
auf dem Musenfels Kaffee und machten ein lustig Feuer
im Wald an und tanzten zuletzt einen Ringelreihen
drum, bis die letzten Flammen aus waren, und alle wa¬
ren wie die Kinder so vergnügt, und mir kam vor als
wenn gar kein Falsch oder versteckte Gesinnung mehr

die auf keiner empfundenen Wirklichkeit beruhen, nur
als willkührliche Einbildungen gelten und wirken. — Phi¬
loſophie müſſe nur durch die Empfindung begriffen wer¬
den, ſonſt ſei es leeres Stroh was man dreſche, man
ſage zwar Philoſophie ſolle erſt noch zur Poeſie werden,
da könne man aber lange warten, man könne aus
dürrem getheertem Holz keinen grünen Hain erwarten,
und da möge man Stecken bei Stecken pflanzen, und
den beſten Frühlingsregen erbitten, er werde dürr blei¬
ben, während die wahre Philoſophie nur als die
jüngſte und ſchönſte Tochter der geiſtigen Kirche aus
der Poeſie ſelbſt hervorgehe, dies ſagte er dem Mſtr.
Haiſe, der ſtudirter Philoſoph iſt, der war darüber
ſo aufgebracht, daß Voigt die Poeſie die Religion der
Seele nenne, daß er mit beiden Füßen zugleich in die
Höhe ſprang — und nachher mir allein ſagte: ich möge
dem Voigt nicht ſo ſehr trauen, denn ſeine Weisheit
ſei ungeſund und könne leicht ein junges Herz verfüh¬
ren, ſonſt war alles ganz gut, wir tranken Nachmittag
auf dem Muſenfels Kaffee und machten ein luſtig Feuer
im Wald an und tanzten zuletzt einen Ringelreihen
drum, bis die letzten Flammen aus waren, und alle wa¬
ren wie die Kinder ſo vergnügt, und mir kam vor als
wenn gar kein Falſch oder verſteckte Geſinnung mehr

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[135/0151] die auf keiner empfundenen Wirklichkeit beruhen, nur als willkührliche Einbildungen gelten und wirken. — Phi¬ loſophie müſſe nur durch die Empfindung begriffen wer¬ den, ſonſt ſei es leeres Stroh was man dreſche, man ſage zwar Philoſophie ſolle erſt noch zur Poeſie werden, da könne man aber lange warten, man könne aus dürrem getheertem Holz keinen grünen Hain erwarten, und da möge man Stecken bei Stecken pflanzen, und den beſten Frühlingsregen erbitten, er werde dürr blei¬ ben, während die wahre Philoſophie nur als die jüngſte und ſchönſte Tochter der geiſtigen Kirche aus der Poeſie ſelbſt hervorgehe, dies ſagte er dem Mſtr. Haiſe, der ſtudirter Philoſoph iſt, der war darüber ſo aufgebracht, daß Voigt die Poeſie die Religion der Seele nenne, daß er mit beiden Füßen zugleich in die Höhe ſprang — und nachher mir allein ſagte: ich möge dem Voigt nicht ſo ſehr trauen, denn ſeine Weisheit ſei ungeſund und könne leicht ein junges Herz verfüh¬ ren, ſonſt war alles ganz gut, wir tranken Nachmittag auf dem Muſenfels Kaffee und machten ein luſtig Feuer im Wald an und tanzten zuletzt einen Ringelreihen drum, bis die letzten Flammen aus waren, und alle wa¬ ren wie die Kinder ſo vergnügt, und mir kam vor als wenn gar kein Falſch oder verſteckte Geſinnung mehr

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/151>, abgerufen am 19.04.2024.